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Sinnkopplung – unternehmerisch mit Sinn umgehen [1]

Entscheidend an all diesen Differenzierungen ist, dass sie sich um Sinn drehen, nicht um Sinnkopplung. In einem Seminar hat mich ein Teilnehmer gefragt: „Was ist der Unterschied zwischen Sinnkopplung und beruflicher Erfüllung?“

Die Antwort: Sinnkopplung ist das mechanisch beschreibende Resultat eines Prüfungsvorgangs, den wir ständig wiederholen. Berufliche Erfüllung beinhaltet viel mehr und ist der Kontext, in den sich Sinnkopplung einbettet. So wohnt fast jedem Menschen die Sehnsucht inne, sich auch beruflich zu erfüllen. Zumindest bei Kindern ist diese Sehnsucht so präsent dass sie regelmäßig auch in klaren Zukunftswünschen ausgedrückt wird – wie etwa den Klassikern, irgendwann Feuerwehrmann oder Flugzeugpilot werden zu wollen. Berufliche Erfüllung ist allerdings auch hoch komplex und ein riesiges, nahezu unfassbares Thema.
Sinnkopplung beschreibt demgegenüber nur den Moment, in dem ein Mensch im Rahmen seines Drangs nach (beruflicher) Erfüllung mit einem Unternehmen oder einer Gemeinschaft einen Energieschluss vollzieht oder ihn auflöst, sprich den Fremdsinn als Eigensinn annimmt oder nicht und damit sinnkoppelt oder -entkoppelt. Sie tritt im Wahn ebenso ein, wie im Gemeinwohl-Sinn. Sinnkopplung kann damit verglichen werden, sich mit etwas zu identifizieren. Allerdings nimmt Sinnkopplung stärker und orientierend Einfluss auf das eigene Handeln. So kann man sich mit etwas oder jemandem (oberflächlich) identifizieren, ohne die eigene Handlungsausrichtung wirklich konsequent anzupassen. Beispielsweise könnte man sich mit Bioprodukten oder den Zielen von Greenpeace identifizieren, könnte sogar, wann immer möglich, Bioware kaufen und Spendengeld auf ein Greenpeacekonto überweisen. All das hält nicht zwingend davon ab, einen Porsche, eine Kawasaki Ninja oder einen Hummer zu fahren. In dem Moment, indem ich mit ökologischer Landwirtschaft oder den Zielen von Greenpeace sinnkopple und sie mir in meinem Sinn zu eigen mache, elektrisieren mich ihre Ziele, geben Energie auf meine Handlungsentscheidungen und das Gemüse wird fortan selbst angebaut oder beim Ökobauern des Vertrauens eingekauft und der Porsche, die Ninja oder der Hummer wird, den materiellen Wertverlust billigend in Kauf nehmend, abgestoßen.

Für ein Unternehmen ist im Bezug auf Sinnkopplung zudem die Frage zu klären: Wer hat die Hoheit über den Moment des Energieschlusses und wie kann man diesen Moment bestimmen, messen oder steuern? Gerade so, wie Unternehmen heute über den Moment zum Einkauf der Arbeitskraft die Hoheit haben und ihn bestimmen, messen und steuern. Das geltende Paradigma ist, wie im zweiten Kapitel beschrieben: Das Unternehmen kauft die Arbeitskraft vom Mitarbeiter und dieser schließt damit ein vom Unternehmen abhängiges Arbeitsverhältnis. Sinnkopplung widerspricht dieser Vorstellung. Wollte eine Firma, eine Führungsriege oder ein Mitarbeiter dieses Paradigma mit Bezug auf Sinnkopplung aufrecht erhalten, müsste er für einen anderen Menschen sicherstellen, dass dieser sich durch die Mitarbeit im Unternehmen sinnhaft erfüllt. Das ist ebenso absurd, wie dem Partner eine Orgasmusgarantie zu geben. Oder zu behaupten, als Sprechender oder Schreibender könnte man einer Botschaft eine objektive Bedeutung geben, die von jedem Zuhörer oder Leser so verstanden wird, wie Autor bewusst glaubt, es gemeint zu haben. Sinnkopplung ist an das Subjekt gebunden und geht von ihm aus. Je mehr die Vertreter eines Unternehmens versuchen würden, sie formal einzuklagen, um so unwahrscheinlicher wird sie tatsächlich stattfinden.

Was also können die Menschen und mit ihnen die Führung in einem Unternehmen tun? Sie können der Sinnkopplung und -entkopplung Hindernisse in den Weg stellen oder versuchen, genau das aktiv zu vermeiden.

Eine Firma, die ihre Mitarbeiter auf Basis von Arbeitsnachweisen und fachlicher Qualifikation von der Personalabteilung zusammen mit den Führungsgremien für die Anstellung im Unternehmen aussucht, statt die zukünftigen Kollegen zusammen zu bringen und dem sozialen Prozess des Kennenlernens viel Raum zu geben, baut willentlich Hindernisse auf, die den prüfenden Blick auf den Gemeinwohl-Sinn der Firma verschleiern und Sinnkopplung erschweren.

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Paradoxe Pseudorationalisten

„… ist die industrielle Logik, die wir vor drei Jahren ausgerufen haben, ja absolut erhalten geblieben. Wir haben immer gesagt: Porsche wird eine Marke in einem integrierten Automobilkonzern werden müssen.“

Michael Macht am 26. November 2009 im Interview mit Jörg Münchenberg vom Deutschlandradio

„Aus der Finanzkrise ergeben sich keine unmittelbaren Risiken für die Haushaltsplanung. Die Bundesregierung behält daher das Ziel bei, möglichst 2011 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen“
Peer Steinbrück, Bundesfinanzminister, am 26. Oktober 2008

Wir sprechen sie gelassen aus, Sätze wie „Lassen sie uns sachlich bleiben.“, „Zurück zur Sache.“, „Rational betrachtet …“, „Schauen wir uns einmal die Fakten an, …“ oder „Objektiv gesehen, ohne es beurteilen zu wollen …“.
Bei Michael Macht heißt sie die Industrielle Logik, Peer Steinbrück versteckt sich hinter der Haushaltsplanung. Beide huldigen sie den goldenen Kälbern der objektiven Rationalität, der kalten Sachlichkeit, der entfühlten Wahrheit von scheinbaren Fakten. Andreas Zeuch nennt diese Menschen „paradoxe Pseudorationalisten“. Sie sind mindestens auf zwei Ebenen anzuzweifeln. Auf einer übergreifenden Ebene wird ein pseudorationales Konstrukt, wie etwa die Industrielle Logik benutzt, um mit scheinbaren oder sogar widerlegten Fakten die Überlegenheit der Rationalität im Umgang mit einer Sachlage, wie etwa der Zwangsfusion mit Volkswagen, herauszustellen. Unter dem Deckmantel der Rationalität wurden Milliarden von Euro vernichtet, eine Börsenblase sondergleichen produziert, tausende von Arbeitsplätzen gefährdet sowie eine hoch angesehene Marke zumindest riskiert und das alles, damit zwei äußerst irrational aufgestellte Cousins sich beweisen können, wer der mächtigere Wirtschaftsmogul ist.
Auf der persönlichen Ebene stellen sie sich mit irrationalen Argumenten als Rationalisten dar. Natürlich hat die Finanzkrise keine Auswirkungen auf eine Haushaltsplanung. Jede Planung ist ja nur der Toner auf Papier der eine Fatamorgana der Zukunft beschreibt. Das allerdings als Argument zu nutzen, um am Ziel eines Haushaltes ohne Neuverschuldung festzuhalten, während die härteste Wirtschaftskrise seit 1929 über die Welt herein bricht, ist so romantisch grotesk unwirklich wie eine Lobeshymne auf die Schönheit von smogviolettorangegrünen Sonnenuntergängen über Mexiko City.
Antonio Damasio hat uns gezeigt, dass reine, kühle, sachliche Rationalität gleichzusetzen ist mit der Unfähigkeit zu priorisieren und sinnvolle Entscheidungen zu fällen. Er weist nach, dass es keine gute Entscheidung gibt, die nicht aus intuitiven, emotionalen und rationalen Anteilen besteht. Andreas Zeuch charakterisiert das Ideal vom rationalen Homo oeconomicus deshalb auch treffend als Untoten. Nassim Taleb erläutert höchst faszinierend, wie nahe der Zufall wirklich an uns heran kommt und wie viel Einfluss unvorhergesehene Ereignisse im Positiven wie im Negativen auf unser Zusammenleben haben. Dennoch glauben viele Experten und sogar die Vorstände der Großkonzerne und börsennotierten Unternehmen an Ihre Planzahlen und ignorieren die möglichen Alternativen. James Sourowiecki veranschaulicht eindrucksvoll die Begrenztheit des Individuums bei Entscheidungen und demgegenüber die Qualität und Leistungsfähigkeit, die in Gemeinschaften verborgen liegt. Trotzdem werden die wichtigen, richtungweisenden, strategischen Entscheidungen weiterhin von Einzelpersonen an der Spitze oder kleinen Gremien getroffen.
Argumente, die das ökonomische Ideal einer vernünftigen, voll informierten sowie rational entscheidenden und handelnden Unternehmerpersönlichkeit widerlegen, kommen aus den Naturwissenschaften, der Medizin, der Psychologie und anderen Bereichen. Ihre Zahl wächst mit dem Fortgang des „Business as usual“ und seiner Krisen. Die Darstellung wirtschaftsmenschlichen Verhaltens verharrt trotzdem im Reich des untoten Homo oeconomicus: Längst widerlegte Argumente werden genutzt, um ein pseudorationales und pseudowissenschaftliches Modell für die Wirklichkeit auszugeben. Die Chance für uns Menschen liegt aber nicht im Glauben an unsere rationale Allmacht. Sie findet sich in Achtsamkeit und Demut gegenüber einer Wirklichkeit, die uns – freilich nicht ohne Anstrengung – viel mehr bietet als restlos aufgehende Rechenschemata.

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