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Affenmärchen – Die Kosten sachzentrierter Kommunikation

Im Rahmen meiner Gespräche rund um Affenmärchen wurde mir Folgendes berichtet:

In einem Unternehmen gibt es die zwei Standorte. In Standort A wird seit geraumer Zeit ein Produkt in Kleinserie herstellt. Ein Produktionsschritt ist dabei eine sehr spezifische Materialbehandlung. Für diese Aufgabe hat Standort A eine speziell ausgewählte und erprobte Maschine im Einsatz.

In unserer Geschichte fängt nun Standort B ebenfalls damit an, dasselbe Produkt in größerer Menge herzustellen. Dafür braucht Standort B eine geeignete Maschine. Sie soll an eine größere Produktionsmenge angepasst sein und nach einem erstellten Flächenplan in der Produktion aufgestellt werden. Ein Mitarbeiter aus B fragt bei der entsprechenden Führungskraft in A nach, welche Maschinen sie am  Standort verwenden sollen und wie die Herstellanweisung lautet. Er bekommt daraufhin via Mail die Antwort, welcher Typ in A verwendet wird, welche Anforderungen die Maschine erfüllen sollte und eine kleine Liste möglicher Alternativen.

Nach einiger Zeit antwortet der Mitarbeiter aus B, dass er eine Maschine gefunden hat, die wunderbar an den vorgesehenen Platz passt. Die gewählte Maschine erfüllt auf den ersten Blick die Anforderungen, entspricht aber nicht der Maschine aus Standort A und steht auch nicht auf der Liste der Alternativen. Die Führungskraft  aus A ist einigermaßen genervt und antwortet: „Ich habe euch eine Liste mit möglichen Maschinen gegeben und ihr habt die Herstellbeschreibung. Ob die von euch genannte Maschine verwendet werden kann, müsst ihr entscheiden.“

Damit ist der Austausch beendet. Die von dem Mitarbeiter aus B bevorzugte Maschine wird gekauft und die Produktion beginnt. Einige Zeit später sind:

  • 36 Mannmonate á ≈ 3.600 € = 129.600 €
  • Material ≈ 50.000 €
  • Eine Maschine ≈ 4.000 €

verbraucht.

Bei einer Unterhaltung in der Produktion in B fällt den Führungskräften aus A nun auf, dass die Maschine in Standort B sehr leise ist. Sie macht nicht das charakteristische Geräusch der Maschine in Standort A. Voller Interesse und Begeisterung schauen sich die Besucher die neue Flüstermaschine aus der Nähe an und stellen fest: Kein Wunder, der Maschine fehlt ein wesentliches Bauteil, dass Rüttelgeräusche verursacht! Äußerlich ist der Betrieb gleich und auch die Produkte aus der Maschine sehen in der ersten Prüfung gut aus, dennoch verfehlen die Endprodukte die notwendigen Qualitätsvorgaben klar!

Auf die Frage, warum sie eine solche Maschine gekauft haben, antworten die Mitarbeiter aus B: „Weil die Führungskraft aus A nicht widersprochen hat!“

In der Folge stellt sich die Maschine und die damit erstellten Produkte als unbrauchbar heraus. Nicht nur das Material und die Arbeitszeit (siehe oben) sind verloren. Zusätzlich muss noch Zeit aufgewandt werden, um die schlechten Produkte zu markieren, damit sie nicht verwechselt werden und zum Kunden gelangen. In dieser Zeit werden natürlich weniger gute Produkte hergestellt.

Finanziell ergibt sich ein Schaden von ca. 250.000 €.

Die Reflexion der Situation ergibt als wahrscheinlichste Erklärung:
Die Mitarbeiter von B wollten gerne eine Maschine kaufen, die auf einen vorhandenen Tisch im geplanten Produktionslayout passte  (vielleicht einige hundert Euro wert). Damit konnten sie vermeiden ob und ggf. wie sie den Produktionsbereich neu zu gestalten hatten. Die Auswahl wurde geprägt durch die gewünschten Abmessungen, alles andere wurde nur auf Erfüllung oberflächlicher Rahmenbedingungen wie etwa Leistung und Haltbarkeit geprüft. Was nicht eindeutig niedergeschrieben war, wurde nicht berücksichtigt.

Die übermittelte Prozessbeschreibung aus Standort A enthielt alle Informationen zur Durchführung. Allerdings erläuterte sie nicht den Sinn der Prozedur und enthielt keine detaillierte Maschinenbeschreibung. Dafür gab es schließlich eine Liste möglicher Maschinen.

Standort B ging davon aus, dass eine Maschine auch dann gewählt werden kann, wenn sie nicht auf der Vorschlagsliste steht. Warum also nicht eine Maschine wählen, die dorthin passt, wo sie hin soll? Es sagt ja keiner, dass diese Maschine nicht geeignet ist.

Für Standort A war es übertrieben aufwändig, den Prozess nochmals zu erläutern oder die von Standort B favorisierten Maschinen selbst auf Eignung zu prüfen. Die Maschine steht nicht auf der Liste, also ist die Frage der Eignung auch nicht von Standort A zu beantworten. Mehr gab es dazu nicht zu sagen.

Alle haben aus ihrer Sicht das Richtige gemacht.

Soweit zur Geschichte. Sie zeigt einige Aspekte, die ich auch in Affenmärchen aufgegriffen habe.

  • Zum einen, wie irrational wir Menschen sind und wie wenig Achtsamkeit wir auf dieses Tatsache verwenden.
    Nicht nur die Mitarbeiter aus B, die gerne die für sie einfachste Aufstellmöglichkeit als Hauptkriterium ansetzen –ihr ‚Wozu‘ erfüllen wollen– verhalten sich fern jeder Sachlichkeit.
    Auch die Reaktion der Führungskraft aus A trägt nicht zur Fehlerprävention bei. Sie fragt zu keinem Zeitpunkt nach. Stattdessen lehnt sie eine weitere Beteiligung am Auswahlprozess ab und verkennt dabei, dass in Standort B für die Entscheidungsfindung falsche Prioritäten ausschlaggebend sind.
  • Das Beispiel zeigt, wie teuer es ist, diese uns bekannte Menschlichkeit zu übergehen. In diesem Fall lässt sich der Betrag auch noch sehr gut auf seine Ursachen zurück ableiten. Häufig sind es allerdings Fehler die einfach passieren und im bestehenden System des Gesund-Krank-Wirtschaftens achselzuckend als unvermeidbar hingenommen werden. Niemand kann als Schuldiger identifiziert werden, da alle irgendwie Dreck am Stecken haben und so gibt es häufig schlicht eine Rüge oder ein vertretbares Bauernopfer.
  • Zu keiner Zeit fällt dem Management auf, dass die Zielsetzung des Mitarbeiters in Standort B falsch priorisiert ist. Durch die Vorgabe, einen guten Aufstellplatz für die Maschine zu finden, treten andere Vorgaben in den Hintergrund. Die Milchglasscheibe des Managements wird hier sehr deutlich. Ein Konflikt der Ziele tritt nicht auf was keine Neuausrichtung ermöglicht.
  • Im geschilderten Fall ist die intrinsische Motivation der Mitarbeiter aus B von den extern beeinflussenden Motivatoren klar getrennt. Das innere Ziel, ein störungsfreier Ablauf des Produktionsaufbaus nach Plan, dominiert die Entscheidung für den Kauf der Maschine. Wichtig ist dann nur noch, einige zentrale Leistungsparameter einzuhalten. Der eigentliche Sinn der Maschine steht im Hintergrund. Anders kann der Wille zur Tisch-Maschinen-Passung nicht sinnhaft erklärt werden.

Vielen Dank für diese Geschichte!
Gebhard Borck

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Eingeordnet unter Geschichten rund um Affenmärchen, off record

Von Bauernhöfen und Fabriken

Cem war das, was man einen komischen Kauz nennt. Dem Produktionsleiter Manuel Maler war er suspekt. Im Kollegenkreis gab es diejenigen, die ihm blind vertrauten und jene, die ihn nicht aus den Augen ließen, wenn sie ihn in die Umkleidekabine gehen sahen. Cem selbst kümmerte sich wenig um andere Menschen und was sie dachten. Zumindest hinterließ er den Anschein, vollkommen in seiner eigenen Welt zu leben. Diese war ein großer Bauernhof im Nordwesten Anatoliens. Der passendere Ausdruck wäre wohl ein landwirtschaftliches Gut, denn für einen Agrarbetrieb war die dort zum Einsatz kommende Technologie zu veraltet. Cem war der Zweitälteste von vier Geschwistern und sein Vater zeichnete auf dem Hof für alle technischen Ausrüstungen vom Traktor bis zur Kettensäge und vom Melkapparat bis zu Steckdose verantwortlich. Cem und sein Bruder lernten schon früh alles, was zur Wartung, Reparatur und Instandhaltung dazu gehörte. Neben Arbeiten wie Schweißen, Löten, Sägen, Hobeln, Schleifen, Drehen, Mauern oder Schmieden mussten sie auch planen und instandhalten, Materialien einkaufen und vor allem improvisieren.

So konnte er sich noch gut daran erinnern, wie sie für einen Ernteanhänger eine Holzachse bauten, da die eigentliche Achse aus Eisen nicht nur gebrochen, sondern vollständig verrostet war und innerhalb der zehn Tage, in der die Ernte eingefahren werden musste, kein Ersatz aufzutreiben war. Diejenigen, die ihn nahmen wie er war und ihm vertrauten, fanden in Cem ein flexibles und kreatives mechanisches Genie, das immer eine praktikable Lösung fand. Cem selbst war zufrieden, wenn eine Sache funktionierte. Karriere, Lohnerhöhungen und dergleichen interessierten ihn nur am Rande. Er dachte mit und wollte für seinen Arbeitgeber gute und sinnvolle Arbeitsergebnisse erzielen.

Dafür ging er auch eigentümliche Wege. Wie damals, als er bei einem Kunden anrief, um ihm zu sagen, dass die Maschine, so wie sie konstruiert war, nicht funktionieren würde. Wenn man allerdings einige Kunststofflager durch günstigere Kugellager ersetzte, müsste es klappen. Es gab riesigen Ärger, da Cem nicht daran gedacht hatte, irgend jemanden zu informieren. Zu seiner Rettung sei gesagt, dass die Kugellager ebenso TÜV-gerecht und sicher waren, wie die anderen. Der einzige Unterschied war das Verhalten bei Wärmeentwicklung. Da dehnten sich die Lager aus Metall weniger aus als die Kunststofflager. Dadurch verhinderte Cem, dass die Außenseite der Lager am Gehäuse der Maschine schliffen, wodurch beide Teile zerstört worden wären. Ärger gab es vom Vorarbeiter und vom Produktionsleiter, da Cem eigenmächtig gehandelt und sich persönlich mit dem Kunden in Verbindung gesetzt hatte. Diese Eigensinnigkeit zeichnete Cem ebenso aus, wie sein Genie, denn anstatt daraus zu lernen und fortan nicht mehr aufgrund solcher Handlungsweisen aufzufallen, passierten ähnliche Vorfälle regelmäßig.

An diesem Mittwoch war Cem wieder einmal in einer Spezialmission unterwegs. Beim Zusammenbau einer neuen Maschine, die gerade aus der Vorserienfertigung kam, war ihm im Getriebeflansch etwas aufgefallen. Jetzt suchte Cem einen der Konstrukteure der Maschine, den er kannte, um mit ihm über seine Entdeckung zu sprechen. Zeitgleich saß Manuel Maler mit seinem Kollegen Stefan Busch, einem anderen Werkleiter, zusammen und sprach über die aktuellen Entwicklungen und die Vorgabe vom Vorstand, drei Prozent der Belegschaft zu entlassen. Stefan Busch sagte: „Ich habe gehört, er sei so etwas wie ein Genie wenn es um Mechanik geht. Nicht, dass er es studiert hätte und doch, so wird gesagt, macht er praktisch keine Fehler und jede seiner Korrekturen hat sich im Nachhinein als richtig herausgestellt.“ Manuel zuckte mit den Schultern. „Ja, das stimmt sogar, doch kannst du dich an unsere letze Strategieklausur erinnern, als wir die Unternehmensidentität festgezurrt haben? Da steht ganz klar: Zusammen arbeiten, sich an die Abläufe halten und mit beständiger Disziplin die Qualität sichern. Cem ist nichts davon. Er arbeitet alleine, hält sich an keinen Ablauf, vor allen nicht an solche, nach denen seine Vorgesetzten über etwas zu informieren wären. Als diszipliniert würde ich ihn auch nicht bezeichnen, zumindest nicht im Sinne der Zusammenarbeit für unser Unternehmen. Das Einzige, woran es nichts zu meckern gibt, ist die Qualität, da ist er einsame Spitze. Allerdings ist er hier schon mehr als penibel; nicht selten steht die Anlage, weil Herr Yildrim mit einem Teil nicht zufrieden ist.“ Stefan Busch sah seinen Gegenüber abwägend an: „Klar, und dass in deinem Bereich, wo sonst alles stimmt. Kaum einer ist so nahe dran an unserer Identität wie du, da bewundere ich dich wirklich dafür.“ Manuel nickte zustimmend, seufzte und schlug sich beim Aufstehen mit den flachen Händen auf die Schenkel „Genie hin oder her, dieses Mal rettet ihn das nicht, nächsten Monat ist er raus! Danke für Deine Unterstützung!“ Stefan Busch nickte zustimmend und drehte sich zurück zu seinem Schreibtisch, während Manuel das Büro verließ.

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Eingeordnet unter 08 sinnhaft leisten, Identität ist zu Integration von Menschen ungeeignet

Kleine Sache, große Wirkung

Gerade sechzehn geworden trat Andreas seinen ersten Ferienjob an. In der Produktionsabteilung seines Vaters war er dafür zuständig, Verschlussfolien, wie man sie von Zahnpasta, Tomatenmark oder Jogurtgetränken kennt, auf Keramikfläschchen zu legen. Vor seinem Arbeitsschritt wurden die Flaschen mit einer genau abgewogenen Menge Pulver gefüllt, in der Folge verklebte ein Roboter in derselben Produktionsstraße die Kappen mit den Fläschchen und verstaute sie in Versandkartons. Die Beschäftigung war so aufregend, dass es Andreas ohne Schwierigkeiten gelang, nebenher ein Buch zu lesen und dennoch keine Fehler zu verursachen. Bis, wie aus heiterem Himmel, das Transportband still stand. Der vorgelagerte Drehteller, der als Puffer diente, lief unaufhaltsam voll während Claudia, die fest angestellte Kollegin, Andreas aufgeregt anfauchte: „Hab ich dir nicht gesagt, du sollst nicht lesen!?“ Andreas hatte nichts mit dem Transportband zu schaffen gehabt und wich dem Angriff nervös aus: „Ich habe überhaupt nichts gemacht. Ehrlich.“ Claudia schob ihn verärgert zur Seite während sie hektisch das Band drei Mal ab- und wieder anstellte: „Geh weg, bevor noch mehr passiert!“ Alles Knopf drücken half nichts. Der Motor war zwar zu hören, doch das Band bewegte sich keinen Millimeter. Als Folge schaltete sich die ganze Produktionsstraße automatisch ab, da alle Puffer-Drehteller inzwischen drohten überzuquellen.

Es blieb nichts anderes zu tun, als Andreas‘ Vater, den Abteilungsleiter, zu rufen. Doch der war unauffindbar. Die Produktion stand inzwischen seit mehr als zwanzig Minuten, da machte Andreas zaghaft den Vorschlag: „Wir könnten ja die Maschine mal aufmachen und nachschauen, vielleicht ist es nur eine Kleinigkeit, die wir schnell in Ordnung bringen können?“ Claudia drehte verzweifelt hilfesuchend die Augen gen Decke: „Willst Du es unbedingt noch schlimmer machen?“ Nach einer halben Stunde kam Herr Schöttgen, der Vorgesetzte von Andreas‘ Vater, da dieser nach wie vor nicht aufzufinden war. Er schaute sich die Produktionsstraße an, startete alle Steuerungen neu und drückte anschließend ebenfalls, mehr wütend als hektisch, den Startknopf des Transportbandes. Nichts rührte sich.
Andreas wollte helfen und machte auch gegenüber Herrn Schöttgen den Vorschlag, die Verschlussklappe der Maschine zu öffnen, um zu erkennen, ob es sich vielleicht um eine Kleinigkeit handelte. Schroff wies ihn Herr Schöttgen zurecht: „Du bist ja wohl kaum Mechaniker oder? Was willst du denn ausrichten, wenn die Klappe offen ist? Darum müssen sich Fachleute kümmern. So einfach mal was aufmachen und in der Maschine rumpfuschen, das wäre ja noch schöner. Wir wollen es ja nicht schlimmer machen als es eh schon ist!“ So warteten inzwischen drei Personen darauf, dass Andreas‘ Vater gefunden wurde. Die Produktion stand weiterhin.

Knapp zwei Stunden später kam Andreas‘ Vater von einem Außentermin zurück und fand seinen wütenden Chef, die nervöse Claudia und einen betröppelt schuldbewusst dreinschauenden Andreas vor der bewegungslosen Produktionsstraße stehen. Die angestaute Wut und das Warten hatte eine Stille zwischen den Dreien erzeugt, die man buchstäblich schneiden konnte.
Andreas‘ Vater, gewohnt dynamisch, grüßte alle freundlich, ließ sich von seinem Chef die Situation erklären, öffnete die Maschinenklappe, legte den herunter gerutschten Keilriemen zurück in die dafür vorgesehene Rille des Schwungrads, schloss die Klappe wieder und drückte den Startknopf. Während sich die Produktion in Bewegung setzte, verließ er ohne ein weiteres Wort zu wechseln den Raum, um seinen nächsten Termin einzuhalten. Herr Schöttgen, Claudia und Andreas blieben zurück. Die vorher angestaute Wut war einem Gefühl von Peinlichkeit gewichen. Jeder vermied den direkten Blickkontakt. Auch in den restlichen Tagen seines ersten Ferienjobs kamen Claudia und Andreas auf keinen grünen Zweig. Es war das erste und letze Mal, dass Andreas bei seinem Vater gejobbt hatte.

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Eingeordnet unter 07 Management ist Geldverschwendung, Kleine Sache, große Wirkung

Es gilt das gesunde Wirtschaften zu überwinden!

Die Systeme, die uns zu Personal machen, sind vielschichtig. Sie sind hoch entwickelt und ebenso effizient, kurzsichtig und starr, wie die Epoche, für die sie stehen. Sie beinhalten neben den Praktiken zur Entmenschlichung, zur Verdinglichung auch die Verfahren, mit den krankhaften Nebenwirkungen umzugehen und damit nach außen ein scheinbar gesundes Gesamtsystem zu etablieren. Erstellen, instand halten, austauschen – wenn man so will. Doch wie es schon von Hollywood erkannt wurde: „Das Leben findet einen Weg“.

Wir haben für uns selbst eine Maschine geschaffen, um ordentlich, wiederholbar und im Gaußschen Gipfel standardisiert zusammen zu funktionieren. Wir sind an die Grenzen dieses Ordnungssystems gekommen. Bisher war es ohne Probleme möglich, sich einseitig aus einem Arbeitsvertrag zu verabschieden, regelt er doch im Grunde nur die Anwesenheitszeit. Kein Arbeitsvertrag und kein Personalwesen mit seinen Instrumenten aus der Personalverwaltung oder -entwicklung kann das Transformationsproblem, die Lücke zwischen Potenzial und wirklicher Leistung, lösen. Nur wir Menschen erreichen diese Lösung in selbst gewollter Kooperation. Damit wir es auch tun, muss Arbeit mehr sein als mechanistisch beschäftigtes Funktionieren, möglichst teuer verkaufte abhängige Arbeitszeit, lineare Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge und hinter der Scheinheiligkeit öffentlicher Reden verstecktes Abhängigmachen. Solange Arbeit sich darauf begründet, ist es nur zu verständlich, dass wir uns selbst betrügen und das System ausnutzen, um uns als Mensch zu fühlen anstatt es zu benutzen, um intelligent etwas beizutragen.
Doch die gesund wirtschaftende Unternehmensmaschinerie kommt an ihre natürliche Grenze. Anstatt immerwährenden Wohlstand in zunehmender Faulheit zu produzieren, schafft sie mehr und mehr spezielle Zivilisationskrankheiten physischer Natur wie Haltungsschäden, Herz-/ Kreislauf-Erkrankungen und Vergiftungen sowie psychischer Natur: Depressionen, Burnout, Suizid oder auch Sucht in allen Varianten von Alkohol- über Medikamentenabhängigkeit bis hin zur Konsumsucht. Doch das System krankt über die Grenzen der Menschheit hinaus. Während sich in ihr hartnäckig der Glaubenssatz hält: „Das war schon immer so“, kündigt die Wirklichkeit am Horizont brutal romantisch in Form des Klimawandels, der Informationstsunami, der Umweltzerstörung und des Kollapses unseres Energiesystems an: wir werden keine Zeit für die Feststellung haben, ob dieser Glaube richtig ist oder falsch.
Im Kapitalismus gibt es den Bezug zwischen Unternehmen und dem großen Ganzen nur abstrakt, außerhalb der Firma. In der Diktatur der Planwirtschaft und in den Konzernzentralen der Welt glaubt eine Elite sie stehe an der Spitze der Gesellschaft und könne den Planeten nach ihren Vorstellungen formen, nach dem, was sie für richtig und wichtig hält. Legen wir an dieser Stelle eine Gedenksekunde für die Atomversuche des letzten Jahrhunderts ein, für das epochale Projekt des Drei-Schluchten-Damms in China und die russisch-deutsche Gaspipeline quer durch die Ostsee. Dabei wird überall sichtbar: Wir handeln kollektiv außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit. Mit der Art und Weise, wie sich die Mehrheit der mittleren und großen Unternehmen ihr Personal hält, wird verhindert, dass wir kooperativ sinnhaft wirtschaften. Währenddessen akzeptieren die kleinen Firmen und wir selbst diese Dogmen und geben klein bei.
Im selben Maße, wie wir versuchen die Probleme innerhalb des bekannten Systems zu lösen, türmen sich die Unzulänglichkeiten genau dieses Systems ungebremst und prasseln an verschiedenen Stellen bereits zerstörerisch auf uns nieder. Wir feiern derweil hedonistisch arrogant den Untergang. Gerade so wie die Gäste im Film Titanic, die bereits mit ihrem Schicksal Frieden geschlossen haben, beim unbekümmert aufspielenden Streichquartett stehen bleiben, das kurz vorher zum selben letalen Friedensschluss gekommen war. Dabei muss es nicht zu einem Cyber-HR-Klon kommen, um zu begreifen, wie wir unsere Probleme bereits heute überwinden können – als Unternehmer wie auch als Mitarbeiter. Wir müssen uns nur entscheiden, das Fundament unserer Körperschaften, unserer unternehmerischen Gesellschaften zu ändern. Jetzt ist die Zeit: Setzen wir das Personal frei.

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Eingeordnet unter 02 Mythos Arbeit, Es gilt das gesunde Wirtschaften zu überwinden

Wo fängt Verantwortung an [2]

Oft dauert es einige Zeit. Man ist so mit Karriere, mit Beziehung, mit Familie gründen, Haus bauen, mit gesellschaftlicher Erwartungserfüllung und damit beschäftigt, den notwendigen Geldzufluss aufrecht zu erhalten, dass einem gar nicht auffällt, wie sich die Selbständigkeit, die eigene Freiheit, verflüchtigt. Dabei will ich niemanden in Schutz nehmen, jeder kann sich in unserem Land, wann immer er oder sie möchte, für ein anderes Leben entscheiden. Die Buchregale sind voll von Menschen, die so etwas gemacht haben, wie etwa der erfolgreiche Arzt, der heute als Brummifahrer glücklicher ist als je zuvor. Dennoch, für die weite Masse ist es ein beobachtbares Phänomen, irgendwann die Flügel zu streichen, den Revoluzzer einzupacken, sich der »Realität« zu stellen und das zu sein, was man als Kind und Jugendlicher nie werden wollte: ein spießiges kleines Rädchen im Getriebe der Massenproduktionsmaschine.

Erinnern Sie sich an die letzte engagierte Rede Ihres Geschäftsführers, Betriebsratsvertreters, Bürgermeisters oder von einem der konservativen Prediger für den wirtschaftlichen Wandel wie beispielsweise einem ehemaligen Vorstand eines Großkonzerns oder einem Vertreter der großen internationalen Beratungshäuser? Zwei Forderungen dürfen in diesen Reden nicht fehlen: Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Beide sprechen unsere Sehnsucht nach Freiheit, nach Selbstbestimmtheit ja nach Selbsterfüllung und damit unsere Suche nach Sinn an. Die Ideale unserer Gesellschaft, das, wofür unsere Vorfahren in Revolutionen und blutigen Bürgerkriegen gestorben sind, wird öffentlich gerne in die Waagschale geworfen und mit euphorischem Applaus bestätigt. Die Wirklichkeit in Unternehmen sieht anders aus. Das System des gesund wirtschaftenden Unternehmens funktioniert anders. Man kann uns Selbständigkeit und Eigenverantwortung gar nicht zubilligen, denn darin liegt auch die Möglichkeit, sich wie Andreas gegen das Unternehmen zu entscheiden und damit Probleme zu verursachen. Für den reibungslosen Verlauf einer Firma im aggressiven Gesellschaftssystem sind Abhängigkeit, Fremdverantwortung und Unselbständigkeit wichtig. So wie sie bei Andreas nach seinem Ausstieg deutlich wurden. Denn sie sollen die Kontrolle über die Arbeitskraft und die Umsetzung des Leistungspotenzials durch das Unternehmen sicher stellen. Achten Sie darauf, wenn Ihnen das Qualitätsmanagement, das Human Ressources oder die Linienorganisation mit ihrer Hierarchie das nächste Mal gegenüber tritt. Geht es dann um Eigenverantwortung und Selbständigkeit oder um Abhängigkeit, Unselbständigkeit, Schuldzuweisung und -delegation? Ein Trost mag darin zu finden sein, dass es bedeuten würde, die Welt aus den Angeln zu heben, wollte man das ändern, denn zu viele sind davon betroffen. Wer will so etwas von sich selbst fordern? Ein Trost mag darin zu finden sein, dass die anderen ja auch weg schauen und gerade so weiter machen wie immer. Man muss ja nicht überall unter den Ersten sein? Trost also, lässt sich für den einen oder die andere finden, Lösungen sicherlich nicht.

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Eingeordnet unter 02 Mythos Arbeit, Wo fängt Verantwortung an?

Wenn es zum weinen nicht mehr reicht, einfach mal lachen! [2]

In vielerlei Hinsicht befinden wir uns in der Phase der Selbstverleugnung. Führende deutsche Politiker sind etwa der Meinung, wenn nicht alle bei der Reduktion des Kohlendioxydausstoßes mitmachen, dann macht Deutschland auch nicht mehr damit weiter. Als ob es diese Alternative gäbe und der Klimawandel vor den Grenzen Deutschlands halt machte. Die deutschen Autokonzerne feilschen um die Messung der Ausstoßmenge ihrer viel zu großen Fahrzeuge und führen ihr Produktportfolio ins Feld, als ob sich die schmelzende Eiskruste in der Antarktis von derartigen produktionsspezifischen Feinheiten beeindrucken ließe. Doch wir brauchen nicht auf die Großen zu schauen. Laut der Gallup-Umfrage von 2010 gehen knapp neunzig Prozent der deutschen Erwerbstätigen zu einer Arbeit, von der sie emotional entkoppelt sind und die sie nicht erfüllt. Sie gehen da zum Broterwerb hin, weil Beschäftigung eben sein muss. Die Massenproduktionsmaschine läuft und läuft und läuft. Sie hat im letzten Jahrhundert viel Energie aufgenommen und die Katastrophen erscheinen unausweichlich.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, doch ich komme ins Grübeln, wenn mir mein vierjähriger Sohn erklärt, dass er einen Ferrari fahren wird, wenn er groß ist. Ich überlege mir dann erstens, ob es in vierzehn Jahren noch bezahlbares Benzin geben wird und zweitens, ob es Sinn macht, dass mein Sohn ausgerechnet einen Ferrari fahren möchte? Wird der Erfolg unserer Arbeit mit Luxusautos, Segeljachten und Villen definiert? Ist unser Wohlstand in Massen-Billig-Wegwerf-Konsum zu vermessen? Kann es der Sinn von Broterwerb sein, immer schneller immer mehr von dem herzustellen, was uns sicher aus der Kurve fliegen lässt?

An dieser Stelle kommt stereotyp der Ruf nach den Formeleins Piloten, nach den Profis, den Experten, denen, die den Extremzustand in der Kurve noch beherrschen. Für unsere energiegeladene Masse, gibt es das nicht. Wir brauchen keinen Experten, der die Katastrophe scheinbar beherrscht. Bei genauem Hinschauen wird schnell klar, die Formeleins Piloten agieren in einem geschlossenen System. Da taucht nicht plötzlich ein Lastwagen auf oder ein Fahrradfahrer oder ein bunter Ball dotzt über die Rennstrecke und ein Kind läuft hinterher. Was wir brauchen sind Alternativen zu den Katastrophen. Doch wie kann eine solche für die Arbeitswelt aussehen?
Es gibt eine andere Art und Weise zusammen zu arbeiten. Es gibt die Frage nach dem Sinn, die sich an jeden von uns richtet. Es gibt die Sehnsucht nach Erfülltsein, die wir alle in uns tragen. Und es gibt die Technologien, die Erkenntnisse und die Nachweise: Ein Richtungswechsel ist mehr als nötig und vor allem möglich. Ich bin überzeugt: Das Zerfallen der stillen Übereinkünfte, die Tatsache, dass Menschen nicht funktionieren, die Automatisierung, unsere Vorstellungs- und Schaffenskraft oder eben unsere Menschlichkeit geben uns die Sicherheit, dass es Zeit für einen Richtungswechsel ist. Die Ausprägung der Arbeit, wie wir sie seit über fünfzig Jahren spezialisieren und seit mehr als hundert Jahren kennen, sowohl als Konzept wie auch in der Umsetzung, zerplatzt als Seifenblase vor unseren Augen. Ob es uns nun gefällt oder nicht. Zugleich kommen wir nicht darum herum zu arbeiten. Wir drücken unsere Beziehung zu uns und zu unserer Umwelt durch die gestaltende, uns erfüllende Umsetzung unserer Vorstellungen aus. Das macht uns zu Menschen. So gesehen ist die Industriegesellschaft selbst Ausdruck echter menschlicher Arbeit. Wir haben sie erdacht, geschaffen und ihr beständige, wenn auch zum Großteil künstliche, Strukturen verliehen. Ihre Konsequenzen freilich sind selbstzerstörerisch. Wie also kratzen wir die Kurve?

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Eingeordnet unter 01 Arbeit platzt, Wenn es zum weinen nicht mehr reicht, einfach mal lachen!

Maschinen sind die besseren Menschen

Vor über hundert Jahren haben sich Gewerkschaften gegründet, um die Rechte der Arbeiter organisiert zu vertreten, um Arbeitsbedingungen zu verbessern, Ausbeutung einzudämmen und Menschlichkeit in der Industriewelt zu schaffen und zu erhalten. Heute ist die am deutlichsten sichtbare Aufgabe von Gewerkschaften, Beschäftigung zu zementieren. Nicht selten handelt es sich dabei um Beschäftigung, die tagtäglich nachweist, dass sie unrentabel, veraltet oder einfach nicht konkurrenzfähig ist – beispielsweise in vielen Zechen. Andererseits sollen genau solche Beschäftigungen erhalten werden, damit „Arbeitsplätze gesichert“ sind. Dabei wird nicht darauf geschaut, ob die „Arbeitsplatzbesitzer“ in ihrer Tätigkeit wirklich eine Erfüllung und menschengerechte Arbeit finden. Beschäftigung an sich ist schon Erfüllung genug.

Diese Haltung ist korrekt und legitim, falls man annimmt, Wohl und Wehe einer Gesellschaft hinge davon ab, möglichst viele Mitbürger irgendwie in abhängige Beschäftigung zu bekommen. Lässt man Zweifel daran zu, ob es wirklich so intelligent, nützlich und erquickend ist, dass alle immer beschäftigt sind oder schiebt man sogar den Glaubenssatz: „Vollbeschäftigung an sich ist ein erhaltenswertes Gut für die Gesellschaft“ einfach beiseite, eröffnen sich ganz neue Möglichkeitsräume.

Die Epoche, in der Effizienz, Produktivität und Wachstum die Formel für Entwicklung, Wohlstand und Aufklärung der Menschen bildete, ist in den Industrieländern vorbei. Sie klingt nicht nur aus, sie ist vorbei. Produktivität und Effizienz sind heute vor allem durch Automatisierung, Robotik und Programmierung definiert.

Noch einmal: Ich finde das gut. Mein Vater hat als Führungskraft jahrzehntelang in einer schwermetallbelasteten Produktion eines Konzerns gearbeitet. Er ist in seinem Beruf aufgegangen und hat darin Herausforderung, Spaß und Sinn gefunden. Seine Firma hat zu jedem Zeitpunkt das damals Bekannte und Mögliche getan, um die Schadstoffbelastung zu verringern. Dennoch sind alle älteren Kollegen meines Vaters bereits tot und keiner von ihnen hat das achtzigste Lebensjahr gesund erreicht. Mein Vater selbst kämpfte einige Jahre mit neurologischen Störungen, die sich seine Ärzte nicht durch ein alterstypisches Krankheitsbild erklären können und ist während der Entstehung dieses Buches gestorben.

Wir können Effizienz und wir können Produktivität und das Beste daran ist, wir können es mit so wenig Menschen wie gerade noch nötig. Jeder Mensch, der in einer repetitiven, giftigen, maßgeblich mechanischen, kaum kreativen oder irgendwie kognitiv fordernden Beschäftigung auf die geistige und emotionale Warteschleife gesetzt wird, obwohl eine Maschine seinen Job effizienter, produktiver und mit weniger Fehlteilen machen kann, ist ein mutwillig verloren gegebenes Leistungspotential. Das wird auch nicht besser, wenn man es den altern Römern gleich macht und der Parole »Brot und Spiele« ein neues Gewand gibt, dass da heißt: Beschäftigung und Frauentausch.

Verstehen Sie mich richtig: Ich halte die industrielle Epoche für einen Segen, für ein Geschenk, mit dem es uns mehr als jemals zuvor gelungen ist, den vorgegebenen gesellschaftlichen Stand zu verlassen, uns durch Bildung zu entwickeln und ein erfüllter Mensch zu sein. Ich sehe allerdings auch folgende Aspekte: Die industrielle Epoche hat die Maschine vor den Menschen gestellt, Effizienz vor Effektivität, Stückzahl vor den Sinn des Produktes und Fehlerfreiheit vor Qualität – ja, Sie lesen richtig, mehr dazu erfahren Sie später, versprochen. Wie in vielen düsteren Science-Fiction-Filmen beschworen, ist es eine Zeit, in der die Maschinen die besseren Menschen sind. Das ist ein in sich grotesker und absurder Gedanke. Dennoch haben wir gerade deshalb so viel Angst davor, weil wir den Funken Wahrheit, der in ihm steckt, erkennen.
In die Effizienz-, Stückzahlen- und Null-Fehler-Welt passen wir Menschen nicht hinein. Nur ein kleiner Teil unseres Selbst, den wir gerne unsere Beamten-, Bürokraten- oder Arbeiterseele nennen, kann sich darin wieder finden. Diese Seelen drücken sich in guten Ratschlägen aus wie „Tu was man dir sagt und mach keinen Ärger“, „Ordnung hat noch keinem geschadet“ oder „Ohne Fleiß keinen Preis“. Ratschläge die uns vor allem eines abverlangen: zu funktionieren.

Ganz anders die Maschinen. Sie integrieren sich voll in diese Welt. Mit der richtigen Wartung und dem gegebenen Zeitpunkt der Substitution arbeiten sie willig, stetig und nahezu fehlerlos ab, was von ihnen verlangt wird. Dabei waren wir Menschen es, die nicht nur die Maschinen, sondern auch die industrielle Gesellschaft darum herum geschaffen haben. Es sollte ein Leichtes sein, sich vom eigenen Werk, zumindest geistig, einmal zu lösen. Wenn wir an der inneren Einfachheit von Effizienz und Produktivität und der Unmenschlichkeit von Beschäftigungszwang festhalten, werden wir einen Arbeitskampf gegen die Maschine führen, den wir gar nicht gewinnen können. Wir bringen ja unsere besten Kämpfer, wie etwa Improvisation, Kreativität, Intelligenz, Empathie und Schöpfung gar nicht erst zum Schlachtfeld. Ganz abgesehen von unserer Intuition, die uns über die Maschine an sich erhebt und über die die Brüder Dreyfus ein Buch mit dem hierzu passenden Titel „Mind over Machine“ geschrieben haben. Eine Arbeit, in die sich Menschen vollkommen einbringen können, besteht nur zu einem geringen Teil aus Effizienz, aus messbarer Produktivität oder fehlerfreier Wiederholung des Immergleichen. Der weit größere Anteil leitet sich aus den Eigenschaften ab, die überhaupt nichts mit diesen Scheinwerten des Industriezeitalters zu tun haben und bekanntermaßen gar nicht messbar sind.

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Eingeordnet unter 01 Arbeit platzt, Automatisch produktiv

Menschen funktionieren nicht [2]

Schärfer, als es je ein Geschäftsführer formulieren würde, hat James R. Bright von der Harvard Business School den Wunsch nach Funktion ausgedrückt:

„Abstrakt gesehen sind alles dies nichts anderes als Versuche, die Menschen dazu zu zwingen, an denjenigen Stellen der Fertigungsstraße, wo Maschinen nicht verfügbar oder nicht wirtschaftlich sind, widerspruchsfrei in der gewünschten Weise zu arbeiten. … Das Bestreben geht dahin, zeitlich festgelegte, voraussagbare, konsistente Produktionsarbeit von den Menschen zu erhalten. Doch ein solches Verfahren kann zwangsläufig nicht perfekt sein. Als Glieder oder »Widerstände« in der Supermaschine sind Menschen nicht mechanisch zuverlässig. Weder »reagieren sie widerspruchsfrei in der gewünschten Weise«, noch können sie dazu gezwungen werden.“

Genau hieraus erwächst der Wunsch nach „unternehmerischem Denken und Handeln“ der Mitarbeiter. Die „mechanischen Unzuverlässigkeiten“, die der Mensch von Natur aus hat, sollen also ausgeglichen werden, indem man ihn auf das Unternehmenswohl – meist gleichgesetzt mit dem Unternehmensprofit – einschwört. Nun sind mechanistische „Unzuverlässigkeiten“ nicht einfach nur Widerstände, es sind Intelligenz, Intuition, Empathie, Gestaltungswille, Fähigkeit zur Improvisation usw. Unterdrückt ein Mensch, um zu funktionieren, Hirn und Gefühle – wie soll er den Spagat zum Unternehmertum, zur Selbständigkeit meistern? Geschäfteführern fällt es erstaunlich schwer, diesen Widerspruch zwischen persönlicher Integrität der Mitarbeiter und mechanischem Funktionieren wahrzunehmen.

Wie weit wir dieses Verfunktionieren getrieben haben, macht eine Urlaubsanekdote deutlich. Auf einem Parkplatz an der Costa Brava stellten wir unser Auto ab. Wir brauchten einen Parkschein und so machte ich mich auf den Weg zum entsprechenden Automaten. Bei der Maschine handelte es sich um ein deutsches Fabrikat. Während ich den Parkschein löste, entdeckte ich einen Sprach-Knopf. Meine Neugierde war geweckt, welche Sprachen sich dort wohl finden ließen und so drückte ich ihn. Die Anzeige sprang sofort vom spanischen „Bienvenido“ auf das regional gesprochene katalanische „Benvingut“. Der nächste Drücker brachte das italienische „Benvenuti“ zum Vorschein und dann kam auf Französisch „Bienvenue“. Die Logik war klar und doch wollte ich jetzt wissen, ob es auch eine deutsche Begrüssung gab, also drückte ich erwartungsfroh weiter und nach dem englischen „Welcome“ musste ich schallend lachen, stand da doch „Betriebsbereit“ im Display.

Das Paradox von Funktion und Unternehmertum lässt sich auflösen, erkennt man die Absurdität der Objektivierung menschlicher Arbeit. Unsere Fähigkeiten und Talente sind nicht in quantifizierte, gemessene Funktionen zu packen, zu standardisieren und in Formeln verwertbar, wenn man ein sinnvolles, ein menschliches Ergebnis haben möchte. Wir müssen uns vorurteilsfrei ein neues Bild von Arbeit generell machen. In diesem Bild sollen Menschen nicht mehr aufs Funktionieren reduziert werden. Stattdessen sind sie dazu da, etwas zu unternehmen. Dafür braucht es weniger messende Methoden für geschlossene Systeme. Stattdessen benötigen wir mehr agil adaptive soziale Vorgehensweisen in offenen Systemen. Die Devise kann lauten: Raus aus der taylorschen Funktions-Leichenstarre und hinein in ein menschlich erfüllendes Arbeiten.

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Eingeordnet unter 01 Arbeit platzt, Menschen funktionieren nicht