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Identität ist zur Integration von Menschen ungeeignet [1]

Vor nicht einmal vier Jahren war es auch mein Credo: Die Identität des Unternehmens ist zentral wichtig für die Bindung und Ausrichtung der Mitarbeiter. Gerade wenn man Sinnkopplung, sprich arbeiten Wollen, anstrebt. Wenn es keinen abhängigen Arbeitsvertrag mehr gibt, scheidet sich an der Identität des Unternehmens drinnen und draußen, zugehörig und fremd oder auch wir und die. Ich war überzeugt, je klarer und präziser die Unternehmensidentität gefasst, beschrieben und kommuniziert wird, umso einfacher ist es für den einzelnen Menschen, in seiner Sinnsuche anzukoppeln oder eben nicht. Und dafür konnte man dann wunderbar unternehmensübergreifende Verhaltensprinzipien erarbeiten. Das Ideal der klaren Unternehmensidentität war und ist häufig: Zufriedene Mitarbeiter gehen in eine freiwillige Sinnkopplung und erfüllen sich nach praktischen, kulturellen und philosophischen Maßstäben selbst.

Aus dieser Selbsterfüllung heraus, so nehmen wir an, entsteht die Energie, Produktivität und Leistung, von der wir alle schwärmen, wenn wir über wirklich gelungene Projekte, Geschäfte und Vorhaben sprechen. Jene Ereignisse, nach denen es tatsächlich allen Beteiligten besser ging als vorher. Fast alle haben wir diese Energie schon einmal gespürt. Sei es bei der Arbeit, wenn beispielsweise eine Insolvenz erfolgreich abgewendet wurde, in einem Vereinsengagement, an einem persönlichen Großereignis wie etwa der eigenen Hochzeit, wenn eines unserer Kinder geboren wird oder wenn die eigenen vier Wände endlich bezugsfertig sind. Mit dem Ergebnis waren wir uns sicher, die Strapazen, der Stress, der Einsatz, der Spaß, die durchwachten Nächte, die aufwändige Kommunikation und die ständigen zwischenmenschlichen Interaktionen haben sich gelohnt. Dieser Eindruck wird gefestigt und getragen von der Überzeugung: Alle haben am selben Strang in die gleiche Richtung gezogen. Sie haben sich mit dem Projekt, der Unternehmung, dem Vorhaben identifiziert und entsprechend ihre Prioritäten im Leben gesetzt.

Die Mehrheit derer, die so etwas schon einmal erlebt haben, sind überzeugt: Dieser Zustand der gemeinsamen Energie, Zufriedenheit und Freude sei zu bewahren und herstellbar. Mit Blick auf ein Unternehmen natürlich geregelt herstellbar. Schnell und gerne zieht man da den Umkehrschluss und nimmt an, weil sich alle identifiziert haben, ist die Identität des Projekts, Vorhabens oder Unternehmens der Schlüssel zu erfüllter, zufriedener, ja glücklicher Arbeit.
Nehmen wir einmal an, es gäbe die eine richtige, Sinn stiftende Identität für alle Menschen in einem Unternehmen. Sie kann durchaus für jedes Unternehmen anders sein, es könnte sogar eine Auswahl an richtigen Identitäten geben, aus der die Geschäftsführung dann die gefälligste aussucht und zur alleinig gültigen erklärt. Wozu führt eine alleinstehende scheinbar allgemein gültige (Leit-)Identität, wenn man sich einmal als Gruppe darauf einschwört? In den Nachrichten können wir es tagtäglich verfolgen. Sie fördert Kräfte in unseren Gesellschaften und Kulturen die ab- und ausgrenzen, Fundamentalisten und Radikale erzeugen, Unterdrückung und Missbrauch legitimieren, alles als Richtig oder Falsch sowie Gut oder Böse unterscheiden. Und wo tut sie das? Dort, wo es in Wirklichkeit um Meinung, Menschlichkeit, Interpretation und Toleranz geht. Navid Kermani bringt die Gefahr, die sich für unsere Unternehmen mit einer klar formulierten Unternehmens-Identität und einem vorgegebenen Leitbild verbindet, in seinem Buch „Wer ist wir?“ sehr gut auf den Punkt:

„Identifizierung gelingt dort, wo sie nicht auf Identität hinaus läuft.“

Ein unabdinglicher Bestandteil von Sinnkopplung ist, sich zu identifizieren, es heißt nicht, einer Unternehmensidentität oder einem Unternehmensleitbild Treue und Loyalität zu schwören. Was für ein Individuum, für einen einzelnen Menschen sinnvoll ist, nämlich eine persönliche Identität zu entwickeln und die eigene Verschiedenheit von anderen Menschen zu kennen und wert zu schätzen, kann ein Unternehmen schnell hin zu einem hermetisch abgeriegelten, sektenartigen sozialen Raum entwickeln. Für ein Unternehmen eine sinnvolle Identifikationsfläche zu entwickeln und zu pflegen heißt, die Gradwanderung zwischen einer starken Identität und Sektiererei in einem fortwährenden Prozess zu meistern. Gerade auch die Achtsamkeit dafür macht das Unternehmen in seiner Selbstreflexion lebendig. Wenn allerdings die Identität zur Grundlage für Richtigkeit, Verpflichtung oder Verantwortlichkeit wird, sind Mobbing, Fanatismus, Dogmatismus und Engstirnigkeit mit all ihren krankhaften organisatorischen Nebenwirkungen als Folgen mehr als wahrscheinlich.

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Eingeordnet unter 08 sinnhaft leisten, Identität ist zu Integration von Menschen ungeeignet

Wenn Führung zu ernst genommen wird

Es ist keine Neuigkeit, dass es einen Unterschied zwischen Vorstellung und Wirklichkeit gibt. Dennoch scheint dieser schlichte Fakt mit Bezug auf Führung in Unternehmen weithin ignoriert zu werden. In der Vorstellung erscheint es nützlich, eine formale Führungsstruktur festzulegen. Wir versprechen uns davon Übersicht, Zuverlässigkeit, verantwortlichen Umgang mit Ressourcen, Struktur, Stabilität, Effizienz, Effektivität, Wirtschaftlichkeit und Produktivität, um die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Erwartungen zu nennen.

Ich habe absichtlich eine Geschichte aus dem Privatleben gewählt, um die Absurdität unseres geschäftlichen Anspruchsdenkens zu verdeutlichen. Im Privaten bestreiten wir nicht, dass die Dinge anders kommen als man denkt und Pläne nur so lange gültig sind, bis sich die wirkliche Situation einstellt. In der Situation wird immer und vor allem auch improvisiert. Oft werden alle Pläne von einem Moment auf den anderen, ohne großes Tamtam, langes wütendes Zetern oder gar sinnloses Festhalten am Plan über Bord geworfen. Es macht einen hie und da nachdenklich, wie selten unsere Pläne tatsächlich erfüllbar sind, dennoch verschwenden wir im Privaten wenig Zeit darauf, das zu diskutieren oder gar zu analysieren. Die Wirklichkeit schafft die Fakten und so ist es dann eben. Im Privaten vergeuden wir unsere Energie in der Situation auch nur im Ausnahmefall darauf zu diskutieren, wer jetzt gerade führt und ob dieser Führungsanspruch gerechtfertigt ist. Führung springt stattdessen zumeist flüssig und elegant von einer Person zur nächsten – zu Kindern, wie das Beispiel zeigt, beinahe unvermeidlich.

Es gibt sicherlich eine unausgesprochene Grundordnung, wer für was zuständig ist. Fixiert in Verträgen oder Diagrammen ist diese bestimmt nicht, und auch im täglichen Zusammenleben hat sie selten mehr Wert, als den einer groben, höchst flexiblen Richtschnur, die jederzeit neu geknüpft werden kann und wird. Werden Machtpositionen im Privaten eingeklagt, führt dass in den allermeisten Fällen, um nicht zu sagen immer, zu einer Handlungsblockade im System. Kinder weigern sich plötzlich trotzig und werden nicht selten über den physischen Kraftvorsprung der Eltern zum Mitgehen, Anziehen oder auch Ausziehen bewogen. Diese Dominanzmöglichkeit endet dann spätestens im Teenageralter und wird von der Einkommensgewalt abgelöst, die Eltern auf ihre Kinder ausüben können, bis diese ihr eigenes Geld verdienen und so auch diese Abhängigkeit verlieren. Im Privaten ist klar: Formale Macht einzuklagen, Anspruch darauf zu erheben und die anderen zu zwingen, nach diesen formalen Machtstrukturen zu handeln, blockiert die Handlungsfähigkeit des Systems, produziert Frust, Verbitterung sowie physische und psychische Wunden und ist weder produktiv noch effektiv, noch menschlich oder lebensbejahend.

Jetzt können Sie gerne Oliver durch einen aufsässigen aber intelligenten Experten ersetzen, Torsten zum Manager machen und seine Frau zu seinem Stellvertreter oder umgekehrt und aus Carlota wird ohne großen Aufwand eine ganz normale Arbeitskraft, die hin und wieder ein paar Streicheleinheiten braucht. Aus dem Eisbärspiel wird der neue Firmenwagen und Frau Hammer zur Geschäftsführerin. So schnell wird aus einem privaten Beispiel ein alltägliches Drama, wie es sich in unseren Unternehmen abspielt, leider ohne den versöhnlichen Ausgang, den wir im Privaten häufig erleben.
Wir glauben allen Ernstes, dass einige wenige Menschen, die wir Manager nennen, dazu fähig sind, all diese Hoffnungen auf gutes Gelingen für eine Organisation, egal wie groß, positiv umzusetzen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Es gibt einen Unterschied zwischen formalem Management und natürlicher Führung. Letztere hält sich schlicht nicht an formale Vorgaben. Sie ergibt sich aus dem Leben, sie ist zwingend ein sozialer Prozess. Die Konsequenz: Jede Form formalisierter Hierarchie behindert natürliche Führung ohne sie wirklich optimieren zu können. Sie verstockt lebendige Intelligenz zu einer Betonwüste, in der Wissen Macht ist und sinnhaftes Verhalten für das Gemeinwohl dem subjektiv egozentrischen Sinn geopfert wird: politische oder persönlichen Vorteile erhalten das Primat. Formalisierte, strukturierte Führung ist die Krankheit, für deren Heilung sie sich ausgibt.

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Eingeordnet unter 07 Management ist Geldverschwendung, Natürlich führen

Wenn der Bonus die Intelligenz dominiert [1]

An dieser Stelle wird oft eine Debatte zwischen intrinsischer Motivation und extrinsischen Motivatoren losgetreten. Die eine Seite argumentiert stichhaltig und glaubhaft, dass jeder Mensch bereits motiviert auf die Welt kommt und man ihm allerhöchstens seine Motivation zerstören kann. Die andere Seite führt ebenso nachweisbar dagegen ins Feld, dass ein Unternehmen die Ziele der Mitarbeiter in seinem Sinne koordinieren muss und Belohnung sowie Bestrafung als System erwiesenermaßen funktionieren. So ist etwa die Ausschüttung von Glückshormonen bei Belohnung und von Aggressionshormonen bei Bestrafung auf neurologischer Ebene messbar, kann nicht abgestellt werden und muss deshalb praktisch für die Koordinationsaufgabe genutzt werden. Alles andere wäre dumm. Die erste Gruppe kontert dann mit dem Verweis darauf, wie extrinsische Anreize die intrinsische Motivation korrumpieren und aus Menschen mittel- und langfristig willenlose, geistig abhängige Krüppel machen, die keinen eigenen Gedanken mehr fassen, geschweige denn selbständige Entscheidungen treffen können. Und diese Dressur auf materielle Anreize, dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit, könne ja wohl nicht Ziel von zeitgemäßer Arbeit sein. Diese Debatte geht dann gerne ungebremst weiter und am Ende sind nach wie vor beide Parteien überzeugt, Recht zu haben.

Was würde wohl passieren, wenn man beiden Seiten zustimmt? Was wirft das für ein Licht auf die Thematik der Anreizung, der Motivation und der damit verbundenen Leistung in Unternehmen?

Im Kern sagen die einen: Der Mensch ist motiviert. Die anderen sagen: Der Mensch wird motiviert. Beziehen wir das einmal auf uns selbst. Ich komme dabei zum Schluss: Ja! Sowohl das eine, wie auch das andere. Natürlich bin ich motiviert, habe ich aus mir heraus Gründe, Sehnsüchte und Bedürfnisse, die mich dazu bringen zu denken, zu entscheiden und zu handeln. Manche sind egoistisch andere beziehen meine Familie, Freunde und Bekannte mit ein und wieder andere die ganze weite Welt mit ihren Menschen, Tieren, Pflanzen und Landschaften. Diese innere Motivation ist eng verwoben mit den mir ganz persönlich wichtigen Werten, meinen Prägungen und Erfahrungen also dem Leben, das ich gelebt habe und lebe.
Dem gegenüber, entscheide und handle ich auch aufgrund von Reizen – möglichen Erfolgen, Misserfolgen, Strafen und Zuwendungen – die ich von meiner Umgebung erwarte und bekomme. So habe ich mich selbständig gemacht, weil ich mich in gängigen Autoritätsstrukturen nicht wohl fühle. Allerdings bin ich auch selbständig, weil man damit ein überdurchschnittliches Einkommen erzielen kann. Ich stehe morgens gern auf, weil ich generell zufrieden bin und mir mein Leben ganz grundsätzlich viel Spaß macht. Und ich stehe auf, da meine Kunden und Kollegen auf meine Mitarbeit und mein Sohn auf mein „ihn in den Kindergarten Begleiten“ vertrauen. Ich bin selbst überrascht, wie bedingungslos ich meine Kinder liebe und erwische mich dennoch regelmäßig dabei, wie ich um ihr Lächeln oder eine Umarmung heische und was ich bereit bin – nur dafür – zu tun. Diese äußeren Reize sind geprägt vom Wertekanon der mich umgebenden Gesellschaft. Davon, dass beispielsweise der Wert von Menschen in Deutschland von ihrem monetären Reichtum, materiellen Status und ihrer messbaren Leistungsfähigkeit abhängen. Wir haben uns eine Welt geschaffen, in der Mammon und materielle Befindlichkeiten einen hohen Stellenwert einnehmen und so kann es kaum überraschen, dass sich viele Menschen aufgrund der Möglichkeit eines ansprechenden Geldvermögens von ihren wahren inneren Motiven entkoppeln lassen.
Fazit: Ich bin aus mir heraus motiviert und reagiere auf Motivatoren von außen. Und damit stehe ich sicherlich nicht allein. Es findet eine ständige Interaktion, ein ständiges aufeinander Einfluss nehmen zwischen der intrinsischen Motivation und den extrinsischen Motivatoren statt. Wir sind hier, ob wir wollen oder nicht, einer permanenten Wechselbeziehung ausgesetzt oder anders gesagt, einem Zustand andauernder Instabilität. Unsere intrinsische Motivation agiert in Erwartung auf äußere Reize und reagiert drauf, wenn diese wirklich werden. In diesem Wechselspiel geht es nicht um das eine oder das andere. Es geht darum, die natürliche Verbindung von innen und außen nicht zu unterbrechen. Was bedeutet das nun für unser Arbeiten und für die Strukturierung von Unternehmen?

Zuerst einmal: Reize funktionieren und untrennbar davon Anreizung (leider) auch. Gerade deshalb sollten wir achtsam und demütig damit umgehen. Zugegeben: für Geschäftsführer, Vorstände und Führungskräfte ist es verführerisch, ihre Mitmenschen via Motivatoren für die Ziele des Unternehmens – oder besser noch die eigenen – einzuspannen. Dennoch birgt es dieselbe Gefahr, wie sie der Zauberlehrling von Goethe erlebt: „…die Not ist groß! Die ich rief, die Geister; werd ich nun nicht los.“

Wie entstehen solch katastrophale Situationen, in denen sich ein Unternehmen von den selbst gerufenen Geistern und ihren negativen Einflüssen nicht mehr befreien kann? Sie ergeben sich aus der Kluft zwischen geplanter Zukunft und eingetretener Wirklichkeit: wenn das Management die Interpretationsgewalt über die Wirklichkeit ausübt, wenn die Mitarbeiter nur noch mit den vom Management erfundenen Motivatoren in Kontakt stehen und nicht mehr mit den echten, die um das Unternehmen herum wirken.
Gibt man uns Menschen einen Plan und koppelt daran unsere Existenz und unser Einkommen, dann nutzen wir unsere Intelligenz, sobald wir den Plan akzeptiert haben, um die Vorgaben zu erreichen. So wie beim Zauberlehrling mit der Lehrstelle seine Existenz, davon abhängt, das Haus zu putzen. Wir reagieren auf die externen Motivatoren, die uns das Management anbietet. Das geschieht durchaus im Rahmen unserer inneren Motivation. Beim Zauberlehrling waren es Neugier, Bequemlichkeit, vielleicht ein bisschen Herrschsucht, jedenfalls innere Antriebe, die ihn Magie nutzen ließen, um nicht selbst Hand anlegen zu müssen. Dabei gilt: Je egoistischer der Mensch, umso leichter wird es ihm fallen, den Plänen und daraus abgeleiteten Anreizen, die andere für ihn gemacht haben, gerecht zu werden. Die persönliche Bedürfnisbefriedigung, die unter Umständen in der alltäglichen Arbeit fehlt, wird durch Aufstiege in Rangordnungen oder finanzielle Surrogate kompensiert. Der neue Porsche, die Rolex oder der teure Exklusivurlaub in das angesagteste Ressort. Nicht so egoistische Menschen, und das ist die Mehrheit, verlieren stattdessen schnell den Kontakt zu ihrer inneren Motivation und laufen ambivalent einmal den künstlichen Anreizen des Unternehmens hinterher und ein andermal der Sehnsucht, ihrem eigenen Antrieb Ausdruck zu verleihen. Das sind Menschen, die Autoren wie Reinhard Sprenger, Niels Pfläging, Andreas Zeuch, Gary Hamel und Co. in deren Denken zustimmen und wohlgesonnen Recht geben, zugleich in ihrem eigenen Arbeits-Alltag allerdings aus tausend kleinen Gründen nicht wirklich etwas ändern wollen. Bei ihnen wird die natürliche Verbindung zwischen intrinsischer Motivation und extrinsischen Motivatoren unterbrochen. An die Stelle der natürlichen externen Reize, wie etwa die Unzufriedenheit oder auch Euphorie des Käufers, tritt der künstliche Plan, beispielsweise in Form von Produktions-Stückzahl-Vorgaben, und die damit einhergehenden, meist monetären Ziele und Prämien.

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Eingeordnet unter 05 Der Bluff, Wenn der Bonus die Intelligenz dominiert

Goldene Nasen sind teuer – für alle!

2010 wurde in Großbritannien erstmals die Studie „a bit rich“ veröffentlicht. Sie untersucht die gesellschaftlichen Auswirkungen von Berufen und stellt eine Relation zwischen dem erzielten Einkommen und den volkswirtschaftlichen Kosten und Risiken her, die die jeweiligen Berufe verursachen. Konkret: Ein Marketingleiter eines Industriebetriebes, nehmen wir einmal einen Schokoladenhersteller, verdient zwischen fünfzigtausend und mehreren hunderttausend britischen Pfund. Er reizt Menschen dazu an, unvernünftig viel Schokolade zu kaufen und zu konsumieren. Er erzeugt Stress, wenn man die gewünschte Schokolade nicht bekommt, spielt die negativen gesundheitlichen Auswirkungen herunter und überhöht die empfundenen Glücksgefühle. Ja er verknüpft die Identifikation sogar mit der körperlichen Fitness von Profisportlern. All das ist in Ordnung, denn die gesundheitlichen Auswirkungen finden sich in den bereits erwähnten externen Effekten, für die seine Firma nicht verantwortlich gemacht wird. Die Studie „a bit rich“ hat diese externen volkswirtschaftlichen Effekte allerdings für das Berufsbild des Marketing-Direktors untersucht. Das Ergebnis: Für ihr Einkommen von fünfzigtausend bis zu mehreren hunderttausend Pfund zerstören sie elf Pfund für jedes Pfund, das sie als Wert generieren.

Dem Gegenüber stehen Berufe wie ErzieherIn, Krankenhausreinigungskraft oder Müllwerker, die allesamt für jedes Pfund das sie verdienen ein Vielfaches (bis zum Zwölffachen) an volkswirtschaftlichem Wert generieren. So sorgt die Müllabfuhr etwa dafür, dass wir uns nicht Seuchen und hoch ansteckenden Darmkrankheiten, üblem Gestank und dem öffentlichen Gewimmel von Ratten, Mäusen und anderen Krankheitsüberträgern aussetzen müssen. Zudem schließen sie den immer wichtiger werdenden Kreislauf des Recycling, das es ansonsten gar nicht geben könnte. Die Krankenhausreinigung sorgt ebenfalls für eine Hygiene, die sicher stellt, dass hochansteckende Krankheiten in so geringem Maße wie möglich das Hospital verlassen oder in ihm weitergegeben werden. Warum ErzieherInnen so wertvoll sind, muss man im allgemeinen Kanon des Zukunftswertes unserer Kinder nicht mehr weiter ausführen.
Daran festgemacht ist Erfolg im gesunden Wirtschaften der Gewinn, den ein Unternehmen erzielt. Erfolgreich sinnhaft wirtschaften heißt demgegenüber, die externen Effekte mit zu berücksichtigen und auch hier nach dem Bestmöglichen zu streben. So wie es etwa Yvon Chouinard, der Gründer der hochinnovativen Outdoorfirma patagonia vorlebt, die unter anderem PET-Flaschen zu hochwertigen Outdoorjacken recycelt.
Eine derart erfolgreiche Welt wird auch und gerade dann wahrscheinlicher, wenn mehr und mehr Menschen durch die Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Unternehmen materiell von demselben unabhängig werden. Die Abstimmung mit den Füßen bekommt in einer sinnhaften Welt einen wohlig vertrauensbildenden und beruhigenden Klang.

Hören Sie auf, der Vergangenheit nachzurennen

Als Manuel den Raum betrat fiel ihm zuerst der Geruch auf. Er kannte ihn nicht und doch konnte er ihn nur mit unangenehmen Dingen in Verbindung  bringen. Je tiefer er in den Raum hinein ging, umso penetranter drängte er sich durch die Nase über den Rachen in sein Gehirn. „Irgend eine Art Käse oder abgestandenes Frittierfett?“ dachte Manuel.

Es war ein frischer Morgen, an dem er in den Trödelmarkt eintauchte. Ein Stuhl war das Ziel seiner Wünsche, ein leicht angegammelter schlichter Holzstuhl, um das Werk darauf in Szene zu setzen. „Was für ein Werk“ dachte Joseph. „Dekadenz und Vergehen, Wohlstand und Kindesfreuden, Gold und Schmiere und das alles in einem Symbol vereint.“ Er war zufrieden mit sich und dem, was er heute (er)schaffen würde.

Man musste sich durch die Menge drängen, die in einer Mischung aus Faszination, Fassungslosigkeit, Ekel und Neu-Gier vor der Vitrine stand. Manuel war sich unschlüssig, ob er wirklich zur Quelle des Gestankes vorstoßen wollte, der sich bereits als Brausen zwischen seine Ohren gelegt hatte und ihm die Abscheu in Gänsehautwellen über den Körper rollen ließ. Doch weswegen war er sonst hier?

Der Stuhl war schnell gefunden und äußerst günstig erhandelt. Schwieriger war der Transport aus der Menge heraus und nach Hause. Dort angekommen ging Joseph zum alten stilechten amerikanischen Kühlschrank und öffnete die für europäische Verhältnisse viel zu große Tür. Da lag sie vor ihm, die goldgelbe Masse, fest und doch formbar, ein wirklich gutes Objekt für eine Installation. Er umwickelte sie mit Plastikfolie und packte alles in den Bottich voll Eiswasser, der vor dem Kühlschrank bereitstand. Jetzt noch Stuhl und Fett ins Museum und der Tag war perfekt.

Manuel wollte seinen Augen nicht trauen, auf einem alten, abgelebten Stuhl lagen einige Kilogramm Fett. Sie waren zu einem Keil geschnitten, so dass die Schräge von der oberen Stuhllehne bis zur Sitzfläche verlief. Das Fett charakterisierte sich durch eine unruhige Oberfläche mit unzähligen Riefen und Vertiefungen, die irgendwie ineinander liefen. Und es stank. Manuel fragte sich: „An was hat Joseph Beuys nur gelitten, damit ihm etwas derart Krankes als Ausdruck von Kunst abgenommen wurde? Und noch wichtiger, warum hat er es nur umgesetzt?“

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Eingeordnet unter 04 Requiem für die moderne Betriebswirtschaftslehre, Goldene Nasen sind teuer - für alle!, Hören Sie auf, der Vergangenheit nachzurennen

Wo fängt Verantwortung an? [1]

Manuel konnte Andreas nicht verstehen, weder seine Entschlossenheit, noch überhaupt die Entscheidung, die er so mir nichts dir nichts getroffen hatte. Zu kündigen, weil er nicht mehr zum Unternehmen stehen konnte, weil er keinen Sinn mehr in den Produkten sah, die sie herstellten und der Art, wie sie vertrieben wurden. Bis heute hatte Manuel viel Respekt vor Andreas gehabt, war er doch immer der Jüngste unter seinen Kollegen und einer der Besten gewesen. Mit dem Uniabschluss, der Doktorarbeit in Biochemie und dem Aufstieg beim internationalen Pharmakonzern. Dort hatte ihn alsbald der Vorstandsvorsitzende unter seine Fittiche genommen. Aufbaustudium in Harvard, Beteiligung an den strategisch wichtigsten Projekten und mit Ende Dreißig die Ernennung zum Direktor der Forschung und Entwicklung. Andreas hatte mehr als nur das Potenzial, er war  die Verkörperung der allerorten beschworenen Höchstleistung. Und so wurde es auch vergolten. Er residierte in einem klimatisierten Eckbüro hoch über der Stadt, fuhr jahrein, jahraus seinen neuen Wunschfirmenwagen, egal um welches Modell es sich handelte. Nur der Vorstandsvorsitzende selbst hatte ein noch höheres Einkommen. Selbst bei der Familie hatte der Konzern sich kompromissbereit gezeigt, als Andreas verlangte, dass er von zu Hause aus arbeiten wolle, um Zeit mit seinen Kindern und seiner Frau zu haben und nicht in einen Scheidungskrieg zu geraten.

„Wie kannst Du so etwas wegschmeißen?“ entgeisterte sich Manuel „Das macht man nicht!“ Er teilte die Entrüstung mit seiner Schwester, Andreas Frau, für die eine Welt zusammen gebrochen war.
Andreas selbst blieb ruhig. Manuels Reaktion entsprach der seines Chefs, als er ihm seine Entscheidung eröffnet hatte. Auch dieser zählte all die Vorteile auf: Stipendium, Gehalt, Boni, Tantieme, Auto, Firmen-Ferienwohnung, Incentives und Beförderungen. All das konnte nur eine Wirkung hervorbringen: Eine motivierte, loyale und höchstleistende Führungskraft. Sicherlich keinen Menschen, der plötzlich die Sinnfrage stellt und als Konsequenz daraus zum Schluss kommt, dass das Pharmabusiness keinen Sinn macht, schon gar nicht so wie es von internationalen Multis betrieben wird, um dann zu gehen.
Andreas hatte derweil ganz andere Probleme. In sechs Wochen war er zu einem internationalen Kongress in Wien als Keynote-Redner eingeladen und stand ganz alleine vor der Problematik, die Reise zu planen, das Flugticket zu kaufen, das Hotel zu buchen, den Abflugsteig zu finden, bis dorthin ein neues Mobiltelefon zu haben und zu wissen, wie er überhaupt zum Flughafen kommen sollte. Bis vor einer Woche wurde das von seinem Sekretariat organisiert und er erhielt alles per SMS auf sein Firmensmartphone mit dem Firmenvertrag, stieg in seinen Firmenwagen, in dessen Navigationssystem bereits via Netzwerk die Route eingespeichert war. Kaum auf dem Flughafen angekommen, erhielt er pünktlich die Nachricht, in welchem Gate er einchecken musste, wo die Business-Lounge war und wen er dort treffen würde, um vor dem Abflug noch Zerstreuung in einem mehr oder weniger interessanten Businessgespräch zu finden. So fühlte sich auch Andreas neben der Rolle, allerdings weniger weil er gekündigt hatte. In der Wirklichkeit der Welt 2.0 kam er sich wie ein archaischer, oder besser, ein über das Alter behindert gewordener Fremdköper vor, hilflos und dem Kleinkind näher als der erfahrenen Abgeklärtheit des Endvierzigers. Mit einem Lächeln dachte er daran, wie sein sechzehnjähriger Sohn ihm geholfen hatte, die möglichen Fluggesellschaften und Hotels via Internet zu finden, zu sortieren und schließlich zu buchen.

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Eingeordnet unter 02 Mythos Arbeit, Wo fängt Verantwortung an?

Wenn alle Arbeit haben ist alles gut [2]

Eine spannende These – gehen die brauchbaren Zahlen des Statistischen Bundesamtes doch, wie vorhin schon erwähnt, bis an die Anfänge der achtziger Jahre, genauer in das schöne Jahr Einundachtzig zurück, als die Welt noch in Ordnung war. Aber was sagen die Zahlen genau? Zuerst einmal beschreiben sie das Verhältnis zwischen den Erwerbspersonengruppen. Es waren damals nicht einmal vier Prozent Erwerbslose, also über sechsundneunzig Prozent Erwerbstätige – Vollbeschäftigung! Doch was sagen die Gesamtzahlen aus? Ob Sie es glauben oder nicht: Im Jahr Einundachtzig waren es siebenundfünfzig Prozent der Menschen im Bundesgebiet, die grundsätzlich keinem Erwerb nachgingen oder gerade einen suchten und deshalb keinen hatten. Also unter Vollbeschäftigung haben wir in Wahrheit mehr Menschen mit durchgeschleppt als heute. Schaut man sich die Zahlen über die Jahre hinweg an, stellt man fest: Die Quote derer, die gerade keinem Erwerb nachgehen, liegt immer zwischen vierundfünfzig und siebenundfünfzig Prozent der Menschen, die ihren Wohnsitz im Bundesgebiet haben.

Trotzdem werden Erwerbslose, Rentner, Hausfrauen, Halbstarke oder irgendwelche Menschen, die keinem Erwerb nachgehen, als Drückeberger, Last oder – noch schwerwiegender – Parasiten und Schmarotzer hingestellt. Dabei sind zwei Dinge zu beachten: Erstens in den letzten dreißig Jahren war das Verhältnis dieser Menschen zur Gesamtbevölkerung in Deutschland immer annähernd gleich, in wirtschaftlich guten Zeiten sogar eher etwas höher als in wirtschaftlich schlechten. Und zweitens, was noch viel wichtiger ist: Die weite Mehrheit dieser Menschen macht sinnvolle Arbeit. Sie erziehen Kinder, betreuen Eltern, bilden sich aus, halten ihren Ehepartnern den Rücken frei, sind ehrenamtlich tätig, helfen in Tafeln oder erklären ihren Schulkameraden Mathe. Sie sind nicht einfach nur beschäftigt, abhängig oder unabhängig, sie gehen wahrscheinlich einer erfüllenden und sinnvollen Arbeit nach.

Doch schauen wir ohne Ironie darauf, was sich seit Anfang der achtziger Jahre im Bezug auf Beschäftigung verändert hat. Im Verhältnis ist es offensichtlich nicht die Anzahl der Menschen, die von den Erwerbstätigen mit durchgefüttert werden. Stattdessen ist es wohl der Anspruch an die Erwerbstätigkeit selbst, der sich verändert hat. Eine These: Den Erwerbstätigen geht es gegen den Strich, dass sie die Maloche machen müssen, während eine beträchtliche Anzahl von Menschen Sinnvolleres mit ihrer Zeit anfängt. Augenscheinlich zu Lasten der überarbeiteten Erwerbstätigen. Oder anders gesagt: Papa hat die Schnauze voll davon, dass die Halbstarken und frühreifen Gören das schwer verdiente Geld in Konsum-Schnickschnack wie immer neuen Handymodellen, SMS-Orgien, Computerspielen oder mp3-Playern zum Fenster raus werfen.

Die Studie von Dr. Andreas Knabe aus dem Jahr 2009 „Dissatisfied with life, but having a good day“  zeigt Indizien für die Richtigkeit meiner These. Sie kommt zum Ergebnis: Angestellte sind zwar mit ihrem Leben als Ganzes zufriedner als Arbeitslose, unterteilt man allerdings den Arbeitstag in Arbeits- und Freizeitblöcke, zeigt sich: Die Angestellten sind während der Arbeit am unzufriedensten. Diese Unzufriedenheit gleichen sie dann durch eine höhere Zufriedenheit in der Freizeit wieder aus. Sprich, die Zeit des Arbeitens ist nicht zufriedenstellend und so wird es sicherlich die eine oder den anderen aufregen, wenn Menschen das Geld ausgeben, beziehungsweise von dem Geld leben, das man in dieser Unzufriedenheit verdient, während man selbst keiner befriedigenden Erwerbsarbeit nachgeht. Bitte beachten: In meiner These spreche ich nicht vom Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitslosen, wie Herr Knabe, ich spreche vom Verhältnis zwischen Erwerbspersonen und Nichterwerbspersonen.

Nehmen wir also an, die These stimmt, dann kann der Ruf nach Vollbeschäftigung doch nur ein geschmackloser Gag in einer Late-Night-Show sein und kein ernsthaftes Ansinnen seriöser intelligenter Menschen wie Politiker, Unternehmer- oder auch Gewerkschafts- und Verbandsvertreter und was es noch so alles gibt. Es kann doch nicht darum gehen, noch einmal drei Millionen Menschen in unglücklich machende Erwerbsverhältnisse zu bringen, die dann nur noch zweiundfünfzig Prozent Mitmenschen durchfüttern. Wenn es um etwas geht, dann darum, die inhaltliche Qualität der Beschäftigung zu verbessern oder wie ich es ausdrücke, statt Beschäftigung, statt Maloche erfüllte sinnvolle Arbeit anzubieten und zu ermöglichen. Menschen, die sich mit ihrer Arbeit erfüllen, die in ihrem Tun einen Sinn finden, diese Menschen kümmern sich nicht darum, wie viele sie mit durchfüttern. Sie beschweren sich nicht immerwährend über die Höhe ihres Salärs und sie hacken nicht auf irgendwelchen gebrochenen Existenzen herum, weil diese keinen Weg mehr zurück in die Gesellschaft finden. Stattdessen sind sinngekoppelte Menschen zufrieden, häufig mit einer positiven Grundeinstellung zum Leben ausgestattet und freuen sich auf den nächsten Tag, genau so wie sie den aktuellen gerne erleben.

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Eingeordnet unter 01 Arbeit platzt, Wenn alle Arbeit haben, ist alles gut