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Der soziale Prozess

Nicht zum ersten Mal war Edu mit diesem Wunsch eines Nachfolgers konfrontiert: „Sehen Sie“ so Frank Müller „ich möchte einfach nicht wie mein Vater dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr für die Firma knüppeln. Meine Idealvorstellung ist: Das Unternehmen läuft von alleine und ich habe Zeit, mich um meine Interessen zu kümmern. Kriegen wir das hin?“ Edu atmete tief ein und aus, ließ die Pause noch ein wenig andauern, bis er antwortete: „Kriegen wir hin. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Ihnen die Konsequenzen bewusst sind oder Sie sie tragen wollen.“

Was genau ist der Wunsch von Frank Müller? Chef sein, ohne Chef zu sein? Er will weiterhin Unternehmer sein und sich dennoch aus der sozialen Interaktion zurückziehen. Er möchte nach wie vor die Freiheit genießen, mit der ein Unternehmer seinen Tag einteilen kann, die Aufmerksamkeit, die nur dem Chef zuteil wird, sowohl bei den Mitarbeitern wie bei Kunden, Lieferanten und öffentlichen Anlässen, das gesicherte Einkommen, unabhängig davon, womit er den Tag zubringt, das Wunschauto mit den netten Spielereien auf Firmenkosten, die Losgelöstheit von den Kontrollsystemen denen sein Personal ausgesetzt ist und, nicht zu vergessen, den warmen Geldregen, wenn sich alle Mitarbeiter wieder einmal über ein Jahr hinweg erfolgreich ins Zeug gelegt haben. Das alles will er behalten, was er los werden möchte sind die Erläuterungen, warum man kontrolliert, der Neid auf sein Geschäftsauto, das Tuscheln über sein öffentlich an den Tag gelegtes Desinteresse an den Belangen der Kollegen und, nicht zuletzt, die Diskussionen über die Beteiligung der Mitarbeiter an den Gewinnen.

Diese Sehnsucht, Früchte zu ernten ohne den Acker zu bewirtschaften oder zu essen ohne jagen gehen beziehungsweise die Kinder versorgen zu müssen, ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Doch eines ist klar: Aus der Nummer kommen wir nicht raus. Frank Müller ist dabei bestimmt nicht der Einzige, dem es so geht. Er teilt seinen Wunsch mit vielen Führungskräften, Entscheidern und ganz normalen Mitarbeitern. Geld bekommen fürs Da-sein, wer träumt nicht davon? Wer sich in seiner Arbeit erfüllt, in ihr aufgeht und mit Leib und Seele dabei ist, braucht gar nicht davon zu träumen. Es kann gut sein, dass auch diese Menschen mit sozialer Interaktion so ihre Schwierigkeiten haben, doch sie stellen sich. Selbst die Eigenbrötlerischsten unter ihnen finden Formen im Umgang mit anderen in sozialen Prozessen, durch die sie am Leben teilhaben und in denen sie ihrer Arbeit, ihrer Erfüllung nachgehen können. Alles andere würde und wird unter Soziologen und Psychologen schnell als ein Syndrom identifiziert, betitelt, abgelegt und von Therapeuten behandelt. Es ist krank von einem sozialen Prozess den Nutzen haben zu wollen, ohne an ihm teilzuhaben.

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Eingeordnet unter 06 Masse mit Klasse, Der soziale Prozess

Wenn es zum weinen nicht mehr reicht, einfach mal lachen! [2]

In vielerlei Hinsicht befinden wir uns in der Phase der Selbstverleugnung. Führende deutsche Politiker sind etwa der Meinung, wenn nicht alle bei der Reduktion des Kohlendioxydausstoßes mitmachen, dann macht Deutschland auch nicht mehr damit weiter. Als ob es diese Alternative gäbe und der Klimawandel vor den Grenzen Deutschlands halt machte. Die deutschen Autokonzerne feilschen um die Messung der Ausstoßmenge ihrer viel zu großen Fahrzeuge und führen ihr Produktportfolio ins Feld, als ob sich die schmelzende Eiskruste in der Antarktis von derartigen produktionsspezifischen Feinheiten beeindrucken ließe. Doch wir brauchen nicht auf die Großen zu schauen. Laut der Gallup-Umfrage von 2010 gehen knapp neunzig Prozent der deutschen Erwerbstätigen zu einer Arbeit, von der sie emotional entkoppelt sind und die sie nicht erfüllt. Sie gehen da zum Broterwerb hin, weil Beschäftigung eben sein muss. Die Massenproduktionsmaschine läuft und läuft und läuft. Sie hat im letzten Jahrhundert viel Energie aufgenommen und die Katastrophen erscheinen unausweichlich.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, doch ich komme ins Grübeln, wenn mir mein vierjähriger Sohn erklärt, dass er einen Ferrari fahren wird, wenn er groß ist. Ich überlege mir dann erstens, ob es in vierzehn Jahren noch bezahlbares Benzin geben wird und zweitens, ob es Sinn macht, dass mein Sohn ausgerechnet einen Ferrari fahren möchte? Wird der Erfolg unserer Arbeit mit Luxusautos, Segeljachten und Villen definiert? Ist unser Wohlstand in Massen-Billig-Wegwerf-Konsum zu vermessen? Kann es der Sinn von Broterwerb sein, immer schneller immer mehr von dem herzustellen, was uns sicher aus der Kurve fliegen lässt?

An dieser Stelle kommt stereotyp der Ruf nach den Formeleins Piloten, nach den Profis, den Experten, denen, die den Extremzustand in der Kurve noch beherrschen. Für unsere energiegeladene Masse, gibt es das nicht. Wir brauchen keinen Experten, der die Katastrophe scheinbar beherrscht. Bei genauem Hinschauen wird schnell klar, die Formeleins Piloten agieren in einem geschlossenen System. Da taucht nicht plötzlich ein Lastwagen auf oder ein Fahrradfahrer oder ein bunter Ball dotzt über die Rennstrecke und ein Kind läuft hinterher. Was wir brauchen sind Alternativen zu den Katastrophen. Doch wie kann eine solche für die Arbeitswelt aussehen?
Es gibt eine andere Art und Weise zusammen zu arbeiten. Es gibt die Frage nach dem Sinn, die sich an jeden von uns richtet. Es gibt die Sehnsucht nach Erfülltsein, die wir alle in uns tragen. Und es gibt die Technologien, die Erkenntnisse und die Nachweise: Ein Richtungswechsel ist mehr als nötig und vor allem möglich. Ich bin überzeugt: Das Zerfallen der stillen Übereinkünfte, die Tatsache, dass Menschen nicht funktionieren, die Automatisierung, unsere Vorstellungs- und Schaffenskraft oder eben unsere Menschlichkeit geben uns die Sicherheit, dass es Zeit für einen Richtungswechsel ist. Die Ausprägung der Arbeit, wie wir sie seit über fünfzig Jahren spezialisieren und seit mehr als hundert Jahren kennen, sowohl als Konzept wie auch in der Umsetzung, zerplatzt als Seifenblase vor unseren Augen. Ob es uns nun gefällt oder nicht. Zugleich kommen wir nicht darum herum zu arbeiten. Wir drücken unsere Beziehung zu uns und zu unserer Umwelt durch die gestaltende, uns erfüllende Umsetzung unserer Vorstellungen aus. Das macht uns zu Menschen. So gesehen ist die Industriegesellschaft selbst Ausdruck echter menschlicher Arbeit. Wir haben sie erdacht, geschaffen und ihr beständige, wenn auch zum Großteil künstliche, Strukturen verliehen. Ihre Konsequenzen freilich sind selbstzerstörerisch. Wie also kratzen wir die Kurve?

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