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Das Grundgesetz kann einem Unternehmen viel Geld sparen [1]

Kennen Sie das Grundgesetz? Den Anfang – Die Würde des Menschen ist unantastbar – sicherlich. Doch wie geht es weiter? Es folgt eine ziemlich komplette Liste auch für Unternehmen anzustrebender Werte:

  • die freie Entfaltung der Persönlichkeit
  • Leben und körperliche Unversehrtheit
  • die Gleichheit/ Gleichberechtigung aller
  • die Freiheit des Glaubens, des Gewissens sowie des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses
  • Meinungsfreiheit
  • Versammlungsfreiheit
  • Gewährleistung der Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung
  • das Recht schriftlich oder mündlich Bitten und Beschwerden zu äußern
  • und noch einige staatsspezifische Punkte mehr.

Mit einer solchen Steilvorlage sollte man glauben, dass Firmen sich die übertriebene Energiekonzentration auf „Wertearbeit“ weitgehend ersparen – doch weit gefehlt. Werte werden von Unternehmen in groß angelegen Mitarbeiterbeteiligungsorgien diskutiert, definiert, niedergeschrieben und marketinggerecht gestylt veröffentlicht. Dabei würde es wohl reichen, das Grundgesetz einmal bewusst durchzulesen.
Warum wird in unserer sonst so auf Effizienz und Redundanzvermeidung getrimmten Unternehmenswelt dennoch so viel Zeit darauf verschwendet? Weil sie ein schönes Feigenblatt ist. Menschen in (schein-)strategische Unternehmensarbeit einzubeziehen sieht gut aus, verschafft vielen Beratern und Coaches fette Aufträge, und es ist viel einfacher, über einen gemeinsamen Wertekanon zu diskutieren und ihn immer wieder aufs Neue zu beschreiben, als diesen Werten wirklich gerecht zu werden. Dazu dürfte man nämlich die Entscheidung über die Verletzung von Werten nicht länger denjenigen überlassen, die vorzugsweise Deutungs- und Durchsetzungsmacht beanspruchen. Und da wären wir wieder bei Goethes Hammer und Amboss aus dem dritten Kapitel.

Im kürzlich erschienen Buch „Machtfrage Change“ von Torsten Oltmanns und Daniel Nemeyer wird deutlich, wie wenig übertrieben das alles ist. Die Autoren beklagen: Manager führen heute zu selten klar und eindeutig und nutzen die ihnen gegebene Macht zu selten. Sie gehen im Buch der Frage nach, was im Changemanagement entscheidend für ein gutes Ergebnis ist, erklären die Veränderungsmacht zu diesem Erfolgsfaktor und definieren sie auf Seite 179 so:

„ … die Fähigkeit, das eigene Weltbild und dessen Implikationen als verbindlich in einer Organisation durchzusetzen und gleichzeitig andere Weltbilder ins Abseits zu stellen und damit deren Implikationen zu bekämpfen.“

Dieser Satz verdient wahrhaftig das Prädikat „vollendeter Stalinismus“ (wenn Sie wollen auch „Maoismus“) – man muss nur einmal für „das eigene Weltbild“ „Marxismus-Leninismus“ (oder „Lehren des Großen Vorsitzenden“) einfügen und für „Organisation“ „Partei der Arbeiterklasse als führende Kraft“. Sie dürfen sich – falls sie nicht zustimmen – auf einen Platz im Arbeitslager einrichten. Naja – vielleicht nur auf Hartz IV. Die Autoren argumentieren aus der Idee des Konstruktivismus heraus und kommen zum Ergebnis: Die Wirklichkeit wird von dem bestimmt, der die Durchsetzungsmacht hat. Willkommen in der Welt der paradoxen Pseudorationalisten und Sozialdarwinisten, die weder mit Naturgesetzen, geschweige den oben aufgelisteten und scheinbar allseits angestrebten menschlichen Werten zu tun haben. Willkommen in der Welt, in der Menschenwürde das Papier nicht wert ist, auf dem sie versichert wird und in der die Machtfrage oder der Profit – also Herrschsucht und Habgier – immer vor der Frage nach Sinn stehen wird. In dieser Welt haben wir uns von einem sinngekoppelten Unternehmen verabschiedet. Das Buch ist erfolgreich, wird von der Presse gelobt und hat auf Amazon fünf Bewertungssterne. Eine große Leserzahl freut sich darüber, dass wieder einmal jemand die Macht übernimmt und nicht zu feige ist, es auch auszusprechen.
Leider muss sich diese Machtausübung nur sehr selten einer Realitätsprüfung stellen, wie etwa ein Verkehrssünder, den man eindeutig auf dem Foto der Blitzampel erkennen kann. Es ist allzu üblich, dass die Wirklichkeit in erlauchten Managementkreisen dem entspricht, was man sich vorstellen möchte und keineswegs dem, was Wirklichkeit ist. Später im Kapitel kommen wir auf den Umstand der Realitätsprüfung noch einmal zurück.

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Wenn der Bonus die Intelligenz dominiert [1]

An dieser Stelle wird oft eine Debatte zwischen intrinsischer Motivation und extrinsischen Motivatoren losgetreten. Die eine Seite argumentiert stichhaltig und glaubhaft, dass jeder Mensch bereits motiviert auf die Welt kommt und man ihm allerhöchstens seine Motivation zerstören kann. Die andere Seite führt ebenso nachweisbar dagegen ins Feld, dass ein Unternehmen die Ziele der Mitarbeiter in seinem Sinne koordinieren muss und Belohnung sowie Bestrafung als System erwiesenermaßen funktionieren. So ist etwa die Ausschüttung von Glückshormonen bei Belohnung und von Aggressionshormonen bei Bestrafung auf neurologischer Ebene messbar, kann nicht abgestellt werden und muss deshalb praktisch für die Koordinationsaufgabe genutzt werden. Alles andere wäre dumm. Die erste Gruppe kontert dann mit dem Verweis darauf, wie extrinsische Anreize die intrinsische Motivation korrumpieren und aus Menschen mittel- und langfristig willenlose, geistig abhängige Krüppel machen, die keinen eigenen Gedanken mehr fassen, geschweige denn selbständige Entscheidungen treffen können. Und diese Dressur auf materielle Anreize, dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit, könne ja wohl nicht Ziel von zeitgemäßer Arbeit sein. Diese Debatte geht dann gerne ungebremst weiter und am Ende sind nach wie vor beide Parteien überzeugt, Recht zu haben.

Was würde wohl passieren, wenn man beiden Seiten zustimmt? Was wirft das für ein Licht auf die Thematik der Anreizung, der Motivation und der damit verbundenen Leistung in Unternehmen?

Im Kern sagen die einen: Der Mensch ist motiviert. Die anderen sagen: Der Mensch wird motiviert. Beziehen wir das einmal auf uns selbst. Ich komme dabei zum Schluss: Ja! Sowohl das eine, wie auch das andere. Natürlich bin ich motiviert, habe ich aus mir heraus Gründe, Sehnsüchte und Bedürfnisse, die mich dazu bringen zu denken, zu entscheiden und zu handeln. Manche sind egoistisch andere beziehen meine Familie, Freunde und Bekannte mit ein und wieder andere die ganze weite Welt mit ihren Menschen, Tieren, Pflanzen und Landschaften. Diese innere Motivation ist eng verwoben mit den mir ganz persönlich wichtigen Werten, meinen Prägungen und Erfahrungen also dem Leben, das ich gelebt habe und lebe.
Dem gegenüber, entscheide und handle ich auch aufgrund von Reizen – möglichen Erfolgen, Misserfolgen, Strafen und Zuwendungen – die ich von meiner Umgebung erwarte und bekomme. So habe ich mich selbständig gemacht, weil ich mich in gängigen Autoritätsstrukturen nicht wohl fühle. Allerdings bin ich auch selbständig, weil man damit ein überdurchschnittliches Einkommen erzielen kann. Ich stehe morgens gern auf, weil ich generell zufrieden bin und mir mein Leben ganz grundsätzlich viel Spaß macht. Und ich stehe auf, da meine Kunden und Kollegen auf meine Mitarbeit und mein Sohn auf mein „ihn in den Kindergarten Begleiten“ vertrauen. Ich bin selbst überrascht, wie bedingungslos ich meine Kinder liebe und erwische mich dennoch regelmäßig dabei, wie ich um ihr Lächeln oder eine Umarmung heische und was ich bereit bin – nur dafür – zu tun. Diese äußeren Reize sind geprägt vom Wertekanon der mich umgebenden Gesellschaft. Davon, dass beispielsweise der Wert von Menschen in Deutschland von ihrem monetären Reichtum, materiellen Status und ihrer messbaren Leistungsfähigkeit abhängen. Wir haben uns eine Welt geschaffen, in der Mammon und materielle Befindlichkeiten einen hohen Stellenwert einnehmen und so kann es kaum überraschen, dass sich viele Menschen aufgrund der Möglichkeit eines ansprechenden Geldvermögens von ihren wahren inneren Motiven entkoppeln lassen.
Fazit: Ich bin aus mir heraus motiviert und reagiere auf Motivatoren von außen. Und damit stehe ich sicherlich nicht allein. Es findet eine ständige Interaktion, ein ständiges aufeinander Einfluss nehmen zwischen der intrinsischen Motivation und den extrinsischen Motivatoren statt. Wir sind hier, ob wir wollen oder nicht, einer permanenten Wechselbeziehung ausgesetzt oder anders gesagt, einem Zustand andauernder Instabilität. Unsere intrinsische Motivation agiert in Erwartung auf äußere Reize und reagiert drauf, wenn diese wirklich werden. In diesem Wechselspiel geht es nicht um das eine oder das andere. Es geht darum, die natürliche Verbindung von innen und außen nicht zu unterbrechen. Was bedeutet das nun für unser Arbeiten und für die Strukturierung von Unternehmen?

Zuerst einmal: Reize funktionieren und untrennbar davon Anreizung (leider) auch. Gerade deshalb sollten wir achtsam und demütig damit umgehen. Zugegeben: für Geschäftsführer, Vorstände und Führungskräfte ist es verführerisch, ihre Mitmenschen via Motivatoren für die Ziele des Unternehmens – oder besser noch die eigenen – einzuspannen. Dennoch birgt es dieselbe Gefahr, wie sie der Zauberlehrling von Goethe erlebt: „…die Not ist groß! Die ich rief, die Geister; werd ich nun nicht los.“

Wie entstehen solch katastrophale Situationen, in denen sich ein Unternehmen von den selbst gerufenen Geistern und ihren negativen Einflüssen nicht mehr befreien kann? Sie ergeben sich aus der Kluft zwischen geplanter Zukunft und eingetretener Wirklichkeit: wenn das Management die Interpretationsgewalt über die Wirklichkeit ausübt, wenn die Mitarbeiter nur noch mit den vom Management erfundenen Motivatoren in Kontakt stehen und nicht mehr mit den echten, die um das Unternehmen herum wirken.
Gibt man uns Menschen einen Plan und koppelt daran unsere Existenz und unser Einkommen, dann nutzen wir unsere Intelligenz, sobald wir den Plan akzeptiert haben, um die Vorgaben zu erreichen. So wie beim Zauberlehrling mit der Lehrstelle seine Existenz, davon abhängt, das Haus zu putzen. Wir reagieren auf die externen Motivatoren, die uns das Management anbietet. Das geschieht durchaus im Rahmen unserer inneren Motivation. Beim Zauberlehrling waren es Neugier, Bequemlichkeit, vielleicht ein bisschen Herrschsucht, jedenfalls innere Antriebe, die ihn Magie nutzen ließen, um nicht selbst Hand anlegen zu müssen. Dabei gilt: Je egoistischer der Mensch, umso leichter wird es ihm fallen, den Plänen und daraus abgeleiteten Anreizen, die andere für ihn gemacht haben, gerecht zu werden. Die persönliche Bedürfnisbefriedigung, die unter Umständen in der alltäglichen Arbeit fehlt, wird durch Aufstiege in Rangordnungen oder finanzielle Surrogate kompensiert. Der neue Porsche, die Rolex oder der teure Exklusivurlaub in das angesagteste Ressort. Nicht so egoistische Menschen, und das ist die Mehrheit, verlieren stattdessen schnell den Kontakt zu ihrer inneren Motivation und laufen ambivalent einmal den künstlichen Anreizen des Unternehmens hinterher und ein andermal der Sehnsucht, ihrem eigenen Antrieb Ausdruck zu verleihen. Das sind Menschen, die Autoren wie Reinhard Sprenger, Niels Pfläging, Andreas Zeuch, Gary Hamel und Co. in deren Denken zustimmen und wohlgesonnen Recht geben, zugleich in ihrem eigenen Arbeits-Alltag allerdings aus tausend kleinen Gründen nicht wirklich etwas ändern wollen. Bei ihnen wird die natürliche Verbindung zwischen intrinsischer Motivation und extrinsischen Motivatoren unterbrochen. An die Stelle der natürlichen externen Reize, wie etwa die Unzufriedenheit oder auch Euphorie des Käufers, tritt der künstliche Plan, beispielsweise in Form von Produktions-Stückzahl-Vorgaben, und die damit einhergehenden, meist monetären Ziele und Prämien.

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Master & Servant [2]

Ob Sie es glauben oder nicht, die Geschichte ist wahr und hat sich so zugetragen. Worum geht es dabei? Immo Sennewald nennt es in seinem Buch „Der menschliche Kosmos“ das Dominanzprinzip und beweist anhand der Goetheschen Metaphern »Leiden oder triumphieren« und »Amboss oder Hammer sein«, dessen kulturellen Rang. Andreas wird von der Verwaltung, einem identitätslosen Massenapparat, zum Amboss gemacht. Das kann er nicht auf sich sitzen lassen und probt den Aufstand mit dem Ziel, selbst Hammer zu werden. Jetzt wird der Chef von der Verwaltung zum Leidenden erklärt und versucht seinerseits zu triumphieren. Derweil haben Andreas‘ Mitarbeiter nicht einmal die Chance, in die Nähe des Hammers zu kommen. Gleich zwei zu Naturgesetzen erhobene Kulturphänomene macht diese Geschichte deutlich:
Erstens, das Prinzip des Siegens um jeden Preis. Es geht nicht um die Kosten, den Aufwand oder das Leid, das damit verursacht wird. Es geht um den Sieg. Keiner hat am Ende überprüft, ob die Aufwandsanalyse korrekt war und das Unternehmen an dieser Stelle wirklich Geld verschwendet hat. Schließlich ist klar, dass der Gewinner auf jeden Fall auch Recht hat: Das Recht des Stärkeren. Es ist immer noch Grundpfeiler der Alltagskultur. Die Machtfrage – die Entscheidung in der Frage „Wer – wen“ sagen Leninisten – sie geistert in allen irgend vorstellbaren Verkleidungen und Masken durch die Managementliteratur. Durch Verweise auf historische Vorbilder von Alexander bis Friedrich dem Großen, von Scharnhorst bis Steve Jobs befestigen karrieregeile Autoren die Einstellung: Zum Erfolg braucht es Dominanz.
Zweitens, Das Schuldprinzip von Ursache und Wirkung oder hier im Speziellen, die Fokussierung auf eine in der Vergangenheit durchgeführte Analyse – Leistungsmessung – zum Zweck der Handlungsveränderung in der Gegenwart – Mitarbeiterentlassung. Es wird nicht versucht die Ziele, Visionen und die Strategien von Andreas und seinen Mitarbeitern zu verstehen. Es wird nicht geschaut wo diese Menschen hin wollen, hin könnten. Stattdessen wird untersucht, was sie irgendwann einmal nicht gut genug gemacht haben, also woran sie schuld sind. Im Anschluss geht es dann darum, das „falsche“ Vergangene „richtig“ zu machen, zu korrigieren. Das gelänge, wenn wir via Zeitreise etwas in der Vergangenheit korrigieren könnten. Wir Menschen handeln allerdings immer in der Gegenwart in die Zukunft hinein. Selbst wenn wir einen vergangenen Fehler zu korrigieren versuchen, schaffen wir dadurch nur eine neue und andere Wirklichkeit. Auch das erörtert „Der menschliche Kosmos“, und er zeigt, wie unser fortwährend Zukunft und Vergangenheiten konstruierendes Gehirn uns auf Kausalität fixiert, auf fortwährende Suche nach Fehlern und Schuldigen. „Das älteste und unentbehrlichste Haustier des Menschen“, meint Sennewald lakonisch, „ist der Sündenbock“.
Wollen wir kooperativ und lebensbejahend zusammen arbeiten, gilt es, unsere Dogmen von Dominanz und Schuld zu verlassen. Lassen wir sie am Wegesrand zurück, haben wir die Wahl, ob wir in eine Konfrontation gehen, um auf Basis von Aggressivität, gar Destruktivität zu siegen und Recht zu haben oder auf Grundlage von Kooperation und Vitalität die Zukunft zu gestalten. Natürlich kann man uns Menschen auf Herren und Diener reduzieren, wer es nicht tut, schafft vor allem sich selbst neue Handlungs- und Möglichkeitsräume!

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Eingeordnet unter 03 Menschenbildstörung, Master and Servant