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Wie wichtig sind Werte?

Liebe Leserinnen und Leser,

gestern hat Stefan Hagen in seinem pm-blog einen Artikel mit dem Titel „Enterprise 2.0 – Es geht um die Werte.“ veröffentlicht. Er stellt darin analog und digital, Enterprise 1.0 und 2.0, Digital Visitors und Natives gegenüber. Mit seinen Ausführungen trifft er einen Nerv, denn seit Gestern gibt es 14 lesenswerte Kommentare!

Ich stelle in den Kommentaren die Frage: Geht es wirklich um Werte oder doch eher um eine Kulturveränderung, auf die man die Werte neu anzuwenden hat?

Im Austausch zwischen Marcus Raitner und Conny Dethloff erweiterte sich das Thema auf die Fragestellung, ob mit Technologien (Enterprise 2.0) neue Werte erzwungen werden können? Ich bin da ganz bei Marcus und sage: Nein! Dennoch ist klar worauf Conny hinweist, dass Werte sich verändern (können) wenn neue Technologien ins Unternehmen kommen.

Mir ist aufgefallen: Es hat vermutlich weniger mit der Technologie als der damit verbundenen Chance für die Gruppe zur erneuten Sinnkopplung zu tun!

Werte und Sinn hängen auf individueller Ebene unauflösbar zusammen. Damit bestimmen unsere Werte bewusst und vor allem unbewusst, ob wir sinnkoppeln, auskoppeln oder entkoppeln. Ähnlich wie beim Sinn ist mir in der Diskussion zum Blogbeitrag von Stefan klar geworden, dass Werte von außen, also von Dritten, nur sehr schwer verändert werden können. Das hat schon was mit gehirnwäscheartiger Resozialisierung zu tun, will man jemandem von außen andere Werte aufzwängen!

Die Konsequenz für die Debatten rund um Werte ist dann, dass wir wohl gut daran täten, erst einmal die Werte der anderen:

  • wahrzunehmen,
  • zu respektieren,
  • zu akzeptieren,
  • zu konfrontieren und
  • zu tolerieren.

Anschaulich werden die damit verbundenen Herausforderungen für mich beim Wert Transparenz. Der 2.0 Welt wird unterstellt, dass dies einer ihrer höchsten Werte ist – ja wenn nicht sogar ein allgemeines Gut. Dabei steht absolute Transparenz im vollkommenen Wiederspruch beispielsweise zu Persönlichkeitsrechten und Privatsphäre. Wie wichtig Transparenz einem Menschen ist und wie er damit im Bezug auf sich umgeht, ist sehr individuell und persönlich. Transparenz in einer Organisation allgemein zu fordern, ist aus der menschlichen Perspektive heraus betrachtet grotesk. Hier zwei Argumente gegen Transparenz als sinnvollen, hohen Wert:

  • Den größte Teil unserer Entscheidungen fällen wir unbewusst und aufgrund unsicherer Daten; also vornehmlich intransparent (hierzu seien Feel it! von Andreas Zeuch und Der Schwarze Schwan von Nicholas Taleb als weiterführende Lektüren empfohlen).
  • Die Datentsunami trägt nicht etwa zu höherer Durchsichtigkeit sondern zum genauen Gegenteil bei. Je mehr man einer Sache nachgeht, umso mehr komplexe und undurchsichtige Aspekte gewinnt sie hinzu.

Bestimmte Ausprägungen von Transparenz können natürlich sinn- und wertvoll sein. Hier verweise ich auf die Kassentransparenz, die ich an verschiedenen Stellen von Affenmärchen fordere. Doch auch bei diesen kommt es auf den Betrachter an. Während Mitarbeiter auf der untersten Hierarchieebene kaum Probleme mit Kassentransparenz haben (inkl. ihrer Einkommen) und sie sogar befürworten, da sie endlich mehr von den wirtschaftlichen Zusammenhängen des Unternehmens verstehen würden, sieht das in den Managementebenen aus guten, für diese Menschen überaus sinnvollen Gründen ganz anders aus.

Mein Fazit an dieser Stelle ist vergleichbar zur Beziehung zwischen Sinn und Sinnkopplung: Jeder Mensch ist ein komplexes Universum seiner Werte, in das man nicht kaum kontrolliert von außen eingreifen kann. Ein/e Wertekapitel im UN-Leitbild, -debatte oder -diskussion ist daraus folgend betriebswirtschaftlich verschwendete und kulturell zumindest zweifelhaft verbrachte Zeit.  Sehr gut eignet sich so etwas natürlich für Ablenkungsmanöver von den Baustellen, an denen man real etwas leisten kann.

Anstatt also Werte übergreifend zu debattieren und zu versuchen, sich über Werte zu einigen, sollten wir unsere Achtsamkeit, Wahrnehmung und Toleranz darauf lenken:

  • an und mit welchen Werten wir unsere und andere ihre Handlungen ausrichten.
  • die von uns geäußerten Werte als Ausgangspunkt für eine kritische Selbsreflexion zu nutzen, indem wir uns hinterfragen, ob wir den Werten, die wir als für uns wertvoll benennen in unserem Tun auch gerecht werden.
  • anderen ihre Werte zu lassen und die daraus entstehenden Konsequenzen für die Beziehung zu prüfen und zu konfrontieren.

Werte sind für uns als Individuum prägend und in unserer Auseinandersetzung mit der Welt wie auch unseren Mitmenschen sinnstiftend. Sie bestimmen einen Gutteil unserer unbewussten Gewichtung von Argumenten in Entscheidungen und damit über Positionen wie „richtig und falsch“, „gut und schlecht“, „moralisch und unmoralisch“ etc. Dennoch bleiben sie bereits in einer einzelnen Person nahezu unfassbar komplex – wie unzählige Geschichten aufzeigen.  Auch können sie sich von einem auf den anderen Moment wandeln, ähnlich wie bei der Sinnkopplung.

Betriebswirtschaftlich kann mich deshalb der Wert an sich kaum interessieren. Spannender wird die Handlung, die ein Mensch im Widerspruch oder im Einklang zu einem offengelegten Wert vollzieht. Damit kann eine Organisation, ein Team, eine zwischenmenschliche Beziehung arbeiten.
Ansatt also gemeinsame Werte zu definieren (ich bin nach wie vor überzeugt, dass hier die Erdenker des Grundgesetzes und Menschenrechtsorganisationen bereits großartige Arbeit geleistet haben) sollten wir uns darin üben, unsere Werte zu äußern und prüfen, ob wir auch  danach leben (können).

Wir wollen denken!
Gebhard

Danke an Conny, Marcus, Stefan und all die anderen Kommentatoren des Blogbeitrags, der mich auf diese Gedanken gebracht hat!

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Eingeordnet unter Affenmärchen in der Praxis, Mentale Modelle

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Eingeordnet unter 08 sinnhaft leisten

Sinn fordert Unternehmen heraus [2]

Wie können wir Gemein-Wahn vom Gemein-Sinn abgrenzen? Zum Einen anhand der verbleibenden Freiwilligkeit oder der Freiheit zu abweichendem Denken, Reden und Handeln, also der Freiheit, den eigenen dem gemeinsamen Sinn unterzuordnen oder eben nicht. Ganz gleich wie viel Energie in der Gruppe entsteht, die einen gemeinsamen Sinn entwickelt: sobald sie dazu übergeht ihren Sinn gewaltsam – physisch oder psychisch – nach innen oder außen durchzusetzen, ist aus Sinn Wahn geworden.
Die Übergänge sind dabei oft schwer auseinander zu halten – es handelt sich nicht selten um eine Gratwanderung. So kam es im beschriebenen Unternehmen zu Phasen, in denen die Mitarbeiter, wie etwa der zweite Doktorand, enormem emotionalem und psychischem Stress ausgesetzt wurden, um die Illusion der erfolgreichen Technologie aufrecht zu erhalten. Der Zweck heiligt eben nicht immer die Mittel.

Zumindest dann auf gar keinen Fall, wenn dieser Zweck einer Realitätsprüfung, wie bereits im Abschnitt über Werte erwähnt, nicht standhält. Andreas Zeuch beschreibt in seinem Buch Feel it! die Geschichte der Ärzte Robin Warren und Barry Marshall, die wissenschaftlich nachweisen konnten, dass Magengeschwüre bakteriell bedingt sind und mit einer recht simplen Antibiotikatherapie behandelt werden können. Trotz ihrer real prüfbaren Beweise und der Zweckmäßigkeit ihrer Entdeckung hielt die internationale expertokratische Ärzteschaft über Jahrzehnte an ihrem Gemeinsinn (oder vielleicht auch schon -Wahn) fest, wonach Magengeschwüre maßgeblich mit scharfen Speisen, Alkohol und Stress in Zusammenhang stünden. Millionen von Patienten wurden operiert und würden es wohl heute noch, wenn der Gemeinsinn von Marshall und Warren sich nicht ausdauernd und erfolgreich dem inzwischen unrealistischen Gemeinwahn ihrer Kollegen entgegengestellt hätte.

Gemeinsinn, der über die Zeit sowohl die Freiheit anzukoppeln und zu entkoppeln wahrt, als auch einer wiederkehrenden Realitätsprüfung standhält, der also über die Gruppe, die an ihn angekoppelt hat, hinaus gehend sinnvoll ist, nenne ich Gemeinwohl-Sinn. So schützt die Entdeckung von Warren und Marshall nicht davor, dass unverantwortliche Ärzte ihre Therapie bereits bei einfachen Magenverstimmungen anwenden und damit überhaupt nicht sinnvoll handeln. So schnell kann dann aus Gemeinwohl-Sinn gemeine Dummheit werden.

Gemeinwohl-Sinn
Er verbindet das gemeinsame Ankoppeln an einen Gemeinsinn mit einer kritischen Selbstreflexion desselben. Dinge, die vor einhundert Jahren im Rahmen einer Realitätsprüfung vollkommen unbedenklich erschienen, ja sogar als gesellschaftliche Wunder gefeiert wurden, wie etwa die Herstellung und Verbreitung von Autos mit Verbrennungsmotor für Jedermann, sind wenige Jahrzehnte später kaum noch bedenkenlos als sinnvoll und gesamtgesellschaftlich richtig anzusehen.
Externe Effekte aus der Unternehmensverantwortung herauszunehmen, wie es die Betriebswirtschaft lehrt, mag man vor fünfzig Jahren noch akzeptiert haben. Sinn hatte es, geprüft an der Realität, schon damals nicht. Denn trotz allen technologischen und technischen Fortschritts ist die Erde nicht größer oder sauberer geworden, ganz im Gegenteil.
So kann Sinnkopplung im sinnvollen Wirtschaften nicht einfach nur darin bestehen, einen Gemeinsinn zu erreichen, wie es für gesundes Wirtschaften ausreichen würde. Es ist vielmehr der Anspruch an jeden Mitarbeiter und das Unternehmen selbst, nach einem Gemeinwohl-Sinn zu streben.

Umfeld und Sinn
Sinn bleibt beeinflusst durch Werte, Ideologien, Gefühle und Spiritualität der Gruppe selbst und derjenigen, von denen sie umgeben ist. So wird Sinnkopplung in Nordkorea etwas vollkommen Anderes sein, als in Westeuropa oder speziell in Deutschland. Die gesellschaftlich gelebten Werte haben einen nachdrücklichen Einfluss auf das Sinnverständnis, das auch keineswegs von sich aus „positiv“ oder „gut“ sein kann. Noch der ärgste Wahn beansprucht für sich, gut, richtig und positiv zu sein.

Sinn über die Zeit
Zur weiteren Annäherung an den Begriff der Sinnkopplung ist es hilfreich, Sinn unter verschiedenen zeitlichen und räumlichen Aspekten zu betrachten. Stellen wir uns dazu Sinn als kurz-, mittel- und langfristigen Bezugspunkt vor. Dann kann es sein, dass meine Arbeit für mich augenblicklich wahrgenommen überhaupt keinen Sinn hat, weil ich schlicht mit Aufgaben beschäftigt bin, die mich weder interessieren, noch meinen Fähigkeiten oder Fertigkeiten entsprechen. Sie kann dennoch mittelfristig, also innerhalb weniger Stunden, einiger Monate oder Jahre eingeschränkt Sinn haben, weil es niemanden zu interessieren scheint, dass ich der falsche Mensch am falschen Ort bin. Und sie kann langfristig, etwa aufs absehbare Leben bezogen, sogar sehr viel Sinn haben, da ich so zwar inhaltlich unbefriedigt, allerdings komfortabel und ohne großen Aufwand die Existenz meiner geliebten, mich erfüllenden Familie sichere.

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Eingeordnet unter 08 sinnhaft leisten, Sinn fordert Unternehmen heraus

Das Grundgesetz kann einem Unternehmen viel Geld sparen [2]

Dabei ist es ganz einfach: Zuzulassen, dass jemand Überzeugungen auf Basis von individueller Macht und seiner höchst subjektiven Interpretation der Welt durchsetzt, bedeutet automatisch, Einiges billigend in Kauf zu nehmen: Die Würde von Menschen, ihre persönliche Freiheit, ihr Recht auf Meinungsäußerung und auf alle Fälle die Gleichberechtigung werden da leicht angetastet, verletzt und beschränkt. Das eigene Weltbild auf Basis von normativer, formaler Macht durchzusetzen ist gegen unsere gesellschaftliche Überzeugung von einem friedlichen und menschlichen Zusammenleben, haben Sie sich das schon einmal bewusst gemacht? Es ist darüber hinaus nicht menschenwürdig, wie die Erfahrungen mit den Herren Lenin, Stalin, Hitler, Mao … beweisen. Arbeit macht eben nicht zwingend frei, egal wie groß die Lettern über dem Eingangstor darauf verweisen. Stattdessen steht diese unternehmerische Haltung uns Menschen sogar im Weg, wollen wir unser Leistungspotential einbringen, uns durch unsere Arbeit erfüllen und Spaß daran haben.

Das soll nicht heißen, dass es nicht geht. Einzelpersonen ihren Machtanspruch auf diese Art und Weise ausleben zu lassen hat eben seinen Preis. Wir bezahlen ihn in Depressionen, Statisten am Schreibtisch, Bespitzelungen, ignorierter Kinderarbeit, Ausbeutung von Drittweltländern, Vergiftungsskandalen in Lebensmitteln und so weiter. Könnten die Menschen selbst darüber entscheiden, sich nicht nur existenzsichernd zu beschäftigen, sondern darüber hinaus sinnvoll zu handeln – viele würden die Arbeit in Rüstungsfirmen, bei Börsenspekulanten, in der Massentierhaltung oder auch im Staatsdienst schlichtweg ablehnen. Ich bin mir sicher, sie hätten Sinnvolleres zu tun.

Wenn Sie in Ihrem Unternehmen einen Werteraum für Sinnkopplung schaffen wollen, reicht der Blick in unser Grundgesetz. Warum etwas neu erfinden wollen, dass schon da und vor allem qualitativ sehr hochwertig ist? Es lohnt das Nachdenken über Begriffe wie Menschenwürde, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie Gleichberechtigung mit Bezug auf die Organisation von Unternehmen. Dabei wird klar:

  • Es kann nicht um Durchsetzungsmacht gehen, es geht vielmehr um die Freiheit, zu allem „Nein“ sagen zu können und darin respektiert zu werden.
  • Es kann nicht um Gehorsam gehen, sondern um eigenständiges Denken.
  • Es kann nicht um individuellen Leistungslohn gehen. Grundlegend sollten wir uns als Menschen gleich viel wert sein und uns die Möglichkeit geben vom Unternehmen materiell unabhängig werden zu können.

Es klingt reizvoll, Sinn anstelle formaler Abhängigkeit zur Mitarbeiterbindung zu nutzen. Aber es bringt überhaupt nichts, ein Leitbild oder die Unternehmensverantwortung neu zu diskutieren und niedergeschriebene Sinnkopplung einzufordern. Sinn braucht den Raum, in dem Würde, Gleichwertigkeit und Freiheit in einem Unternehmen gelebt und nicht als Worthülse in einem bunten Hochglanzprospekt phantasiert werden. Wer das will, muss jeden Einzelnen ermächtigen und von ihm verlangen, eigenverantwortlich zu sein, muss selbständiges Denken fordern und fördern sowie allen Mitarbeitern finanzielle Unabhängigkeit vom Unternehmen ermöglichen. So entsteht nachhaltiges Wollen anstelle von abhängigem Müssen zur persönlichen Existenzsicherung.

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Andere fragen heute noch danach … 


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Eingeordnet unter 08 sinnhaft leisten, Das Grundgesetz kann einem Unternehmen viel Geld sparen

Das Grundgesetz kann einem Unternehmen viel Geld sparen [1]

Kennen Sie das Grundgesetz? Den Anfang – Die Würde des Menschen ist unantastbar – sicherlich. Doch wie geht es weiter? Es folgt eine ziemlich komplette Liste auch für Unternehmen anzustrebender Werte:

  • die freie Entfaltung der Persönlichkeit
  • Leben und körperliche Unversehrtheit
  • die Gleichheit/ Gleichberechtigung aller
  • die Freiheit des Glaubens, des Gewissens sowie des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses
  • Meinungsfreiheit
  • Versammlungsfreiheit
  • Gewährleistung der Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung
  • das Recht schriftlich oder mündlich Bitten und Beschwerden zu äußern
  • und noch einige staatsspezifische Punkte mehr.

Mit einer solchen Steilvorlage sollte man glauben, dass Firmen sich die übertriebene Energiekonzentration auf „Wertearbeit“ weitgehend ersparen – doch weit gefehlt. Werte werden von Unternehmen in groß angelegen Mitarbeiterbeteiligungsorgien diskutiert, definiert, niedergeschrieben und marketinggerecht gestylt veröffentlicht. Dabei würde es wohl reichen, das Grundgesetz einmal bewusst durchzulesen.
Warum wird in unserer sonst so auf Effizienz und Redundanzvermeidung getrimmten Unternehmenswelt dennoch so viel Zeit darauf verschwendet? Weil sie ein schönes Feigenblatt ist. Menschen in (schein-)strategische Unternehmensarbeit einzubeziehen sieht gut aus, verschafft vielen Beratern und Coaches fette Aufträge, und es ist viel einfacher, über einen gemeinsamen Wertekanon zu diskutieren und ihn immer wieder aufs Neue zu beschreiben, als diesen Werten wirklich gerecht zu werden. Dazu dürfte man nämlich die Entscheidung über die Verletzung von Werten nicht länger denjenigen überlassen, die vorzugsweise Deutungs- und Durchsetzungsmacht beanspruchen. Und da wären wir wieder bei Goethes Hammer und Amboss aus dem dritten Kapitel.

Im kürzlich erschienen Buch „Machtfrage Change“ von Torsten Oltmanns und Daniel Nemeyer wird deutlich, wie wenig übertrieben das alles ist. Die Autoren beklagen: Manager führen heute zu selten klar und eindeutig und nutzen die ihnen gegebene Macht zu selten. Sie gehen im Buch der Frage nach, was im Changemanagement entscheidend für ein gutes Ergebnis ist, erklären die Veränderungsmacht zu diesem Erfolgsfaktor und definieren sie auf Seite 179 so:

„ … die Fähigkeit, das eigene Weltbild und dessen Implikationen als verbindlich in einer Organisation durchzusetzen und gleichzeitig andere Weltbilder ins Abseits zu stellen und damit deren Implikationen zu bekämpfen.“

Dieser Satz verdient wahrhaftig das Prädikat „vollendeter Stalinismus“ (wenn Sie wollen auch „Maoismus“) – man muss nur einmal für „das eigene Weltbild“ „Marxismus-Leninismus“ (oder „Lehren des Großen Vorsitzenden“) einfügen und für „Organisation“ „Partei der Arbeiterklasse als führende Kraft“. Sie dürfen sich – falls sie nicht zustimmen – auf einen Platz im Arbeitslager einrichten. Naja – vielleicht nur auf Hartz IV. Die Autoren argumentieren aus der Idee des Konstruktivismus heraus und kommen zum Ergebnis: Die Wirklichkeit wird von dem bestimmt, der die Durchsetzungsmacht hat. Willkommen in der Welt der paradoxen Pseudorationalisten und Sozialdarwinisten, die weder mit Naturgesetzen, geschweige den oben aufgelisteten und scheinbar allseits angestrebten menschlichen Werten zu tun haben. Willkommen in der Welt, in der Menschenwürde das Papier nicht wert ist, auf dem sie versichert wird und in der die Machtfrage oder der Profit – also Herrschsucht und Habgier – immer vor der Frage nach Sinn stehen wird. In dieser Welt haben wir uns von einem sinngekoppelten Unternehmen verabschiedet. Das Buch ist erfolgreich, wird von der Presse gelobt und hat auf Amazon fünf Bewertungssterne. Eine große Leserzahl freut sich darüber, dass wieder einmal jemand die Macht übernimmt und nicht zu feige ist, es auch auszusprechen.
Leider muss sich diese Machtausübung nur sehr selten einer Realitätsprüfung stellen, wie etwa ein Verkehrssünder, den man eindeutig auf dem Foto der Blitzampel erkennen kann. Es ist allzu üblich, dass die Wirklichkeit in erlauchten Managementkreisen dem entspricht, was man sich vorstellen möchte und keineswegs dem, was Wirklichkeit ist. Später im Kapitel kommen wir auf den Umstand der Realitätsprüfung noch einmal zurück.

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Eingeordnet unter 08 sinnhaft leisten, Das Grundgesetz kann einem Unternehmen viel Geld sparen

Sinn vs. Profit – Kooperation vs. Rangkämpfe [1]

Jeder von uns ist ein Arbeits-Statist, eine seelenlose Nummer in den Zahlenfriedhöfen des Statistischen Bundesamtes. Die Unternehmen koordinieren diese Statisten und fordern Höchstleistungen von ihnen. Dabei haben sie das ruhende Potenzial zwar erkannt, nach wie vor gelingt es allerdings nur mittelmäßig, dieses Potenzial auch als Leistung abzurufen. Der Grund ist vor allem im Mechanismus zu finden, den Unternehmen benutzen, um uns Statisten an sich zu binden. Abhängigkeit, Bedrohung, Belohnung und Bestrafung sowie Gängelung – vor allem Angst wird genutzt, um Menschen aufstehen und zur Arbeit gehen zu lassen. Es ist allerdings eine denkbar schlechte Vorgehensweise, um intelligente Leistung im Sinne eines größeren Ganzen zu bekommen.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Seit mehreren Jahrzehnten wird der bittere Grundmechanismus der Arbeit – existenzielle Abhängigkeit – auf Zucker geträufelt. Unternehmensleitbilder, Incentives, Fach- und Kompetenzkarriere, Unternehmenswerte, leistungsabhängige Einkommensanteile und dergleichen mehr nennt man das dann. Sozusagen als Best-Practice vom Erfolg der Schluckimpfung auf die Arbeitswelt übertragen.
Das alles bleibt allerdings im konservativen Verständnis von Arbeit verhaftet. Und so bleibt auch das Ergebnis der Arbeit selbst weit hinter ihrem Potenzial zurück. Will man menschliche Leistung, Intelligenz im Sinne eines gemeinsamen Unternehmens und wirkliche Synergie, dann können Werte, Identität und Sinn nicht vorgeschrieben sein. Sie können bei diesem Anspruch nicht eingefordert werden. Was den Unternehmen bleibt sind Angebote, die aus freien Stücken angenommen werden, weil die Menschen annehmen wollen. Alles andere ist Zwang und steht einer Sinnkopplung im Weg.

Bereits bei der Gründung einer Firma können für eine erfüllende Arbeit die richtigen Weichen gestellt werden. Wenn Sie ein Unternehmen beim Gewerbeamt anmelden, werden Sie nach zwei Dingen gefragt: Dem Zweck und der Gesellschaftsform ihres Unternehmens. Der Zweck beschreibt ihren Handlungsraum, ein Handelsgewerbe darf nicht automatisch etwas produzieren und eine Softwarefirma darf nicht automatisch Autos verkaufen. Die Gesellschaftsform beschreibt vornehmlich juristische Inhalte wie Haftungsrisiken, Abhängigkeit der Geschäftsführer im Innen- und Außenverhältnis und anderes mehr. Das heißt: Bereits heute gibt es keine Gesellschaft, kein Unternehmen ohne Zweck und Form, womit die Grundvoraussetzungen für ein Sinnangebot sogar gesetzlich verankert sind!

Viele nehmen an, das Ideal, ein tolerantes, kooperatives und lebensbejahendes Unternehmen, das seinen Menschen die Möglichkeit gibt, in ihrer eingebrachten Leistung den persönlichen Sinn zu erfüllen, sei Wirklichkeit. So würden sie sogar unsere Gesellschaft beschreiben. Stimmt das? Wie werden Firmen normalerweise umgesetzt? Welche Grundprinzipien werden für sie angenommen? Hier schematisch ein gängiges Unternehmen:

  • Allgemein – Hierarchisch geordnet, Rivalität zwischen den Angestellten mit Rangkämpfen, mechanische Abläufe
  • Leitfigur – von autoritär bis autokratisch
  • Ziel und Zweck – Vorwiegend monetär orientierte Ziele; Existenzsicherung des Systems ist ein sekundäres Ziel; Im Extremfall wird der monetäre Erfolg zum Machtgewinn und zur -erhaltung gebraucht.
  • Regeln – Kollektivistische Regeln, Gehorsam gegenüber den Anweisungen der Hierarchie
  • Strafen – Bei Verweigerung der Systemkonformität subtile psychische Aggression (Mobbing), Isolation (Wegbefördern) oder Systemausschluss (Kündigung)
  • Konkurrenten/ Feinde – Jeder, der nicht Teil oder Partner des System ist
  • Riten/ Symbole – Gehorsamsgesten (freiwillige (Pflicht-)Teilnahme an der alljährlichen Betriebsweihnachtsfeier), Unterwerfungsriten (Arbeitsvertrag), manipulatorische Elemente (jährliche Leistungsbeurteilung)
  • Bindungsmechanismus – materielle Abhängigkeit, zuerst über das Gehalt, darüber hinaus über Vergünstigungen wie Firmenhandy, -wagen, -kredite, Boniregelungen bei Akkord oder Zielvereinbarungen
  • Slogan – »Leben ist Arbeit«

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