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Vom grellen Diktat eines Einzelnen in die wohlige Ambivalenz der Gemeinschaft

Was die NASA in ihrem Mensch-auf-dem-Mond-Projekt und Buzz Aldrin, einer der Haupt-Protagonisten des Erfolgs, erlebt haben, ist kein außergewöhnliches Phänomen. Wir alle sind ihm schon einmal begegnet und werden ihm noch häufig begegnen – sei es bezüglich eines Schul- oder Ausbildungsabschlusses, eines aufwändigeren und längeren Projekts oder dem ersten selbst geschnittenen Urlaubsfilm. Das Phänomen taucht fast immer auf, wenn wir ein konkretes Ziel oder sogar eine konkrete Vision verfolgt haben. Bis zum Erreichen sind wir euphorisch, konzentriert, gestresst, energetisch, überarbeitet, motiviert, interessiert bei der Sache und erleben noch einige andere Gemütszustände mehr. Wir betreiben Raubbau an uns, an unseren Beziehungen, am Leben überhaupt und wissen: Das ist es wert!

Alle Energie und Emotion richtet sich auf das Ziel oder die Vision, dort finden wir Halt, Orientierung und Grund – eben einen Sinn, an den wir uns koppeln. Wie von selbst priorisieren wir daraus stimmig unser Engagement und unsere zwischenmenschlichen Interaktionen. Alles passt zusammen bis, ja bis das Ziel oder die Vision erreicht ist. Dann „fallen wir in ein Loch“. Die Tiefe und Dunkelheit dieses Lochs hängt entscheidend von drei Faktoren ab.

  • Der Größe des konkreten Ziels,
  • wie viele Kollegen mit uns zusammen dasselbe Ziel erreicht haben und in das selbe Loch fallen sowie
  • von der Menge an persönlichen aktiven sozialen Kontakten, die für einen wichtig sind und nichts mit dem erreichten Ziel, der erfüllten Vision zu tun haben.

Anders ausgedrückt: Was uns sicherlich maßgeblich vor Buzz Aldrins Untergang rettet, sind Beziehungen zu Menschen, die nicht mit uns zusammen dasselbe Ziel oder dieselbe Vision erreicht beziehungsweise dafür gelebt haben. Menschen, die uns für das was wir sind wert schätzen und brauchen, egal welches konkrete Ziel oder welche konkrete Vision wir gerade verwirklicht haben.

Konkrete Ziele zu haben ist menschlich. Sie geben einem tatsächlich Orientierung, helfen dabei zu priorisieren, nutzen der Selbstkontrolle und haben einen nicht zu vernachlässigenden Anteil daran, die eigene Existenz mit Sinn zu erfüllen.
Allerdings gehören sie zum Individuum und sind deshalb für ein Unternehmen, das Nachhaltigkeit anstrebt, geradezu gefährlich. Als Organisation, die sich dem Menschen zuwendet, tut man gut daran, konkrete Ziele einzelnen Menschen oder kleinen Gruppen zu überlassen, die in einem größeren Ganzen eingebunden sind. So werden die Menschen emotional aufgefangen, wenn sie sicher von ihrer Mondmission zurückkehren, und leben sozial stabil weiter. Sie werden als fähige und talentierte Individuen mit ihren Fertigkeiten nach wie vor gebraucht, auch dann, wenn sie gerade ein noch so ambitioniertes Ziel erreicht haben.
Gefährlich für eine Organisation ist, so lehrt uns nicht nur das Beispiel der NASA, ein für das gesamte Unternehmen gültiges, konkretes, quotierbares, ambitioniertes und visionäres Ziel tatsächlich zu erreichen, denn danach wartet eben nicht die Reise zum Mars oder die Kolonialisierung des Orbits. Stattdessen findet man sich nicht selten in einer jahrzehntelangen Rechtfertigungskommunikation wieder, wozu man eigentlich noch existiert oder noch schlimmer, in einem kalten, depressiven, unsozialen und egoistischen Sumpf zwischenmenschlicher Abgründe, wie etwa sechs Monate nach dem Gewinn von DSDS.
Zu einem Unternehmen, das Sinnkopplung will, passen ambivalente, sich im Marktgeschehen automatisch verändernde und vor allem nicht kaskadierbare, weil in sich unvorhersehbare dynamische Ziele zur Erfolgsmessung. Wie die in Kapitel fünf beschrieben flexiblen Ziele. Es ist im Unternehmen auch sinnhaft über persönliche konkrete Ziele zu kommunizieren; ein Unternehmen sollte seinen Menschen allerdings die Möglichkeit zur Selbststeuerung im Rahmen von flexiblen, im Detail unscharfen Unternehmenszielen geben.
Der in Aussicht gestellte Lohn ist eine Firma, die ihre Existenz und ihren Wohlstand für und mit Menschen sichert. Wer hier arbeitet, tut es, um sich selbst sinnvoll zu verwirklichen, ohne dass wir antreiben und gängeln oder uns via Management antreiben oder gängeln lassen beziehungsweise, ohne dass wir mitlaufen müssen, in einer statistischen Masse unter dem Gipfel der Normalverteilung: personalverwaltet und ansonsten gleichgültig.

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Aufstieg und Fall – willkommen auf der dunklen Seite der Macht [1]

Klare Ziele, Visionen und Missionen sind Garanten für Erfolg

Kennen Sie die Kurzfassung der erfolgreichsten Ziel-Erfolgs-Geschichte der jüngeren Vergangenheit? Bestimmt! John F. Kennedy leitete sie 1961 ein: „I believe that this nation should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth.“
Er fordert sowohl ein klares Ziel, wie auch eine Vision und Mission. Denn schließlich war 1961 die Ansage, einen Menschen heil zum Mond und wieder zurück zu bringen, ungefähr so utopisch wie wenn Frau Merkel heute erklären würde: „Bis 2020 ist Deutschland frei von Schadstoffen und CO2-neutral.“
Am 24. Juli 1969 datiert man offiziell das Ende der Geschichte, auf einer Videowand der NASA wurde unterhalb des Zitats von John F. Kennedy verlautbart: „Mission Accomplished, July 1969“
Seither beweist diese Geschichte die positive und erfolgreiche Bindungs-, Begeisterungs-, Motivations- und Höchstleistungswirkung der Kombination: charismatischer Führer plus klares Ziel, klare Mission und/ oder Vision. Sie ist eine ebenso gern genutzte Metapher für Unternehmensstrategien und deren Erfolgsgeschichten wie als einstimmendes  Beispiel in ein anspruchsvolles und komplexes Projekt.

Aufstieg und Fall – willkommen auf der dunklen Seite der Macht

Bei so viel Heldentum und Sagen-hafter Leistung bedeutet nach den Aufwänden zu suchen, fast schon der Blasphemie anheim zu fallen. Jeder Preis scheint akzeptabel, bei so einem Ergebnis. Ist das so? Suchen Sie mit mir nach den Kosten für so viel Zieltreue.

Räumen wir zuerst einmal mit dem Glauben an die Notwendigkeit eines charismatischen Führers auf. In der Zeit von Kennedys Forderung bis das Ziel erreicht wurde gab es mit ihm, Lyndon B. Johnson und Richard Nixon drei verschiedene Präsidenten und noch mehr Führungspersönlichkeiten in der NASA, deren Charisma praktisch unbekannt ist. Ein charismatischer Führer schadet einem Projekt bestimmt nicht von vorne herein, unabdinglich notwendig ist er allerdings auch nicht.
Auch die heroisch menschlich daherkommende Forderungsbotschaft: „Wir bringen noch in diesem Jahrzehnt einen Menschen sicher zum Mond und zurück!“ ist kaum mehr, als die Vorlage zu einem Film-Drehbuch. Diese unglaubliche Leistung erklärt sich wesentlich vielfältiger und vielschichtiger als mit der schlichten Sehnsucht danach, auf den Mond zu reisen. Politisch überzeugender ist es, den historischen Rahmen des Kalten Krieges zu sehen und darin vor allem die Tatsache, dass die UdSSR bereits 1957 ein ernsthaftes Weltraum-Programm hatte, bevor die Vereinigten Staaten die Raumfahrt auch nur ansatzweise ernst nahmen. Was Kennedy allerdings zu seiner konkreten Zielaussage brachte, war der Fakt, dass es den Russen 1961 gelang, den ersten Menschen ins All zu schießen und wohlbehalten zurückzuholen. So grotesk es heute anmutet, ermöglichte gerade der hintergründig rauschende kalte Krieg und die Furcht der Amerikaner, vom Mond herab durch die Russen beherrscht zu werden, der NASA Wachstumsraten sowohl wirtschaftlich wie auch im Personalstamm von mehreren hundert Prozent in weniger als einem halben Jahrzehnt.

Nehmen wir einmal an, das für die Mondlandung öffentlich verbreitete klare Ziel, die Vision oder auch die Mission wäre nicht hilfreich und orientierend für die Organisation, wie es so viele Führungstheoretiker und anekdotische Beweise gerne darstellen. Dann stellen wir fest, es existierten eine Menge anderer, weniger populäre, komplexere und dennoch weitreichendere Ziele, aufgrund derer tatsächlich umgesetzt wurde. Warum das so ist beschreibt W.D. Kay in „Defining NASA: The Historical Debate Over the Agency’s Mission“. Diese anderen plausiblen Gründe versammeln unter sich altbekannte Ziele. Es ging um Macht, Vorherrschaft und Kontrolle sowie einen vielleicht bereits verloren geglaubten Wettstreit. Also um althergebrachte herrschaftliche Ansprüche und Werte, die wir gerne der amerikanischen Gesellschaft zuordnen.
Das weniger plakative aber wirkliche Ziel, wenn man es so nennen möchte, war es, die Dominanz des Weltraums oder zumindest des Orbits über der Erde nicht tatenlos an die UdSSR zu verlieren. Kennedy selbst rechtfertigte die Apollo Mission in einem späteren Interview mit den weit ehrlicheren Worten:

„ … not only [by] excitement or interest in being on the moon, but [by] the capacity to dominate space, which … I believe is essential to the United States as a leading free world power.“

Bestärkt wird dies von den Fakten, nach denen die USA bereits Mitte der sechziger Jahre in Sachen Weltall nicht nur mit der UdSSR gleich gezogen hatten, sondern bereits vorbei gestürmt waren. In einem Memo von 1966 meldet Ed Welsch von der NASA an Vizepräsident Hubert Humphrey die Erfolgsbilanz:

  • nahezu zweitausend Mann-Stunden im All, im Vergleich zu gerade einmal fünfhundertsieben sowjetischen,
  • mehr als elf Stunden an Raumspaziergängen, im Vergleich zu zwanzig russischen Minuten und
  • eine Liste von Erstlingen:
    Das erste manuelle Manövrieren im Orbit,
    das erste kontrollierte Raum-Rendezvous und
    das erste Andocken eines bemannten Raumschiffs an ein anderes Vehikel.
    Von denen die letzten beiden Punkte vom russischen Raumprogramm bis heute nicht erreicht wurden.

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Identität ist zur Integration von Menschen ungeeignet [1]

Vor nicht einmal vier Jahren war es auch mein Credo: Die Identität des Unternehmens ist zentral wichtig für die Bindung und Ausrichtung der Mitarbeiter. Gerade wenn man Sinnkopplung, sprich arbeiten Wollen, anstrebt. Wenn es keinen abhängigen Arbeitsvertrag mehr gibt, scheidet sich an der Identität des Unternehmens drinnen und draußen, zugehörig und fremd oder auch wir und die. Ich war überzeugt, je klarer und präziser die Unternehmensidentität gefasst, beschrieben und kommuniziert wird, umso einfacher ist es für den einzelnen Menschen, in seiner Sinnsuche anzukoppeln oder eben nicht. Und dafür konnte man dann wunderbar unternehmensübergreifende Verhaltensprinzipien erarbeiten. Das Ideal der klaren Unternehmensidentität war und ist häufig: Zufriedene Mitarbeiter gehen in eine freiwillige Sinnkopplung und erfüllen sich nach praktischen, kulturellen und philosophischen Maßstäben selbst.

Aus dieser Selbsterfüllung heraus, so nehmen wir an, entsteht die Energie, Produktivität und Leistung, von der wir alle schwärmen, wenn wir über wirklich gelungene Projekte, Geschäfte und Vorhaben sprechen. Jene Ereignisse, nach denen es tatsächlich allen Beteiligten besser ging als vorher. Fast alle haben wir diese Energie schon einmal gespürt. Sei es bei der Arbeit, wenn beispielsweise eine Insolvenz erfolgreich abgewendet wurde, in einem Vereinsengagement, an einem persönlichen Großereignis wie etwa der eigenen Hochzeit, wenn eines unserer Kinder geboren wird oder wenn die eigenen vier Wände endlich bezugsfertig sind. Mit dem Ergebnis waren wir uns sicher, die Strapazen, der Stress, der Einsatz, der Spaß, die durchwachten Nächte, die aufwändige Kommunikation und die ständigen zwischenmenschlichen Interaktionen haben sich gelohnt. Dieser Eindruck wird gefestigt und getragen von der Überzeugung: Alle haben am selben Strang in die gleiche Richtung gezogen. Sie haben sich mit dem Projekt, der Unternehmung, dem Vorhaben identifiziert und entsprechend ihre Prioritäten im Leben gesetzt.

Die Mehrheit derer, die so etwas schon einmal erlebt haben, sind überzeugt: Dieser Zustand der gemeinsamen Energie, Zufriedenheit und Freude sei zu bewahren und herstellbar. Mit Blick auf ein Unternehmen natürlich geregelt herstellbar. Schnell und gerne zieht man da den Umkehrschluss und nimmt an, weil sich alle identifiziert haben, ist die Identität des Projekts, Vorhabens oder Unternehmens der Schlüssel zu erfüllter, zufriedener, ja glücklicher Arbeit.
Nehmen wir einmal an, es gäbe die eine richtige, Sinn stiftende Identität für alle Menschen in einem Unternehmen. Sie kann durchaus für jedes Unternehmen anders sein, es könnte sogar eine Auswahl an richtigen Identitäten geben, aus der die Geschäftsführung dann die gefälligste aussucht und zur alleinig gültigen erklärt. Wozu führt eine alleinstehende scheinbar allgemein gültige (Leit-)Identität, wenn man sich einmal als Gruppe darauf einschwört? In den Nachrichten können wir es tagtäglich verfolgen. Sie fördert Kräfte in unseren Gesellschaften und Kulturen die ab- und ausgrenzen, Fundamentalisten und Radikale erzeugen, Unterdrückung und Missbrauch legitimieren, alles als Richtig oder Falsch sowie Gut oder Böse unterscheiden. Und wo tut sie das? Dort, wo es in Wirklichkeit um Meinung, Menschlichkeit, Interpretation und Toleranz geht. Navid Kermani bringt die Gefahr, die sich für unsere Unternehmen mit einer klar formulierten Unternehmens-Identität und einem vorgegebenen Leitbild verbindet, in seinem Buch „Wer ist wir?“ sehr gut auf den Punkt:

„Identifizierung gelingt dort, wo sie nicht auf Identität hinaus läuft.“

Ein unabdinglicher Bestandteil von Sinnkopplung ist, sich zu identifizieren, es heißt nicht, einer Unternehmensidentität oder einem Unternehmensleitbild Treue und Loyalität zu schwören. Was für ein Individuum, für einen einzelnen Menschen sinnvoll ist, nämlich eine persönliche Identität zu entwickeln und die eigene Verschiedenheit von anderen Menschen zu kennen und wert zu schätzen, kann ein Unternehmen schnell hin zu einem hermetisch abgeriegelten, sektenartigen sozialen Raum entwickeln. Für ein Unternehmen eine sinnvolle Identifikationsfläche zu entwickeln und zu pflegen heißt, die Gradwanderung zwischen einer starken Identität und Sektiererei in einem fortwährenden Prozess zu meistern. Gerade auch die Achtsamkeit dafür macht das Unternehmen in seiner Selbstreflexion lebendig. Wenn allerdings die Identität zur Grundlage für Richtigkeit, Verpflichtung oder Verantwortlichkeit wird, sind Mobbing, Fanatismus, Dogmatismus und Engstirnigkeit mit all ihren krankhaften organisatorischen Nebenwirkungen als Folgen mehr als wahrscheinlich.

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