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Lange Haare und eine Schrottkarre, so geht es nun wirklich nicht!

Nach neuen Monaten in der Firma hatte Edu sich mit seinen Ideen, die Mitarbeiter sukzessiv in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und Probleme offensiv anzupacken, auch den Respekt des kaufmännische Leiters erworben. So wurden Rahmenverträge im Einkauf nicht mehr nach dem besten Preis abgeschlossen. Stattdessen gab es eine Verhandlung zwischen Fachkräften, dem Lieferanten und ihm als zentralen Einkäufer, die maßgeblich die Serviceleistungen der Lieferanten bewerteten. Nun suchte Achim, der kaufmännische Leiter, ab und an in den Mittagspausen das Gespräch mit ihm.

Und das, obwohl er ansonsten eher ein Tollpatsch war, schließlich bekleckerte sich Edu regelmäßig oder redete zu laut. Achim war ein korpulenter, großer, dunkelhaariger Mann Anfang 40. Die weit fortgeschrittene Glatze ließ seinen Kopf noch größer erscheinen, als er von Natur aus war. Wie es sich für den Finanzer gehört, kleidete er sich immer in Anzug und Krawatte, auch wenn er damit allein war. Blitzgescheit, schnelle Auffassungsgabe, schlagfertig, souverän sind weitere Vokabeln, die nicht fehlen dürfen, will man ihn beschreiben. Die Gespräche mit ihm verliefen jedes Mal nach einem ähnlichen Strickmuster. Schien es ihm doch ein wichtiges Anliegen, Edu den tieferen Sinn seiner Anstellung und seiner Existenz im Unternehmen begreiflich zu machen. Die Gespräche verliefen so: Achim setzte sich neben Edu und sie stiegen ein über Politik, den neuesten Firmentratsch, die finanzielle Situation in Edus Geschäftsbereich oder ähnliche Themen. Nachdem Achim ihn auf Betriebstemperatur hatte, schwenkte er zielsicher auf das Angebot des Firmenwagens ein, das Edu inzwischen dreimal ausgeschlagen hatte und darauf, dass sein alter Käfer wohl kaum repräsentativ für die Firma an sich und seine Position in der Firma im Speziellen war. Auch der Seitenhieb auf die längeren Haare war unvermeidbar.
Edus Konter, dass er sowieso in fünfundneunzig Prozent der Fälle mit einem Mietwagen oder einem Auto aus dem Fahrzeugpark der Niederlassung für die Firma unterwegs war, konnte Achims Ansturm kaum etwas entgegen setzen. Entsprach es doch den Tatsachen, dass Edu regelmäßig ein anderes Auto ausleihen musste, weil sein Käfer wieder einmal nicht fahrtauglich war.
Kaum war die erste Salve abgefeuert ging es in freundschaftlichem Ton und verschärftem Tempo weiter. Wann Edu denn näher zum Unternehmen ziehen würde? Die zweieinhalb Stunden Fahrt jeden Tag sind ja auch nicht gerade der Spaß und irgendwann wird sicherlich unter dem Stress auch die Arbeitsleistung leiden. Jetzt, nachdem die Probezeit rum ist und er die Position sicher habe, soll Edu sich das schon genau überlegen.
Edu wollte sich verkniffen rechtfertigen und stellte dagegen, dass er ja auch viele Reisen für das Unternehmen mache und nahezu in keiner Woche die vollen fünf Tage im Büro sei und es dann egal ist, ob er eine Reise quer durch Deutschland vom Firmenstandort oder von zu Hause aus beginne. Zudem, und hier fiel er wiederholt auf Achim herein, wollte er ja mit seiner langjährigen
Freundin zusammen ziehen. So lange sie allerdings noch in der Ausbildung war, kam für sie kein Wohnortwechsel in Frage und zweimal innerhalb von 18 Monaten umzuziehen, schien Edu nicht gerade sinnvoll.

Die Beziehung war die Steilvorlage für Achim und unverrichteter Dinge befand sich die Diskussion in der Fragestellung, ob es nicht auch an der Zeit wäre, diesem Teil von Edus Leben eine verbindlichere Form zu geben. Kaum waren die beiden an diesem Punkt angelangt machte Edu trotzig und stur zu und erklärte, dass Achim das wohl überhaupt nichts angehe und er sich ja auch nicht in seine Ehe einmischen würde. Diese emotionale Reaktion von Edu nahm Achim gerne zum Anlass, um das Gespräch mit den Worten zu beenden: „Ich weiß ja nicht, warum Sie sich so vor der Übernahme von Verantwortung und vor Verbindlichkeit fürchten, mir jedenfalls tut mein zuverlässiges Fahrzeug, mein kurzer Anfahrtsweg und meine Ehe sehr gut!“

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Eingeordnet unter 09 kein Ring sie zu knechten, Macht unterläuft Sinn

Kein Schlaraffenland und doch eine schöne neue Welt

„Sinnkopplung, Sinnkopplung!“ Sabine wurde schon beinahe hysterisch, weil sie das Wort nicht mehr hören konnte. Seit einigen Wochen war es ihr Unwort des Jahres. Oder anders gesagt, seit ihr Mann, Andreas, danach strebte. Bis dahin waren sie das gutbürgerliche Ideal gewesen: Verheiratet, zwei Kinder, beide studiert, er hatte eine gehobene Führungsposition, sie war nach der Babypause in den Beruf zurückgegangen und arbeitete in einer Querschnittfunktion der Direktionsebene ihres Unternehmens zu. Für ihren durchaus anspruchsvollen aber keineswegs übertriebenen Lebensstil hatten sie ausreichend Geld, und man sollte annehmen, dass die damit möglichen privaten Freiheiten ausreichten, um stressige und unbefriedigende Zeiten im Job kompensieren zu können. Doch weit gefehlt. Sie wusste zwar, dass ihr Mann seit Jahren mit seiner Arbeit eher unzufrieden war, wie schlimm es wirklich stand, hatte er allerdings erst in den vergangenen Monaten zum Ausdruck gebracht. Der Auslöser war eine Situation, in der Andreas beinahe seine Anstellung verloren hatte.

Andreas war in seinem Geschäftsbereich zuständig für IT und damit natürlich auch für das Thema IT-Sicherheit. Eines Tages wurde ein Mitarbeiter aus einem anderen Geschäftsbereich bei ihm vorstellig und wies ihn auf Sicherheitslücken in der Unternehmens-IT hin. Andreas verlangte Beweise und sagte seinem Kollegen, wenn es so einfach wäre, solle er doch von außen in das Rechenzentrum des Unternehmens eindringen. Am nächsten Morgen legte ihm der Mitarbeiter Unterlagen vor, die eindeutig aufzeigten, dass er in der vergangenen Nacht von zu Hause aus Dinge im Rechenzentrum verändert hatte. Andreas ging damit sofort zur Geschäftsführung und wurde von ihr maßlos überrascht. Weder ging sie auf den Sachverhalt der offensichtlichen Sicherheitsmängel ein, noch ergriff sie Maßnahmen, daran etwas zu ändern. Stattdessen wurde ihm aufgezeigt, welche disziplinarischen Verfehlungen er begangen hatte, weil er nicht gleich gestern – ohne Beweise – mit dem Anliegen zur Geschäftsführung kam, den direkten Vorgesetzten des Mitarbeiters nicht hinzugezogen hatte und er den anderen Geschäftsbereich offensichtlich noch immer nicht informiert hatte, welche Art illegaler Recherchen ihr Mitarbeiter in seiner Freizeit betrieb. Der Personalleiter nahm Andreas gleich im Anschluss an die Besprechung zur Seite und erklärte ihm im Vertrauen: „Die Sache sieht nicht gut für sie aus. So wie die Dinge stehen, muss jemand die Verantwortung übernehmen und mit ihrem Vorgehen, haben sie sich praktisch zum Top-Kandidaten gemacht.“ Andreas verstand die Welt nicht mehr.

In der Folgewoche war er das Zentrum einer politischen und intriganten Schlammschlacht zwischen den beiden Geschäftsbereichen und ihren Führungskräften. Als guter Taktiker, der er über die Jahre geworden war, konnte er sich sukzessiv aus dem Zentrum des Getümmels an seine Peripherie bewegen und von dort aus zusehen, wie der aufdeckende Mitarbeiter, sein direkter Vorgesetzter und einer seiner eigenen Teamleiter die Verantwortung für den Sachverhalt und damit ihren Hut nehmen mussten. Die Gründe, warum es diese Personen traf, waren einfach: Der Entdecker des Sicherheitslecks hatte sich illegal verhalten und war aus wichtigem Grund fristlos und ohne Entschädigungszahlung kündbar. Sein Vorgesetzter hatte offensichtlich in der Vergangenheit versäumt, die Sicherheitslücke, für die im übrigen ein anderer Bereich formal zuständig war, zu schließen. Außerdem stand er schon geraume Zeit auf der Abschussliste des gesamtverantwortlichen Personalleiters. Er wurde abgemahnt und es wurde mit ihm eine betriebliche Kündigung mit reduzierter Entschädigung vereinbart. Andreas‘ Teamleiter war ein Bauernopfer, seine Anstellungszeit war die kürzeste und somit konnte man sich von ihm am Einfachsten trennen.
Es war nicht das erste Mal, das Andreas so etwas miterlebte. Allerdings hatte er sich zum ersten Mal selbst auf der Anklagebank wiedergefunden und musste mit miesen Tricks seine Anstellung retten. Mit dieser Aktion verlor die Anstellung in seinen Augen jeden Wert. Die Entwertung wurde dabei noch dadurch beschleunigt, dass er nicht wusste, ob das Sicherheitsproblem inzwischen beseitigt worden war. Danach zu fragen, wollte und konnte er sich nicht erlauben.
Was er sich erlaubte, war die Suche nach einem anderen Job. Doch dieses Mal waren nicht Karriereaussichten, Einkommen oder Firmenwagen die Maßstäbe für eine gute Anstellung. Nach über fünfzehn Jahren in der Befriedigungsmaschine für die Karriere und die vagen Vorstellungen dessen, was ein gutes Leben ausmacht, wollte er endlich etwas Sinnvolles tun, dass ihn vor allem erfüllte.

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Eingeordnet unter 08 sinnhaft leisten, Kein Schlaraffenland und doch eine schöne neue Welt

Master and Servant [1]

Andreas war jetzt seit einigen Jahren mit der Bereichsleitung betraut. Im Konzern war es einer der kleinsten Bereiche, zählten zu ihm doch gerade einmal 28 Mitarbeiter, Führung inklusive. Da kannte jeder jeden persönlich. Trotzdem war es ein selbständiger Geschäftsbereich, denn Andreas trug die Verantwortung für die Entwicklung, die Produktion, die Verpackung und die Vertriebslogistik des Produktes und sein Vorgesetzter war Mitglied des Direktionsgremiums des Standortes. Darüber kam nur noch die Konzernzentrale. Ihr Produkt war eine Cash-Cow – wenig und kontrollierter Aufwand bei zugleich enormem Ertrag. Andreas hatte so etwas wie Narrenfreiheit, war er doch der einzige im ganzen Konzern, der wirklich die gesamte Versorgungskette und das Produkt mit seinen physikalischen und chemischen Eigenschaften kannte. An diesem Freitagmorgen bekam er eine Nachricht, die den Narren in ihm heraus forderte.

Ohne Zwischenstation über seinen Chef erhielt er aus einem Verwaltungsbereich der Konzernzentrale die Anweisung bis zum kommenden Dienstag eine Liste von drei Mitarbeitern zu erstellen, die laut seiner Einschätzung entbehrlich waren. Grund: Im Rahmen von COPE (Cost Efficiency Personal Economization) hatte eine Analyse der Leistungsdaten ergeben, dass in seinem Bereich 3,4 Mitarbeiter über Bedarf arbeiteten. In einem Vorstandsbeschluss war daraufhin entschieden worden, alle entsprechenden Potentiale auf die nächst niedrigere Zahl abzurunden und als Zielvorgabe für die notwendigen Einsparungen festzulegen. Andreas balancierte das Memo einige Zeit zwischen seinen Fingern, füllte die darunter aufgedruckte Tabelle aus, die zur Rückmeldung genutzt werden sollte und schickte das Memo via Fax zurück an die Verwaltung. Knapp eine halbe Stunde später wurde er in das Büro seines Chefs zitiert; jetzt musste er schmunzeln.
„Was hast du dir dabei gedacht!?“ Andreas Chef überging jede Begrüßungsfloskel „Mich, dich und deine einzige Führungskraft auf die Liste zu setzen?“ Ohne Eile setzte sich Andreas auf den Stuhl gegenüber dem schweren Schreibtisch. „Na ja, auf dem Memo stand: Die Mitarbeiter, die laut meiner Einschätzung am entbehrlichsten sind. Du, der Kollege und ich sind nur mit administrativen Aufgaben betraut. Wenn wir gegangen werden läuft die Produktion und damit die Wertschöpfung problemlos weiter, bis es eine Produktänderung zu geben hat, und die kann ja dann auch die Zentrale vorgeben.“ Sein Chef wogte gegen die schelmische Ruhe von Andreas an, der nicht von seinen Vorschlägen abwich. Das Ende vom Lied: Niemand wurde entlassen.

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Eingeordnet unter 03 Menschenbildstörung, Master and Servant