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Wo fängt Verantwortung an [2]

Oft dauert es einige Zeit. Man ist so mit Karriere, mit Beziehung, mit Familie gründen, Haus bauen, mit gesellschaftlicher Erwartungserfüllung und damit beschäftigt, den notwendigen Geldzufluss aufrecht zu erhalten, dass einem gar nicht auffällt, wie sich die Selbständigkeit, die eigene Freiheit, verflüchtigt. Dabei will ich niemanden in Schutz nehmen, jeder kann sich in unserem Land, wann immer er oder sie möchte, für ein anderes Leben entscheiden. Die Buchregale sind voll von Menschen, die so etwas gemacht haben, wie etwa der erfolgreiche Arzt, der heute als Brummifahrer glücklicher ist als je zuvor. Dennoch, für die weite Masse ist es ein beobachtbares Phänomen, irgendwann die Flügel zu streichen, den Revoluzzer einzupacken, sich der »Realität« zu stellen und das zu sein, was man als Kind und Jugendlicher nie werden wollte: ein spießiges kleines Rädchen im Getriebe der Massenproduktionsmaschine.

Erinnern Sie sich an die letzte engagierte Rede Ihres Geschäftsführers, Betriebsratsvertreters, Bürgermeisters oder von einem der konservativen Prediger für den wirtschaftlichen Wandel wie beispielsweise einem ehemaligen Vorstand eines Großkonzerns oder einem Vertreter der großen internationalen Beratungshäuser? Zwei Forderungen dürfen in diesen Reden nicht fehlen: Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Beide sprechen unsere Sehnsucht nach Freiheit, nach Selbstbestimmtheit ja nach Selbsterfüllung und damit unsere Suche nach Sinn an. Die Ideale unserer Gesellschaft, das, wofür unsere Vorfahren in Revolutionen und blutigen Bürgerkriegen gestorben sind, wird öffentlich gerne in die Waagschale geworfen und mit euphorischem Applaus bestätigt. Die Wirklichkeit in Unternehmen sieht anders aus. Das System des gesund wirtschaftenden Unternehmens funktioniert anders. Man kann uns Selbständigkeit und Eigenverantwortung gar nicht zubilligen, denn darin liegt auch die Möglichkeit, sich wie Andreas gegen das Unternehmen zu entscheiden und damit Probleme zu verursachen. Für den reibungslosen Verlauf einer Firma im aggressiven Gesellschaftssystem sind Abhängigkeit, Fremdverantwortung und Unselbständigkeit wichtig. So wie sie bei Andreas nach seinem Ausstieg deutlich wurden. Denn sie sollen die Kontrolle über die Arbeitskraft und die Umsetzung des Leistungspotenzials durch das Unternehmen sicher stellen. Achten Sie darauf, wenn Ihnen das Qualitätsmanagement, das Human Ressources oder die Linienorganisation mit ihrer Hierarchie das nächste Mal gegenüber tritt. Geht es dann um Eigenverantwortung und Selbständigkeit oder um Abhängigkeit, Unselbständigkeit, Schuldzuweisung und -delegation? Ein Trost mag darin zu finden sein, dass es bedeuten würde, die Welt aus den Angeln zu heben, wollte man das ändern, denn zu viele sind davon betroffen. Wer will so etwas von sich selbst fordern? Ein Trost mag darin zu finden sein, dass die anderen ja auch weg schauen und gerade so weiter machen wie immer. Man muss ja nicht überall unter den Ersten sein? Trost also, lässt sich für den einen oder die andere finden, Lösungen sicherlich nicht.

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Verdeckte Gleichmacherei und andere Unterscheidungen [1]

An dieser Stelle kommt es darauf an, wo Sie diesen Text lesen! Zu Hause, im Zug, auf Arbeit? Es kommt darauf an, weil Sie sich jetzt ein Bild von ihrem Arbeitsalltag machen sollen. Wenn Sie zu Hause oder im Zug sitzen, schließen Sie kurz die Augen und denken Sie an Ihre Arbeitskollegen und -kolleginnen. An die Menschen, die zu Ihrer Abteilung, ihrem Bereich gehören. Vielleicht sehen sie sich täglich, oder, wenn Sie im Außendienst tätig sind nur ab und an. Stellen Sie sich die Kollegen vor Ihrem inneren Auge vor oder beobachten Sie kurz, wenn Sie das Buch am Arbeitsplatz lesen.

Vermutlich finden Sie eine Vielzahl unterschiedlicher Charaktere, da ist der stille, immer etwas schüchterne Kollege und die Kollegin, die immer zu viel Privates erzählt, deren Tischnachbar lacht dann zu laut und gibt Ihnen und ihrer Tischnachbarin guten Stoff für den Klatsch und Tratsch in der Kaffee-Ecke. Vielleicht sehen Sie auch den Choleriker oder einen ständig eingeschüchterten und fast schon verängstigten Mitarbeiter. Einen starken Raucher oder den asketischen Ausdauersportler, den allseits bekannten und doch sehr geselligen Quartalssäufer oder den aufstrebenden Karriereopportunisten, dessen Kopf immer im Hintern einer Führungskraft steckt, während seine Füße gekonnt die anderen Kollegen klein treten. Natürlich können sie auch eine dynamische und alles in allem sich gut verstehende Gruppe unterschiedlichster Menschen sehen, die gerne zusammen arbeiten und ihre Aufgaben umsetzen!

Haben Sie das Bild vor Ihrem inneren Auge? Dann werde ich Sie jetzt vermutlich überraschen!

Es handelt sich, so der Anschein, um einen bunt gemischten Haufen, den vor allem die gemeinsame Firma verbindet. Doch ist das so? Sind sie wirklich so unterschiedlich?.

Im Buch »Machtwechsel im Management« findet sich ein Abschnitt über Teams. Unterschieden werden hier „kollektive“ und die allseits beschworenen „synergetischen Teams“, in denen die Stärke der Gruppe größer ist, als die zusammengenommene Summe der Einzelstärken. Anders als in anderen Büchern hat Uwe Renald Müller, der Autor, nicht angenommen, diese synergetische Mehrleistung entstände automatisch durch die Bildung von und die Arbeitsorganisation in Teams – wie es etwa in der Industrie seit Jahren im Rahmen von Fertigungsinseln umgesetzt wird. Vielmehr suchte er nach den Unterschieden zwischen den „normalen“ und den „synergetischen Teams“. Während Letztere eine Leistungssteigerung um Größenordnungen erreichen, schaffen die meisten Gruppen es offensichtlich nicht, mehr zu sein als die Summe ihrer Bestandteile. Müllers Ergebnisse sind auch eine Erklärung dafür, warum sich viele Menschen bezogen auf ihre Arbeit auf Anhieb verstehen und andere – Exoten – so gar nicht dazu passen wollen.
Stellen Sie sich eine Abteilungsleiterin vor. Ganz der modernen Lehre verpflichtet, versteht sie ihre Aufgabe darin, ihre Mitarbeiter zu koordinieren und zu coachen. Sie ist eine verständnisvolle Ansprechpartnerin, für alle Kollegen gleichermaßen da und schlichtet Konflikte. In ihrem Führungsverständnis trifft sie auch bei anderen Angestelltentypen wie etwa dem Teamleiter, der Büroleiterin und auch bei den Sachbearbeitern und Werkern auf Verständnis. Alle, sogar der Selbständige, sind sich einig: Heute ist die Arbeit in Teams abzuwickeln und die Führung hat vornehmlich so etwas wie eine koordinierende Aufgabe.
Dabei wird gerade übersehen, dass diese Annahme nur für Gruppen ähnlicher Individuen – also Kollektive – korrekt ist. Im Kollektiv erfüllen alle einfache oder auch komplizierte aber im Wesentlichen immer gleichbleibende Aufgaben: Sie sind linear voneinander abhängig.
Nehmen wir beispielsweise einen Verkaufsprozess. Der Vertriebsmann, trifft sich mit einem Kunden und wird sich mit ihm einig. Er gibt die Details wie Rechnungsanschrift, Kundennummer, bestellte Produkte, Liefertermin und Preis an die Zentrale weiter. Dort legt der Vertriebsinnendienst die Bestellung im System an und schickt die Auftragsbestätigung an den Kunden. Der Kunde bestätigt und der Vertriebsinnendienst gibt die Einzelaufträge an die Lieferanten und die Fertigung weiter. Nach Lieferung und Erstellung werden die Produkte im Lager kommissioniert und an den Fahrer übergeben. Der liefert die Ware an den Kunden. Vierzehn Tage später bucht man in der Debitorenabteilung den Geldeingang des Kunden. Der Prozess Produktverkauf ist abgeschlossen.

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