Musterbruch: Zug statt Druck …

Liebe Leserinnen und Leser,

ich wette, Sie kennen diese und ähnliche Worte?

  • Wettbewerbsdruck
  • Preisdruck
  • Qualitätsdruck
  • Zeitdruck
  • Entwicklungsdruck
  • Innovationsdruck

Ganz ehrlich, ich finde es ist unangenehm ständig derart unter Druck zu stehen. Das ist doch kein (Arbeits-)Leben, stimmts? Doch wie kann man daran etwas ändern? Ist die Realität nicht einfach so?

Ändern wir das mentale Modell ändert sich auch die Drucksituation!

Mentale Modelle sind unsere subjektiven rein geistigen Vorstellungen und Annahmen, wie etwas ist, welchen Gesetzen es sich unterwirft usw. Sie sind nicht real und auch keine Wahrheit. Wer darüber mehr wissen möchte, lese hier einen wunderbaren Blogpost zu Wahrheit von Conny Dethloff. Mentale Modelle erleichtern uns allerdings das Leben ungemein. Sie helfen uns innerhalb unserer Wertvorstellungen, Gewohnheiten und Erfahrungen schnell Situationen einzuschätzen, zu entscheiden und zu handeln. Sie sind ein Teil unserer Intuition. Sie helfen uns dabei zu improvisieren. Mit metalen Modellen können wir in Echtzeit – ohne bewusste Reflexion – agieren.

Ein Beispiel aus der Wirtschaft für ein weit verbreitetes und sehr starkes mentales Modell ist die Lohn- oder Einkommenssteuer. Die weite Mehrheit teilt die Annahme, dass Einkommens- und Lohnsteuern sinnvollerweise die wichtigste Grundlage für die Steuereinnahmen sind. Wir beklagen uns allerdings auch alle über ihre teilweise an Piraterie grenzende Höhe, während zugleich offensichtlich kein Politiker weiß, wo er noch mehr Steuern her bekommen soll.
Hinterfragen wir dieses mentale Modell einmal mit dieser Hypothese: Sinnvoll ist, möglichst viele Geldflüsse zu besteuern. Denn dann können die Steuern in Relation zur jeweilig fließenden Geldmenge niedrig sein.
So die Geldflüsse angeschaut, stellt man fest, dass heute unsere Löhne und Gehälter, die den größten Anteil an unseren Steuereinnahmen darstellen (ca. 40,5%), nur einen geringen Teil der Geldflüsse ausmachen. Viel mehr Geld wird in Aktiengeschäften, Sparanlagen und Währungstransaktionen bewegt. Diese Bereiche der Geldwirtschaft sind allerdings im Vergleich zu Löhnen und Gehältern kaum oder gar nicht besteuert. 2001 machten die Einkünfte in Deutschland gerade einmal 23% der Geldmenge M3 aus, die auch Anlagen an den Börsen beinhaltet (Quellen für die Zahlen sind das statistische Bundesamt und Wikipedia).
Als sich die Industriestaaten mit ihren freien Staatsangehörigen Anfang des 20. Jahrhunderts Gedanken über Steuersysteme machten, war das anders. Damals hatten die Einkünfte auch den Löwenanteil an der Geldmenge und den Geldflüssen überhaupt. Hätten wir unser mentales Modell schon damals an die Geldmenge und Geldflüsse gekoppelt anstatt an die Einkünfte, unsere Staaten müssten weit weniger soziale Einschnitte und volkswirtschaftliche Krisen aushalten.

Ein ähnliches mentales Modell in der Betriebswirtschaft ist die Vorstellung, wir werden von allen Seiten unter Druck gesetzt. Physisch haben wir keinen Druck. Niemand kommt mit dem Schraubstock vorbei und klemmt unseren Kopf oder gar ganzen Körper ein.
Psychisch spüren wir den Druck – er ist real. Bei vielen verursacht er Stress, Depressionen, Angstattacken und anderes mehr. Die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen ist von diesem mentalen Modell tagtäglich gepeinigt. Eine leistungsstarke Minderheit fühlt sich in dieser Drucksituation entspannt, ja sogar gut.
Diese Menschen sind es, die unser Wirtschaftsleben bestimmen. Es ist nicht die Mehrheit, es sind die glücksritterlichen Fatalisten und erbsenzählenden Unternehmensmechaniker, die gut mit der Drucksituation zurecht kommen. Sie sitzen am Ruder, weil fast alle das mentale Modell des Drucks als stimmig akzeptiert haben. Aus dieser Situation heraus können jene, die mit dem Druck umgehen können, die anderen ausnutzen, benutzen und von ihnen profitieren.

Was ist die Alternative? Ein mentales Modell, dass uns aus dieser Situation befreiten kann, ist in einem der letzten Blogbeiträge bereits angeklungen. Rechts noch einmal die Grafik dazu. Heute geht es um die schwarzen und grünen Pfeile auf der Flipchart.
Das mentale Modell Druck (schwarze Pfeilspitzen) wirkt von außen auf das Unternehmen ein. Es stabilisiert die Strukturen im Inneren des Unternehmens als Widerstand gegen die unwirtliche und unfaire Umwelt. Hier braucht es Krieger für die eigene Sache, die sich im Schlachtfeld gegen die feindlichen Truppen und Mächte durchsetzen können. Ein mentales Modell, das Aggression, Machterhalt und Hierarchie ausprägt, um Überleben zu sichern.
Das mentale Modell Zug (grüne Pfeilspitzen) wirkt von innen nach außen. Es versteht die äußeren Einflussnehmer als Anfragende die auffordern mitzudenken. Hier findet unsere komplexe und hoch flexible Kombination aus Bewusstsein, Intuition und Emotion kniffelige, sich teilweise widersprechende Aufgabenstellungen. Ein mentales Modell, dass Toleranz, Querdenken und Kooperation ausprägt, um das Überleben als Gruppe und für das System an sich zu erreichen.

Wie geht das im Arbeitsalltag? Für die allermeisten sollte der Switch des mentalen Modells von Druck auf Zug zuerst einmal ein spielerischer Denkraum sein. Auf dem Terrain der betriebswirtschaftlichen Toleranz und Kooperation kennen sich viele schlicht noch nicht ausreichend aus. Wenn man sich das nächste Mal unter Druck gesetzt fühlt, rate ich:

  • Man stelle sich die menschliche Wurzel des Drucks als wilde/n Barbarenhorde/ Barbaren vor, die mit erhobenen Kriegshämmern, Keulen und wütendem Geschrei auf die Glaspaläste und Industriebauten des 21. Jahrhunderts zustürmen. Man schmunzelt und gibt damit das mentale Modell Druck der Lächerlichkeit preis.
  • Man findet andere Menschen und tauscht sich über den Switch der mentalen Modelle aus. Man sucht gemeinsam nach Lösungen im neuen Modell.
  • Anstatt es als (Preis-)druck zu formulieren, macht man eine Bitte daraus:
    • Bitte erbringe Deine Leistung zu einem günstigeren Preis oder erläutere mir, warum es diesen hohen Preis wert ist.
    • Bitte überdenke Dein Geschäftsmodell, denn mit dieser Konkurrenz willst Du nichts zu tun haben.
    • Bitte vergiss die Sicherheit des Kundens nicht. Zeige ihm gerne, dass Du an ihn gedacht hast.

Niemand schaltet mentale Modelle von heute auf Morgen um, es braucht Zeit, viele Wiederholungen und Selbsttoleranz, will man damit erfolgreich sein.

Gerne könnt ihr hier Antworten posten, in welcher Situation ihr den Switch geschafft habt und wie!

Liebe Grüße
Gebhard

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