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Alle sind Chef [2]

Mein Erleben deckt sich dabei mit den weltweiten Erfahrungen in der Pfadfinderbewegung. Ernsthafte und doch spielerische Simulationen von eigenverantwortlichem Leben in der Kindheit und Jugend, wie etwa das Haik, fördern die Entwicklung hin zu den selbstbewussten, intelligenten, verantwortungsvollen und sozialen Erwachsenen, die wir heute so oft vermissen und die, wenn es nötig ist, wirkliche Führung und die damit verbundene Verantwortung übernehmen.

Das hier ist kein Hohelied auf die Mitarbeiter, in dem alle als Gutmenschen glorifiziert werden. Ich bin davon überzeugt, dass es Egoisten, Eigennutzenmaxierer, Machtmissbraucher, Gebrochene, Duckmäuser, Kranke, Verbrecher und Opfer gibt. Ich bin allerdings auch davon überzeugt, dass es all diese Menschen immer geben wird. Meine Frage lautet: Wollen wir weiterhin Egozentrikern die Autobahn zum Himmelreich ihres Narzissmus asphaltieren und uns der scheinbar unumstößlichen und inhumanen Machtdoktrin in Unternehmen fügen? Oder wollen wir – alle gemeinsam und jeder für sich – dem Egozentriker in uns den engen und steinigen Pfad zu Meisterschaft und sozialer Anerkennung anbieten, der ohne Kooperation nicht zu bewältigen ist – also einen Weg zu Unternehmen mit sehr verschiedenen Menschen aber dem festen Willen zum gemeinsamen sinnvollen wirtschaften?

Für Letzteres gilt es, die Führungsaufgabe und damit das Management zu entmystifizieren. Es ist notwendig, ihm seinen Sonderstatus, seinen Nimbus zu nehmen. Und – aus wirtschaftlicher Sicht – ist es erforderlich den Preis der entmystifizierten Führung auf ein Normalmaß zu bringen. Wir alle wollen ab und an geführt werden, inwieweit Unternehmen es in Zukunft allerdings noch zulassen sollten, dass ganze Heerscharen von Menschen ihre Verantwortung und ihr Führungsvermögen einfach abgeben, ist die wohl spannendere Frage. Wer heute damit anfängt, Mitarbeiter ernsthaft und wirklich zu ermächtigen, wer heute damit anfängt, Menschen in die Verantwortung zu nehmen und wer heute damit anfängt, Führung als ganz normale Leistung anzusehen und nicht speziell zu vergolden, der wird es dem Wettbewerb schwer machen und besser performen, soviel wird bei Vorreitern wie Gernot Pflüger und Ricardo Semmler sichtbar.

Damit meine ich nicht, dass jetzt alle ständig führen müssten. Doch wenn jemand es für notwendig hält, die Führung zu übernehmen, dann sollte er im Rahmen einer ganz normalen sozialen Interaktion und Auseinandersetzung mit seinen Kollegen auch die Möglichkeit haben, es zu tun – jeder, immer; und jedem sollte die Macht gegeben sein, seine Kollegen mit einem Veto, auch einem still vorgetragenen, gegen ihr Handeln auszubremsen und damit Bedenk- und Redezeit zu erzwingen. Sozusagen mit der leisen Brechstange.

Ist damit die Möglichkeit für überdurchschnittliches Einkommen auf alle Zeiten verwirkt? Mitnichten! Überdurchschnittlicher Verdienst sollte allerdings vielmehr von tatsächlichem, gesamtunternehmerischem und kommerziellem Erfolg abhängen, denn von Positionen, Führungsverantwortung, Expertise oder irgendwelchen anderen formalen Sonderstellungen. Lieber sollten wir einen guten, ehrlich leistenden und gewitzten Handwerker zum Millionär machen als zuzulassen, dass ein träger, machtgeiler, mit IQ 150 und Doktortitel versehener Soziopath zum Multimillionär oder gar -milliardär wird. Es bedarf ja nicht einmal des IQ, Titel sind längst käuflich: Wir lassen auch Gorillas an die Macht, so lange nur der Traum vom Helden, von der Wirtschaft als Kriegsschauplatz weitergeträumt wird und wir blind bleiben für die zugehörigen Machtrituale. Aber – wie wir aus Kapitel fünf wissen – keine Heldenfigur rechtfertigt eine Einkommensschere mit dem Faktor 128. Alle Mitarbeiter eines Unternehmens gleichwertig am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen erspart sowohl kostspielige Denkmäler wie verlustreiche und blutige Schlachten nach mittelalterlichem Muster.

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Alle sind Chef [1]

Gernot Pflüger hat sein Buch „Erfolg ohne Chef“ genannt und doch macht er genau das Gegenteil. In seinem Unternehmen kann, jetzt halten Sie sich fest, jeder Mitarbeiter unternehmerische Entscheidung durch eine einzelne Vetostimme verhindern. Das ist einer der Grundpfeiler, wie Pflüger überzeugt ist, für die ungefähr zwanzig jährige Erfolgsgeschichte seines Unternehmens in einem der stärksten Wettbewerbsmärkte, nämlich der Medienbranche. Und dabei haben die Mitarbeiter, was ihm sehr wichtig ist, Spaß bei der Arbeit. Bei CPP wird nicht in den Keller gegangen, um zu lachen, auch dann nicht, wenn hochrangige Kunden da sind.

Ricardo Semmler nannte sein Buch „The seven day weekend“ und berichtet, wie Mitarbeiter ihr Gehalt selbst festlegen und dem Unternehmenseigner den Firmenwagen unter dem Hintern weg beschließen, weil er schlicht mehr kostet als er einbringt. Könnte man bei Semco, der Firma von Semmler, noch den Eindruck haben, man müsste studiert sein, um derart verantwortungsvoll unternehmerisch zu handeln, wird bei Pflüger schnell klar: Diese Fähigkeit schlummert in allen Menschen aller Bildungsgrade und Karrierestufen.

Wenn ich also von demokratischen Strukturen für Unternehmen spreche und davon, alle zum Top-Manager zu machen, ist damit keineswegs gemeint, dass jeder in alle Entscheidungen involviert werden muss – das ist ja in der Demokratie auch nicht so. Jeder sollte die Gewalt haben, Entscheidungen mit seinem Veto zu blockieren. Das ist etwas anders als in der politischen Demokratie, denn hier gelten verschiedene Mehrheiten und das einsame Veto ist, wenn überhaupt, dem Präsidenten vorbehalten.

Doch lassen Sie uns einmal in die Extreme gehen. Wie wäre es, wenn jeder Mitarbeiter alle Entscheidungen, in die er sich einmischt, mit seinem Veto blockieren könnte? Und wie wäre es, wenn ihm zudem freistehen würde, in welche Entscheidungen er sich einmischt? In der traditionellen Denke, in der man zuerst an den eigenen Geldbeutel, dann an andere persönliche Vorteile, dann an den Geldbeutel und die Vorteile der engen Verbündeten usw. denkt, wäre es der sichere Tod des Unternehmens. Das Eigeninteresse würde den Erfolg des Unternehmens lähmen, bis der Herzstillstand einträte. Anders gesagt: undenkbar.
Greifen wir an dieser Stelle zurück auf die Erfahrungen aus dem Privatleben, in dem eine soziale Gruppe nicht einfach aufhören kann zu existieren. Außer man verabschiedet sich aus ihr, doch diese Möglichkeit besteht ja auch in jedem Unternehmen. Ergänzen wir diese Erfahrungen mit denen, die Gernot Pflüger und Ricardo Semmler von ihren wirschafts-demokratischen Unternehmen beschreiben, dann stellt sich heraus: Menschen gehen mit einem derart mächtigen Vetorecht sehr sorgsam und verantwortungsvoll um!

Es scheint dem gemeinen Homo sapiens eigen zu sein, wirkliche Verantwortung umsichtig und in geringen Dosen anzuwenden, nämlich dann, wenn er es für wahrhaft notwendig erachtet. Wir schlammpampen mit wirklicher Verantwortung nicht, wie das etwa Vorstandschefs deutscher DAX-Unternehmen mit ihrer scheinheiligen Macht tun, für deren Auswirkungen Sie nur dann die Verantwortung übernehmen, wenn sie auch positiv sind. Wir definieren uns auch nicht über sie, vielmehr haben wir ein gerüttelt Maß an Respekt vor ihr. Man kann das sogar feststellen, wenn man einem unreifen Teenager wirklich die Verantwortung für etwas übergibt.

Bei den Pfadfindern gibt es eine häufig mehrtätige Wanderung namens Haik, in der die Jugendlichen von den Dingen, die sie mitnehmen, über das Essen bis hin zur Wegstrecke und der Wegwahl (Waldwege, Straßen oder querfeldein) alles alleine entscheiden. Noch wichtiger ist allerdings, dass sie das Haik ohne die Begleitung von Erwachsenen machen. Sie sind auf sich selbst gestellt und für sich selbst verantwortlich. Natürlich achten ihre Leiter auf sie, indem sie die möglichen Wegstrecken abfahren, Passanten befragen, ob sie die Kinder gesehen haben und anderes mehr. Dennoch, auf ihrem Weg sind die Teenager als kleine Gruppe eigenverantwortlich unterwegs. Wenn sie baden wollen, baden sie, wenn sie Waldbeeren essen wollen, essen sie sie, wenn sie sich bei einer netten alten Dame zu Kaffee und Kuchen einladen, steht ihnen auch das offen und natürlich auch all die schlechten Dinge, von Vandalismus bis Drogenkonsum, die man sich so vorstellen kann. Ich habe ungefähr fünfzehn solcher Haiks als Jugendlicher mitgemacht und ein Vielfaches davon als Leiter begleitet. Grausliche Dummheiten kamen uns dabei weniger in den Sinn. Für sich selbst verantwortlich sein und der Welt zeigen können, dass man dieser Herausforderung gewachsen ist, war Abenteuer genug und zwar ganz unabhängig davon aus welcher sozialen Schicht man kam, welche Ausbildung man gerade machte oder welche Eltern man hatte.

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