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Extreme Vorstellungen

An dieser Stelle erwartet man stereotyp die Forderung nach weniger Führung, der Entmachtung des Managements und das romantische Hohelied auf Mitarbeiter, die verantwortlich, intelligent, friedlich und kooperativ zusammen arbeiten, weil das so unbeschreiblich menschlich wäre. Vergessen Sie das!

Solange Führung formal – in Organigrammen – festgelegt ist, ein Führungsanspruch auf Basis dieser Fremdbestimmung gegen jeden Sinn eingefordert und durchgesetzt werden kann, wird es „nette“ und „brave“ Mitarbeiter nur ausnahmsweise, eine erfüllte, dauerhaft Erfolg versprechende Arbeit aller im Unternehmen aber gar nicht geben.

Werden die Formalien allerdings aufgehoben, braucht es den Braven und Netten überhaupt nicht mehr. Kommt Ihnen das unheimlich vor? Bei genauem Hinsehen erweist sich das Ideal vom guten, netten, braven … Mitarbeiter als weichgezeichnetes, weltfremdes Trugbild menschlicher Beziehungen, sozialer Prozesse und wirtschaftlicher Erfolge. Die Realität, Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten, wie sie die Natur – oder wenn Sie wollen der liebe Gott – erschaffen hat, ist darin jedenfalls eine Störquelle.

Was ist die Konsequenz? Es geht nicht darum, Management zu entmachten, die Großen klein zu machen, die Hierarchie flach zu halten. All das stützt und nährt nur unser krankes oder gesundes Wirtschaften, unsere in Stein gemeißelten Über- und Unterordnungen und unseren Aberglauben daran, dass Macht etwas ist, das nur einem ausgewählten Kreis von Personen zusteht. Im sinnvollen Wirtschaften geht es darum, zu ermächtigen, es geht darum mit der Verantwortung die Macht zur Führung mit zu übertragen. Es geht um das Zuspiel von Führung zwischen den handelnden Personen, eine dynamisch wechselnde Über- und Unterordnung, ein freiwilliges „Sich in die Verantwortung des anderen Begeben“. Wir reden über variabel sich bildende und verschwindende Hierarchieebenen oder zusammenfassend ausgedrückt: Es geht um Leben.

Könnte ich ihre Gedanken belauschen, dann hörte ich – dem Vorurteil folgend:

„Jetzt ist er vollkommen durchgedreht, der Borck. Bis hierher gab es ja den einen oder anderen guten Ansatz, aber jetzt ist es endgültig mit ihm durchgegangen.“

Mich freut, dass ich in diesem Vorurteil irre – sonst glaubte ich auch meinen eigenen Thesen nicht, und Sie hätten das Buch dem Recycling zugeführt. Jedenfalls hoffe ich, durch diesen Einschub Ihre volle Aufmerksamkeit für den nächsten Gedanken gewonnen zu haben.

Falls Sie aber die Idee der Ermächtigung von bisher kategorisch Untergebenen doch für abwegig halten, ist das ein Misstrauensvotum gegen die französische Revolution, gegen die Aufklärung, gegen Gandhi, Martin Luther King, die Väter des Grundgesetzes. Denn diese Forderung ist nichts anderes, als ein hartnäckiger Gedanke, für den spätestens seit Jesus Christus Millionen Unbekannte gestorben sind. Es ist, wessen sich die demokratischen Staaten rühmen, es ist der Kern dessen, was über Diktaturen, Monarchien, selbst kirchengeistlich geführten Staaten steht.

Meine Idee ist nicht mehr und nicht weniger als die Vorstellung von zum mündigen, erwachsenen, intelligenten und sozial vernünftigen Handeln begabten Menschen mit all ihren Konflikten und Widersprüchen.

Unsere Überzeugung, bezogen auf den Staat, lässt gar keine andere Annahme über die beste Staatsform mehr zu, auch wenn die Demokratie als solche noch sehr jung und – ihrem Wesen nach – alles andere als vollkommen ist. In unseren Firmen ist das freilich anders, da stürzt man die Unternehmung in Anarchie oder noch schlimmer, in basisdemokratische, nie endende Kommunikations-Kaffee-Kränzchen, sollte man nur einmal den Gedanken äußern, dass alle Mitarbeiter Entscheidungs- und Durchsetzungsmacht bekommen könnten.

Dennoch, damit es uns gelingen kann, krankes oder gesundes Wirtschaften zu überwinden, sollten wir wirklich über den Tellerrand schauen. An genau dieser Stelle des Buches geht es um nichts anderes. Beim ernsthaften Willen, Sinnkopplung als Bindungsmechanismus in Unternehmen zu nutzen, so wie es die beiden kommenden Kapitel vorschlagen, kann es keine geringere Anforderung geben, als unser über Jahrzehnte eingeschliffenes Bild davon, wie Führung in Unternehmen funktioniert, in Frage zu stellen und dafür ein anderes und wenig romantisches Menschenbild zuzulassen.

Sprengen Sie die Kruste Ihrer Vorurteile und machen Sie mit bei diesem Gedankenexperiment. Ich verspreche, es ist spannend, unterhaltsam und am Ende eröffnet es einen ganz neuen Möglichkeitsraum!

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Eingeordnet unter 07 Management ist Geldverschwendung, Extreme Vorstellungen

Wenn der Bonus die Intelligenz dominiert [2]

Wie sieht die Alternative für Unternehmen aus, die vermeiden möchten, dass die natürliche Verbindung zwischen Motivation und Motivatoren ihrer Mitarbeiter unterbrochen wird? Sie müssen darauf achten, die Wirklichkeit als extrinsischen Reizgeber zu nutzen. Jedes Unternehmen ist per se äußeren Anforderungen und Zwängen ausgesetzt, denen es sich nicht oder nur schwer entziehen kann. Kunden, Wettbewerber und Lieferanten bestimmen maßgeblich die direkten Einwirkungen, die Liste der Einflussnehmer kann allerdings schnell um Gesetze, Politik, Institutionen, Verbände, regionale Kultur und andere ergänzt werden, die mehr indirekte Effekte haben. Das heißt: Es besteht ständig, ganz ohne den Eingriff des Managements und der Führung, ein engmaschiges Netz aus Motivatoren, An-Reizen, Belohnungs- und Bestrafungsmechanismen rund um jedes Unternehmen und damit rund um jeden Mitarbeiter. Die konkreten Zielvorgaben, damit verbundene Pläne und wiederum daran gekoppelte Anreize, mit der die Führung ihr Recht manifestiert, die Wirklichkeit zu interpretieren, sind allein deren Hirngespinste oder deren Wunschvorstellung einer rosigen Zukunft. Sie erzeugen eine wabbelig gelige Fettschicht zwischen den Angestellten und der Außenwelt. Sie schieben sich wie Milchglas zwischen den mitarbeitenden Menschen und die Wirklichkeit. Das Licht wird so gebrochen, wie es die Führenden für richtig halten und projiziert ein Trugbild der Realität in das Unternehmen hinein.
Häufig ist diese Interpretation durch die Führungskräfte sogar gut gemeint. Das spiegelt sich in Aussagen wider wie: „Dafür sind meine Mitarbeiter noch nicht bereit.“ „Das kann und will ich unseren Leuten nicht zumuten.“ oder „Wozu bin ich denn gut, wenn nicht dafür, Probleme, die sie nur ablenken, von meiner Truppe fern zu halten?“. Manchmal ist es auch die schiere Manipulation: „Wenn sie das wüssten, würden sie mir doch scharenweise davon laufen.“ Egal aus welchem Grund: Management ist ein systematischer Faktor mit dem Unternehmen wissentlich oder – was noch schlimmer ist – unwissentlich das Risiko eingehen, einen Bruch zwischen der intrinsischen Motivation, die jeden Menschen antreibt und den wirklichen extrinsischen Motivatoren, die ihm auf natürliche Weise Richtung und Halt geben, zu verursachen. Dabei ist es genau dieser Bruch, der uns Katastrophen wie die Krise der Finanzwirtschaft, die Bespitzelungsaffären oder die Baumängel an der Kölner U-Bahn beschert. Die Milchglasscheibe des Managements trennt den Menschen mit seiner Motivation von der wirklichen Bewertung darüber, ob sein Denken, Entscheiden und Handeln – kurz: seine Leistung – Sinn hat. Hier wird die Planerfüllung als Führungsaufgabe zum künstlichen Sinn gemacht. Sie muss, wie Beispiele á la Elbharmonie in Hamburg zeigen, allerdings keineswegs sinnvoll sein!

Unscharfe Steuerung

Was also ist zu tun? Wir brauchen flexible Ziele, wie sie Niels Pfläging in seinem gleichnamigen Buch beschreibt. Ziele, die mit der Realität verglichen werden und deren Erreichung oder Verfehlung die allgemeinen, marktgegebenen Belohnungen und Bestrafungen zur Folge haben. Will heißen: Legen Sie ein Ziel fest, dass sich nicht auf ihren Plan und stattdessen auf die unternehmensexterne Realität bezieht. Svenska Handelsbanken etwa hat als Ziel, in der Eigenkapitalrendite und im Kundenurteil immer besser zu sein als der Marktdurchschnitt. Sie will keinen vorgegebenen Plan erfüllen oder übertreffen. Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat und jedes Jahr aufs Neue besser sein als die entsprechenden Werte der Wettbewerber, darum geht es. Das Sahnehäubchen: achtunddreißig Jahre gute Geschäfte ohne einmal das Ziel angepasst zu haben! Keine Ziele-Diskussion, -Revision oder -Anpassung. Die Unschärfe: Aus diesem Ziel lassen sich nicht mehr sinnvoll konkrete Teilziele herunter brechen sowie Handlungsvorgaben, Pläne, Meilensteine und dergleichen ableiten. Und genau das ist der Clou. Die Mitarbeiter müssen selber denken, sie müssen immer wieder aus der Situation heraus Entscheidungen treffen und anerkennen, dass niemand weiß, was die Zukunft bringen wird. Svenska Handelsbanken hat damit die letzte Finanzkrise ebenso gut überstanden, wie die schwere Krise der skandinavischen Banken in den neunziger Jahren.
Wie sehen die natürlichen, marktgegebenen Belohnungen und Bestrafungen in so einem System aus? Wenn Gewinn gemacht wird, werden bei der schwedischen Großbank alle am wirklich erwirtschafteten anstatt – wie traditionell üblich – am wunschdenkend erwarteten Erfolg beteiligt. Sollte es über einen längeren Zeitraum schlecht laufen, was ihnen seit den siebziger Jahren nicht mehr passiert ist, wird auch Svenska Handelsbanken den Weg alles Zeitlichen gehen. Das sind reale Konsequenzen, ohne Milchglas, Lichtbrechung und Fettschicht und jeder Mitarbeiter kennt sie, hat Kassentransparenz, weiß auf welchem Weg man sich befindet und kann anders handeln, wenn er es für sinnvoll erachtet.

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Eingeordnet unter 05 Der Bluff, Unscharfe Steuerung, Wenn der Bonus die Intelligenz dominiert

Die Lehre ist eine Hymne gegen die Menschen [2]

R. H. Coase hat 1937 einen Aufsatz mit dem Titel „The nature of the firm“ geschrieben. In diesem Aufsatz stellt er die betriebswirtschaftlichen Koordinationsprinzipien von Unternehmen gegenüber. Eines ist die oben beschriebene Preisbildung auf dem liberalisierten Markt. Ein Zweites leitet sich direkt aus dem Eigentum ab und ist das Bestimmungsrecht des Unternehmers über die Art der Verwendung und Verwertung seines Kapitals. Coase erklärt ausführlich die Konflikte und gegenseitigen Begrenzungen dieser beiden Systeme und stellt vor allen Dingen klar, dass alle freie Preisbildung dem Unternehmer nicht das Recht nehmen kann, sein Eigentum so zu benutzen, wie es ihm gefällt. Da wird schon recht schnell deutlich, wie sehr die Betriebswirtschaft vom Subjekt des Unternehmers abhängig und keineswegs objektiv ist.

Für die Belegschaft kommt es allerdings noch dicker. Sie sind nicht nur abhängig vom Preis der Güter und Dienstleistungen sowie der Willkür des Unternehmers. Unter dem Deckmantel der objektiven Wissenschaft wurde nicht der freie Wettbewerb, sprich die Vergleichbarkeit von Unternehmen voran getrieben. Die Unternehmer erreichten vielmehr die Austauschbarkeit von Arbeitsplätzen und Qualifikationen. Braucht man heute einen neuen Mitarbeiter, etwa eine Sekretärin oder einen Ingenieur, wird nach Funktionen gesucht, nicht nach Menschen. Klar sollte die Chemie stimmen, dennoch steht das Individuum einem Wettbewerb um Arbeitsplätze gegenüber, in dem es als Funktion nur geringe Möglichkeiten hat, sich aus der Masse hervor zu heben. Eine Sekretärin bleibt eine Sekretärin, ein Chemiker ein Chemiker, der BWLer ein BWLer und die Fleischfachverkäuferin eine Fleischfachverkäuferin, auch wenn uns unterschiedliche Schulnoten und Zertifikate vorgaukeln, wir würden uns unterscheiden. Unter uns Menschen gibt es ihn also, den freien, transparenten und gnadenlosen Wettbewerb. Zwischen den Unternehmen wird er zwar inszeniert, in der Wirklichkeit findet er allerdings schlicht nicht statt.

Was das heißt, macht Harry Braverman am Beispiel des Fließbandes von Ford deutlich:

„In dem Maße wie Ford durch den Wettbewerbsvorteil, den er errang, dem Rest der Autoindustrie das Fließband aufzwang, in genau demselben Maße waren die Arbeiter durch das Verschwinden anderer Formen der Arbeit in jener Industrie gezwungen, sich ihm zu unterwerfen.“
Harry Braverman – die Arbeit im modernen Produktionsprozess

Ich höre schon den aufgeklärten Widerspruch: „Wir können alle selbst entscheiden, ob wir dabei mitmachen oder nicht!“ Und stimme dem in letzter Konsequenz auch zu. Dennoch spricht die gelebte Wirklichkeit eine andere Sprache als die aufgeklärte Philosophie. Denn es ist doch sehr viel verlangt, angesichts der Möglichkeiten die der Tochter eines Ingenieur-Betriebswirtinnen-Paares im Vergleich zum Sohn eines Lidl-Kassiererin-Harz-IV-Empfänger-Paares gegeben sind, dass die sozial bevorteilten den Robin Hood mimen und sich gegen die Gleichmachung der Arbeit aufbäumen. Denn sie haben meistens die Eintrittskarte in eine Erwerbskaste bereits gelöst, mit der die Chancen nicht gar so schlecht stehen, ein gutes Leben zu haben. Da ist es nur allzu verständlich, wenn sich diese Kaste gegen eine zu starke unternehmerische Einmischung aus der Niedrigeinkommensschicht zur Wehr setzt.
Nichtsdestotrotz: Ein kooperatives, humanes Unternehmen, an dem seine Mitarbeiter in lebensbejahender Form teilhaben, braucht den mutigen Schritt in Richtung Demokratie. Eine Gesellschaft ist ohne Zweifel komplexer als unsere Unternehmen und dort hat sich die Demokratie als sehr robust und erfolgreich erwiesen! Angesichts dieser Erfahrung: Suchen wir unser Heil doch bitte nicht in totalitären und planwirtschaftlichen Unternehmen!
Sinnvoll wirtschaftende Unternehmen zeichnen sich durch Menschen aus, die intelligent, verantwortungsvoll und wirtschaftlich miteinander arbeiten wollen. Das wird nur mit der Koordination durch die Arbeitenden selbst gehen. Dazu braucht es die Möglichkeit für alle, ganz unabhängig von Karriere, Führungsverantwortung oder Erpressung durch Wissensweitergabeverweigerung, finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Erst wenn sich alle Menschen durch ihre Tätigkeit im Unternehmen vom materiellen Zwang befreien können, wenn die Lehre also darauf verweist, dass sich die Mitarbeit vom willigen Menschen und nicht von seiner abhängig zu erfüllenden Funktion ableitet, erst dann kann auch von einer Lehre für die Menschen gesprochen werden. Neben den von Coase genannten zwei Koordinationsmechanismen Markt und Unternehmer fehlt dazu heute sicherlich der notwendige Dritte der frei-willigen und unabhängigen Mitarbeit im Unternehmen.

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Eingeordnet unter 04 Requiem für die moderne Betriebswirtschaftslehre, Die Lehre ist eine Hymne gegen den Menschen