Schlagwort-Archive: Leadership

Einfach nur die Falschen?

Smith_HeiligenscheinLiebe Leserinnen und Leser,

am Wochenende bin ich auf den Blockpost Führungskräfte unter Druck – Demotivation, Widerstand, Burn-outs und andere Formen des Mimosentums von Dr. Heinz Peter Wallner gestoßen. Er beklagt darin, dass wir, die Rufer und Herbeisehner einer neuen Führungskultur, eine wichtige Entwicklung der Rahmenbedingungen bei den Führungskräften übersehen: Den Verlust ihrer Schutzschilder. Er schreibt dazu:

„Auf die nackte Persönlichkeit mit allen Schwächen zurückgeworfen, müssen sie sich dem Kampf des Wandels stellen.“

Not für alle

In seinem Artikel stellt sich Wallner auf die Seite der Führungskräfte, von denen wir, die Verfechter neuer Führungsstrukturen, so viel verlangen. In ihrer Position beklagt er wegfallende Schutzzonen wie etwa die unabdingbare, gute alte Bürokratie, die Rolle des Vorgesetzten mit integrierter Anerkennung seiner Autorität oder der Schutz der Pflicht, innerhalb derer die Vorgaben „von Oben“ widerspruchslos zur Umsetzung gebracht werden.

Wallner sieht allerdings nicht nur die Führungskräfte in Not. Auch die Mitarbeiter dürfen nicht weiterhin arbeiten gehen, um für Geld ihre Arbeit zu tun. Stattdessen wird von ihnen verlangt motiviert zu sein und in der Selbstverantwortung gefälligst ihr Glück zu finden.

Die bösen Leadership-Schwafler

Nach dieser kleinen Exkursion auf die Seite der Mitarbeiter kommt die Keule gegen uns Trainer, Berater, Autoren und Speaker, die wir mit unserem Leadership-Geschwafel von den Führungskräften so unverschämt viel verlangen. Tatsächlich sollten wir doch mehr Verständnis für die schwachen Führungskräfte haben. Wallner verlangt nach dem Raum, in dem sie ihre Verzweiflung ausleben können. Er ruft uns ins Gedächtnis, dass wir es nicht mit unverbesserlichen Trotzköpfen und stattdessen mit verletzbaren Individuen zu tun haben, die mit all ihren Schwächen und wunden Punkten dem harten sozialen Treiben hilflos ausgesetzt sind. Wallner spricht an dieser Stelle vom Leadership-Cult, der den Führungskräften in der Stimme eines Dämons hinüberruft: „Warum versteckst du dich? Sei kein Feigling, stelle dich den Herausforderungen deiner Mitarbeitermonster. Freue dich, denn du wirst scheitern“.

Trotz Verständnis braucht es Empörung

Herr Wallner beschließt seinen Artikel mit viel Verständnis, das er für diese Menschen -die Führungskräfte- aufbringen kann. Dem er entgegensetzt, das die Kraft zur Entwicklung weder Verständnis noch Einsicht braucht und stattdessen auf Widerstand und Empörung angewiesen ist. Er schließt den Bogen und wird wieder selbst ein Verfechter der neuen Ideen, indem er feststellt, dass wir den Menschen Veränderung zuzumuten haben, wollen wir die kommenden Krisen überstehen. Anstatt die Führungskräfte in ihrer Schwäche zu schützen, sollen ihnen das Neue zumuten und damit zutrauen. So kann laut Wallner aus Schwäche plötzlich Stärke werden. Natürlich ohne dabei rüde mit Menschen umzugehen!

Im Spiegel meiner Arbeit

Süffisanz beiseite. Aus meiner eigenen Beratungsarbeit kenne ich die von Herrn Wallner beschriebenen Führungskräfte. Er hat sich sehr gut in sie hinein versetzt. Seine Punkte trägt man mir in meinen Organisationsentwicklungsprojekten für eine neue Führungskultur regelmäßig argumentativ so oder so ähnlich vor. Dabei entsteht schnell eine Denkfalle. Folgende Frage deckt sie auf:

„Wer sagt denn, dass die heutigen Führungskräfte in Leadership-Cult-Organisationen noch Führungskräfte sein müssen?“

Auch ich sehe viele Trainer, Berater und Speaker, die sich dort die Taschen mit Geld voll machen, wo es keinen interessiert, aber nach wie vor viele bereitwillig bezahlen. Die aktuell vorherrschenden Organisationsstrukturen in den Firmen -wie alle Strukturen- präferieren einen bestimmten Typ Mensch, bestimmte Charaktere, Eigenschaften, Werte und Fähigkeiten. Dazu gehört (verschieden stark ausgeprägt) aus einem natürlichen Verständnis der Sache heraus:

  • (bedingt fatalistisch) nach oben zu ducken und nach unten zu treten.
  • Erfolge für sich persönlich zu beanspruchen und Misserfolge auf die Situation oder noch schlimmer aufs Team zu delegieren.
  • mit Bürokratie die Untergebenen zu gängeln.
  • sich selbst schon aufgrund der formalen Zuordnung als Autorität zu verstehen.
  • Dinge macht Amtes auch gegen den gesunden Menschenverstand durchzusetzen.
  • sich selbst für wertvoller (mehr verdienend) anzusehen als einen Mitarbeiter.
  • Privilegien als selbstverständlich hinzunehmen.

Diese Menschen zum Leadership in einer zunehmend dezentral demokratisierten Arbeitswelt zu entwickeln ist wahrlich eine Herkulesaufgabe. Sie hat alle Chancen der Welt, zu scheitern. Denn diese Charaktere müssen sich dafür in einer persönlichen Katharsis tatsächlich ihrer nackten Persönlichkeit mit allen Schwächen stellen. Mit Spaß, Freude, Motivation und daraus resultierendem Erfolg hat das sicherlich nichts zu tun.

Dabei könnte man den Menschen innerhalb der neuen Organisationsstruktur auch eine Rolle/ Stelle suchen, die ihrem Charakter, ihren Eigenschaften, Werten und Fähigkeiten einfach mehr entspricht. Schon ist die Veränderung nicht mehr ganz so gewaltig, das Tal der Tränen um einiges flacher und die Chance auf Erfolg für den Wandel immens gewachsen.

   Mehr zum Thema:

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Ohne (gefühlten) Verlust kommt es nicht zum Wandel der Führungskultur. Im Glauben, dass mehrheitlich die heute Verantwortlichen morgen auch noch im Lead sind, sterben gut gemeinte Versuche, die Veränderung zu schaffen. Je länger wir der heutigen Führung zutrauen, dass sie en gros fähig sei, sich in die neuen Herausforderungen des Leadership hinein zu entwickeln, umso länger warten wir darauf, die anstehenden Krisen sinnvoll zu bewältigen.

Für mich ist es längst an der Zeit die Menschen zu finden, denen Leadership aufgrund ihres Charakters, ihrer Werte, Eigenschäften und Fähigkeiten leicht fällt. Sie zu begleiten, wie sie damit am Arbeiten Spaß haben und mit ihrem Leben zufrieden sowie wirtschaftlich erfolgreich sein können, dass prägt mein Engagement als Unternehmer, Berater, Trainer und Autor.
Mich begeistert an diesen Menschen, dass sie in ihrer Entwicklung zum Leader viel mehr Rücksicht auf die (heutigen) Führungskräfte nehmen, als diese im eigenen Wertempfinden jemals verdient hätten.

Wir wollen denken!
Gebhard

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Eingeordnet unter Affenmärchen in der Praxis, blauäugig

Gute Führung – macht Wissenschaft!

Liebe Leserinnen und Leser,

wie die Reaktionen, Zugriffszahlen und meine Projekte im Zusammenhang mit Affenmärchen zeigen, teilen viele Menschen meine Sehnsucht nach einer Veränderung/ Verbesserung unserer Führungskultur. Eine zentrale Frage, die mir dabei immer wieder gestellt wird ist: „Wie ist denn dann die Führungskraft der Zukunft und wie werde ich eine?“ Antworten darauf gibt es sehr viele. Die meisten sind durch das persölniche berufliche Umfeld, individuelle Erfahrungen und Gedanken sowie eigene Werte geprägt. Belastbare Forschung findet sich neben der inflationär zitierten Gallup-Studie und dem DGB-Index für „Gute Arbeit“ kaum. Zumindest wenn man Wert auf höchstmögliche Unabhängigkeit legt. Deshalb freue ich mich heute ganz besonders, dass mich Dr. Armin Pircher Verdorfer von der Technischen Universität München angesprochen hat.

Im Rahmen einer europäischen Vergleichsstudie geht er gemeinsam mit Organisationspsychologen an der Universität Innsbruck der Frage nach,  inwieweit besonderen Facetten eines mitarbeiterorientierten Führungsstils in Zusammenhang mit der Motivation und dem Selbstbild der Mitarbeiter stehen.

Grundlage des untersuchten menschzentrierten Führungsstils sind dabei die Gedanken des „Servant Leadership“. Sie gehen auf den amerikanischen Managementberater und späteren Gastprofessor in Harvard, Robert Greenleaf (1904-1990) zurück. In seinem grundlegenden Essay The Servant as Leader (1970) formuliert Greenleaf seine Kernthese wie folgt:

“The great leader is seen as servant first, and that simple fact is the key to his greatness. (…) It begins with the natural feeling that one wants to serve, to serve first. Then conscious choice brings one to aspire to lead. That person is sharply different from one who is leader first, perhaps because of the need to assuage an unusual power drive or to acquire material possessions. (…) The difference manifests itself in the care taken by the servant-first to make sure that other people’s highest priority needs are being served. The best test, and difficult to administer, is: Do those served grow as persons? Do they, while being served, become healthier, wiser, freer, more autonomous, more likely themselves to become servants?”

Diese Auffassung der Grundhaltung eines Führers hat dasselbe Ziel, wie ich es hier in Affenmärchen ausführlich beschreibe: Jeden Menschen dabei zu unterstützen, der beste Mensch zu werden, der sie/ er sein kann.

Für eine vernünftige und sinnhafte Veränderung unserer Führungskultur ist es sehr wichtig, die bestehende empirische Forschung zu unterstützen. Deshalb lade ich alle Angestellten unter meinen Lesern herzlich ein, an der Umfrage der TU-München teilzunehmen. Alle Führungskräfte und Gschäftsführer leiten die Einladung bitte an Ihre Mitarbeiter weiter, danke.
Die Teilnahme an der Befragung nimmt ca. 5-7 Minuten in Anspruch und erfolgt über folgenden Link:
http://ww3.unipark.de/uc/leadership_survey_aut_ger/

Als kleines Dankeschön für die Unterstützung kann man im Anschluss an die Befragung an einem Gewinnspiel teilnehmen und Amazongutscheine im Wert von 20 Euro gewinnen.

Wer einen Blog oder eine Webseite hat, soll bitte für die Umfrage aktiv werben. Denn jede Umfrage ist nur so aussagefähig, wie die Teilnehmerzahl hoch ist! DANKE!

Weitere Auskünfte gibt es von:
Dr. Armin Pircher Verdorfer: Armin.Pircher-verdorfer@tum.de
Schirin Noori: Schekufe.Noori-Amir-Kolai@student.uibk.ac.a

Wir wollen denken!
Gebhard

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Eingeordnet unter Fixstern Mensch, Forschung

Die Ver(w)irrung mit der Sinnstiftung

Hallo Leserinnen und Leser,

heute möchte ich mich für einen Hinweis auf google+ und bei Dr. Kruse bedanken. In Kombination erlauben mir die beiden, einen zentralen Aspekt von Sinnkopplung zu verdeutlichen: Sinn stiften ist nicht möglich!

Doch bevor ich das näher erläutere, schaut euch den Zweiminüter von Dr. Kruse zum Thema Sinnstiftende Führung an, der mir via google+ empfohlen wurde:

Hier die Ver(w)irrungen anhand von Zitaten aus dem Video:

„Wir müssen uns in den entwickelten Märkten überlegen, wie wir dauerhaft Faszination erzeugen.“

Haben Sie es gemerkt? Herr Kruse geht weiterhin davon aus, dass wir (die Führenden) Faszination (bei den Geführten) erzeugen müssen. Er geht von einer klassischen Über-/ Unterordungssituation aus, in der ein (elitärer) Teil der Bevölkerung dafür verantwortlich zu machen ist, dass der Rest zur Faszination animiert wird. Genau diese formal hierarchische Aufgabenverteilung zerstört die Fasizination, die wir in allen Kinderaugen und vielen Kindertaten miterleben können. Aus Langeweile entstehen da häufig die beeindruckendsten Dinge, nicht aus – von anderen – erzeugter Faszination. Wir sollten mehr Zeit für Langeweile haben, anstatt ständig fremd-fasziniert zu werden. Ein paar Sekunden später erklärt er:

„Wenn es uns in unserer Welt nicht gelingt, ein Gefühl für die Sinnhaftigkeit unseres Tuns zu erzeugen, dann werden wir das mit der Faszination nicht hin bekomen.“

Hier drängt sich mir erneut die Frage auf, wer hier das Gefühl für wen erzeugt?
Richtig ist: Wenn es uns in unserer Welt nicht bald gelingt, sinnhaft zu handeln, dann werden wir an unserem eigenen Tun scheitern!
So lange wir davon ausgehen dürfen, dass die Verantwortung für Sinnhaftigkeit bei einer irgendwie geartet festgelegten Führungsschicht liegt, brauchen wir anderen uns ja nicht darum zu kümmern. Der Clou ist, sobald wir diese Verantwortung abgeben, ist auch ein anderer der Sündenbock, wenn das kollektive Handeln sich am Ende als sinnentleert herausstellt. Es geht korrekt weiter:

… sonst ist Faszination Partylaune, Partylaune kann ich auch immer kurzfristig erzeugen. Aber Partylaune hat keine Nachhaltigkeit, das ist nur der Hype des Moments. Was ich brauche ist Energie mit Dauer. Wie kann ich Menschen dazu bringen … dauerhaft ein hohes energetisches Niveau zu halten?“ – Im Abschnitt mit den Punkten bemerkt er – „Indem sie das, was sie tun als sinnhaft empfinden.“

Hier bin ich mit Herrn Kruse vollkommen einig. Partylauen haben wir schon genug und Menschen sind dann auf einem dauerhaft hohen energetischen Niveau, wenn sie das, was sie tun, als sinnhaft empfinden.

Allerdings gehen wir von dieser Erkenntnis aus getrennte Wege. Während er schon weiß, was zu tun ist und der Führung Sinnstiftung ins Aufgabenbuch diktiert, halte ich mich zuerst einmal mit dem Thema Sinn an sich auf.
Resultat dieser Auseinandersetzung: Zentrales Thema der Führung sollte in Zukunft Sinn sein – keineswegs Sinn stiften! Der Unterschied wird klar, wenn man erkennt: Jede(r) von uns findet für sich einen Sinn im Dasein oder eben nicht. Kein Mensch kann einem anderen von außen Sinn stiften!

Es ist der Unterschied zwischen

  • Reformation – Menschen sollen die Bibel so lesen können wie ich, selbständig darüber nachdenken und über sich ihre Erkenntnisse und Konsequenzen austauschen und
  • Missionierung – Die Heiden müssen (sollen) meinen wahren Glauben erkennen sowie annehmen und in Zukunft mit mir unseren gemeinsamen Gott und Herren anbeten und ihm in meinem Verständnis seines Wortes dienen. Gerade so wie ich es tue.

Herr Kruse ist ein Missionar für sein Verständnis für Leadership. So führt er weiter aus:

Hier wird auch wieder deutlich, was Leadership ist. Leadership ist die Fähigkeit Menschen in einer intelligenten Situation wach zu halten. Das ist eine Aufgabe: Ich muss nicht intelligent sein, sondern ich muss die Intelligenz der anderen wach halten. Das ist meine Aufgabe, das ist Leadership.“

Viele werden jetzt endlich wieder verstehen, warum sie von so vielen Führungskräften/ Leadern insgeheim annehmen, dass sie Dumpfbacken sind. Sie haben schlicht recht! Der Führende muss ja nicht intelligent sein, sondern nur die Intelligenz der anderen wach halten. Wer ein solches Selbstverständnis vor sich her trägt ist in hohem Maße episdemisch arrogant – das Wissen überschätzend. Es ist keineswegs auch nur annähernd so toll, wie es sich anhört. Mir kommen solch hohle Phrasen auch ab und an über die Lippen. Dann hoffe ich inständig, ich bemerke es, amüsiere mich über mich selbst und erzähle meine Dummheit als Anekdote weiter. Andere können sicherlich etwas daraus lernen. In diesem Sinne: Vielen Dank Herr Dr. Kruse, dass Sie sich in unseren Kreis der Pharsendrescher so überaus menschlich und durchschnittlich einreihen. Am Ende wird es allerdings noch mal richtig spannend:

„… Deshalb werden Führer in Zukunft nicht mehr so sehr Organisator sein, ja noch nicht mal Coaches. Ich glaube, dass Führungskräfte in Zukunft Sinnstifter sind und Vernetzer. Das heißt, sie bringen die Sinnhaftigkeit ins System und sie bringen die Fähigkeit zur Vernetzung mit. Also andere Menschen zu vernetzen sollte eine Fähigkeit von Leadership sein und andere Menschen mit Sinnhaftigkeit zu entzünden sollte eine Aufgabe von Leadership sein.“

Besser kann man die große Ver(w)irrung zum Thema Sinn kaum ausdrücken. Noch einmal, Herr Kruse  geht offensichtlich, wie viele Führer, davon aus, dass jemand so etwas wie Sinnhaftigkeit in einem anderen Menschen bewusst und gewollt entzünden kann. Er glaubt damit nach wie vor, dass er und die Führer der Zukunft die Sinn-Zügel in der Hand halten und die intrinsischen Fäden anderer kontrolliert zupfen können. Das ist schlicht falsch. Selbst wenn es gelingt, ist es mehr zufällig als gesteuert. Ob sich etwas sinnhaft entzündet wird allerdings auf jeden Fall – vermutlich sogar in hohem Maße unbewusst – vom anderen Menschen entschieden, nicht vom Führenden, wie Dr. Andreas Zeuch in Feel it! eindrucksvoll aufzeigt. Bleibt die Frage: Was sind denn dann die Aufgaben der zukünftigen Führer?

Hier eine sicherlich unvollständige Liste:

Vielen Dank noch einmal für die klärenden Worte an Herrn Dr. Kruse und an meine Kontakte bei google+, die mich auf dieses Video aufmerksam gemacht haben!

Grüße
Gebhard

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Eingeordnet unter danke, off record

Masse trifft Intelligenz

Unternehmen, selbst kleine, koordinieren bei genauem Hinschauen eine ganze Menge Menschen. Nicht nur die eigenen Mitarbeiter, auch Kunden, Vertriebspartner, Lieferanten, Kooperationspartner, Investoren, Interessenten oder Zeitarbeiter sollen organisiert sein, will man ein wirtschaftliches Betriebsergebnis erreichen und im Wettbewerb überleben.

  • Lassen wir uns auf Agenten ein und auf die Trennung zwischen Arbeiten und Denken.
  • Akzeptieren wir partielle Transparenz in der die Geschäftsführung beispielsweise Steuerungs-Informationen hat, die anderen nicht zugänglich sind – wie etwa die Kilometerlaufleistung der Vertriebsmitarbeiter.
  • Koordinieren wir uns basierend auf Leistungs-Zielvereinbarungen mit gekoppelten Bonus(-Versprechen)-Drohungen.

Dann öffnen wir politischen Ränkespielen und pseudorationalen Rechtfertigungsorgien Tür und Tor. Intelligentes und kooperatives füreinander Arbeiten bleibt so auf der Strecke. Doch wozu soll diese kooperative Arbeitsform gut sein, wozu so viel Mensch, wozu eine derartige Vormachtstellung der sozialen Interaktion? Warum brauchen wir sie gerade jetzt, warum plötzlich für alle Menschen und nicht nur für ausgewählte Leadership-Gruppen, wie gehabt? Warum soll das Althergebrachte plötzlich schlecht sein?
Ganz einfach, weil Verwaltung und Koordination in einer komplexen, turbulenten und unvorhersehbaren Welt schlicht versagen. Sie erkennen den Ernst der Lage zu spät, sind in ihren Reaktionen zu langsam, finden selten nachhaltig intelligente Lösungen, um ähnliche Fehler in Zukunft zu vermeiden und sind, vor allem anderen, trotz all ihrer Pläne viel zu häufig schlecht vorbereitet.

Achtsamkeit, auf etwas gefasst sein ohne das Ergebnis planend vorweg zu nehmen, sprich leistungsfähige Improvisation, professionelle Nutzung von Intuition, Wissen, Bildung, Emotion, Denken und Empathie oder anders: Der große Reichtum menschlicher Intelligenz – erschließt sich nicht in verwalteten Kollektiven. Stattdessen entfaltet er sich, auch und gerade wirtschaftlich, in kooperativen, lebensbejahenden sozialen Vernetzungen. Intelligente Massen beginnen dort, wo man sich dem Zwischenmenschlichen stellt, anstatt sich ihm zu entziehen. Sie beginnen dort, wo kein eindeutiger Führer mehr auszumachen ist, kein Kopf, den man abschlagen kann und so dem monströsen Körper des Mobs sein Ziel, seine Ausrichtung, ja, seinen Sinn raubt. Intelligente Massen sind kein Mob (siehe Tabelle zur Unterscheidung)!

Sie finden sich zusammen, weil die Menschen es so wollen, nicht weil sie dorthin organisiert oder geprügelt werden. Sie sind anders als Verdrängungswettbewerb, als fressen und gefressen werden, sie sind mehr als Win-Win, sie sind soziales Verständnis ohne Gutmenschenverklärungen aus einem Wolkenkuckucksheim. Intelligente Massen arbeiten nicht gegeneinander, sie arbeiten auch nicht miteinander, sondern füreinander. So und nur so können wir die durchaus wertvollen Mechanismen der Marktwirtschaft nutzen, um die vor uns liegenden komplexen Aufgaben zu meistern.
Mag „keep it simple“ für den Einzelnen eine ausreichende Strategie sein, ist es für ein Unternehmen nur die exponentiell schnell wachsende Wahrscheinlichkeit, etwas Überlebenswichtiges zu übersehen. War es vor fünfzig Jahren vielleicht noch ausreichend, dass jeder an sich denkt, damit an alle gedacht ist, kann unsere Hoffnung heute nur darin liegen, für das Wohl der anderen Sorge zu tragen, will man nicht schon bald selbst Teil einer Katastrophe sein.

Hätten die Vertriebsknechte der amerikanischen Immobilienwirtschaft intelligentes, zwischenmenschliches und lebendiges Interesse am Leben und Schaffen ihrer Klienten haben dürfen, dann wäre die Finanzkrise wohl an uns vorüber gegangen. Läge es in den Händen der Monteure, deren Familien an der Küste vor einer Bohrinsel leben, gäbe es vermutlich ausschließlich eine Tiefsee-Ölförderung mit Rückschlagventil. Könnten die Mitarbeiter von MBB entscheiden, wer nicht nur ihre neuen, sondern vor allem auch ihre gebrauchten Waffen und Waffensysteme kaufen kann, wäre wohl davon auszugehen, dass es einige Kriegsschauplätze weniger auf der Welt gäbe.

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Eingeordnet unter 06 Masse mit Klasse, Von Prinzipalen, Agenten und anderen zwielichtigen Subjekten

Achtung, wenn die Rita kommt

Sabine war vorsichtig, während sie durch die langen Flure der Firma lief. Sie hörte um die Ecke und in Büros hinein, bevor sie die Tür passierte. Der Grund? Ihr Kollege hatte ihr gesagt, Rita sei unterwegs. Eigentlich sollte es kein Problem sein, wenn Rita unterwegs war. Und doch konnte Sabine so gar nichts mit diesen Begegnungen anfangen. Derart in Gedanken war sie einen Moment unaufmerksam und schon war es passiert.

Rita trat unversehens aus der Tür der Toilette und stieß beinahe mit Sabine zusammen. Das einladende Gut-Drauf-Lächeln im Gesicht, mit knappem Rock bekleidet, der nahtlos in das eng anliegende Top überging und die makellose Figur betonte. Sportliche Beine steckten in den immer perfekt weißen Söckchen, die sich wiederum in die perfekt weißen Freizeitschuhe schmiegten. Ganz in Dauer-Sommer-Bronze-Gesundheits-Bräune getunkt, begrüsste Rita Sabine mit den Worten: „Frau Brücke, schön dass ich sie treffe!“ Sabine war verloren. „Wie sieht es heute denn aus bei ihnen, wollen sie mich nicht zur Fertigungsinsel begleiten und mal den Arbeitsbereich von Frau Simon kennen lernen? In nur fünf Stunden sind sie locker auf dem Niveau von Frau Simon. Dann haben sie – einen Moment ich schaue kurz in ihrer Akte nach“, Rita zückte ihren berüchtigten TabletPC „bereits fünf andere Arbeitsplätze auf ihrem Potentialkonto. Noch zwei dazu, schon haben sie ihr Kontingent für diese Arbeitsjahr ausgefüllt. Und das alles vier Monate vor Jahresfrist, da bleibt noch genug Zeit für Bonus und Performance Points, die sie durch die Teilnahmen am New-Ideas-Contest und der beliebten Pamper-The-Boss-Regatta sicher gewinnen werden.“ Sabine seufzte leise. „Auf geht‘s, packen wir‘s an! Und wenn wir Glück haben, finden wir auf dem Weg in die Fertigung noch ein paar Kollegen, die auch mit einsteigen!“
Rita war ein Cyber-Clon. Seit sechs Monaten hatte die Firma den Service bei Personal Motivation Inc. gebucht. Am Anfang hielten es alle für ein Gerücht, doch nachdem zehn Kollegen am selben Tag, zur selben Zeit an drei verschiedenen Orten auf eine Rita gestoßen waren, gab es keine Zweifel mehr. Auf der Webseite von Personal Motivation Inc. konnte jeder nachlesen, was es mit Rita auf sich hatte:

Rita, die Antwort auf ihre Personalprobleme. So lösen Sie das Transformationsproblem der Arbeit elegant, eifrig, sympathisch und immer politisch wie juristisch korrekt.
Rita führt in Sachen Personalrecht und Rechtsprechung stündlich online Updates durch und hat umfangreiche psychologische Programme für den Umgang mit allen Arten von Mitarbeitern (vom Arbeiter bis zum Vorstand) und Menschen (vom Choleriker bis zum Phlegmatiker).
Einmal das Leitbild, die Vision und die Mission des Unternehmens hochgeladen, organisiert sich Rita selbst mit Personalakten, Arbeitsanweisungen und allen weiteren personaltechnisch relevanten Daten. Darüber hinaus speichert sie Verhaltensmuster von Mitarbeitern bei sozialen Begegnungen und legt ein individuelles Raster für jeden Mitarbeiter an. So unterstützt, setzt Rita immer die angebrachten Motivationswerkzeuge im richtigen Intensitätsgrad ein. Für Buchung des Dienstes klicken sie
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Was ich hier als Zukunftsszenario getarnt schildere, ist leider heute bereits Realität. Die Szene ist zugespitzt und übertrieben, doch das Personalwesen hat in der heutigen Unternehmenswelt eine klare Funktion: Löse das Transformationsproblem der Arbeit. Doch was ist das eigentlich? Es handelt sich um die Diskrepanz zwischen dem Potenzial, das in menschlicher Arbeit steckt und der Leistung/ Produktivität, die umgesetzt wird. Also der Unterschied zwischen dem, was wir leisten können und dem, was wir tatsächlich leisten. Dabei ist es die Aufgabe des Personalwesens beim Mitarbeiter für Wohlbefinden zu sorgen, um darüber die Produktivität zu steigern. Wohlbefinden als Mittel zum Zweck, als Hebel, als Tool. Für die Umsetzung stehen dem Human Resources die Personalführung und die Personalverwaltung zur Verfügung, als Werkzeugkästen sozusagen. Genau so sieht das Wohlfühlpaket dann auch aus.
Im Kasten Personalführung finden wir unter anderem Werkzeuge wie disziplinarische Karriere, Kompetenzkarriere, Seminare – Projektmanagement, motivierende Kommunikation, Konfliktlösung, Stimmtraining, Cost-Optimization, Sig-Sigma, Hochseilgarten für Business-Events, Sprachen und dergleichen mehr. Gern genommen werden auch zeitlich befristete Auslandseinsätze oder Trainee- und Leadership-Programme. Für letztere wird man Mitglied in speziellen drei- oder vierbuchstabigen, vornehmlich englisch benannten Gruppen innerhalb des Unternehmens, wie etwa der High-Potential-Group (HPG), damit auch alle wissen, dass man etwas Besonderes ist. Mit einer Einkommenssteigerung geht das zumeist nicht einher und es wird auch nie eine Garantie für eine spätere Karriere gegeben. Allerdings kann man mehr Stunden im Unternehmen bleiben und baut ein informelles Netzwerk von Kontakten auf, das einem in der Karriere behilflich ist. Natürlich gibt es auch die Ehemaligen, die bereits in entsprechenden Positionen sitzen und die HPG-ler gerne in der Vergabe von guten Posten bevorzugen.
Auch den Werkzeugkasten Personalverwaltung darf man nicht unterschätzen. Hier warten die monetären und sonstigen Bonbons. Ist man am oberen oder am unteren Ende der Gehaltsklasse? Gibt es einen außertariflichen Gehaltsbestandteil oder nicht? Bekommt man extra Gimmicks wie ein Firmen-Mobiltelefon, freien Zugang zum Unternehmensfuhrpark, den höher eingestuften Firmenwagen, die verkürzte Arbeitswoche bei nur gering reduziertem Einkommen und dergleichen mehr. Es gibt viele Möglichkeiten für den Personalbereich, auch über die Verwaltungsschiene Wohlbefinden zu fördern.

Doch Vorsicht: Zu keinem Zeitpunkt geht es wirklich um uns, unser Wohlbefinden, unsere Balance zwischen Arbeit und Leben. Selbst wenn die Personalerin hundertprozentig davon überzeug ist, uns zu unterstützen, tun wir gut daran, ihr zu misstrauen. Ihre Funktion im Unternehmen basiert auf der Annahme: Angestellte und Arbeiter bringen nicht ihr volles Potenzial als Leistung ein. Gerade auch deshalb gibt es ein Personalwesen. Ansonsten würde ein Lohn- und Gehaltsbuchhalter, der von DISC-Modellen, Kompetenz- und Fachkarriere, Incentives und all diesen Spielwiesen keine Ahnung hat, völlig ausreichen!

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Eingeordnet unter 02 Mythos Arbeit, Achtung, wenn die Rita kommt