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Vom Privileg ist es nur eine Buchseite bis zum Makel

Sonntags reden, Montags MeetingErich Feldmeiers aktuelles Buch „Sonntags reden, Montags Meeting“ beinhaltet eine Seite, die einen ganz bestimmten Teil meines Lebens, den ich als Privileg empfinde, ggf. zum Makel macht. Zum Inhalt der Buchseite kommen wir gleich, erst einmal möchte ich mein Privileg beschreiben:

Aufgrund meiner Selbständigkeit habe ich die Möglichkeit dann einkaufen zu gehen, wenn der normale Mensch arbeitet. So kann man mich in unserem Heimatort durchaus an einem Mittwoch Vormittag um 10:22 im lebensnahen Drogeriemarkt treffen. Den Einkaufswagen voll mit Windeln, Feuchttüchern, Putzmitteln, Schampoos, Deosticks, Toilettenpapier und dergleichen Haushaltsutensilien mehr. Kurz darauf stehe ich beim Metzger, den ich noch aus der gemeinsamen Schulzeit kenne. Beide haben wir dann Zeit für einen kleinen Schwatz über die Kinder oder den letzten Urlaub. Ganz ohne die werktäglich abends oder Samstagvormittags anstehende Schlage der erwerbstätigen Normalkunden.

So bin ich die letzen Jahre weltfremd – wie mir Erich Feldmeier aufgezeigt hat – durch die Welt stolziert.

Sonntags reden, Montags Meeting setzt sich mit den Erklärungen auseinander, warum sich trotz der absoluten Offensichtlichkeit, dass in der Welt, wo auch immer man hinschaut, einiges ordentlich schief läuft, dennoch nichts ändert. Was das mit beratungsresistenten Silberrücken zu tun hat, lest selbst in seinem Buch nach!

Für mich relevant ist Seite 54. Hier schreibt er:

Den zweiten Teil des Versuchs führen wir aus Zeitgründen selbst durch. Wir (männlich) fahren vormittags mit den „Desperate Houswives“ beim Drogeriemarkt vor. … Wir decken uns reichlich mit Klopapier, Windeln und dergleichen nützlichen Alltagsdingen ein. -Genau mein höchst privilegiertes Verhalten ;)- Die Beobachtung aus dem Laborjournal lautet: Im besten Fall wird man bedauert oder ignoriert, im Regelfall jedoch verachtet, zumindest in den uns wohlbekannten Dörfern und Vorstädten -genau dort, wo ich lebe -. Den wollen wir nicht geschenkt haben“, kann man in den Gesichtern der anwesenden Damen lesen.

Er unterstreicht seine Rechercheerkenntnisse unter anderem mit folgendem Zitat:

Woinoff, der zugunsten seiner Frau und der zwei Töchter nur dreieinhalb Tage in der Woche arbeitet, kennt selbst die mitleidigen Blicke der Hausfrauen, wenn er an einem Wochentag vormittags in den Supermarkt geht und den Familieneinkauf erledigt -ist mir auch schon unter gekommen-: ‚Der ist wohl arbeitslos‘, signalisieren die Blicke.
Stefan Woinoff, in: Die ZEIT, 09.10.2009

So schnell wird aus Genuss Misstrauen. Beim nächsten vormittäglichen Einkauf werde ich genauer auf den Ausdruck, die Blicke und die Körpersprache der Menschen achten, die sich mit mir den Raum zwischen den Regalen teilen.

Mal sehen, ob ich mir mein Privileg erhalten kann?!

Gruß
Gebhard

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