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Sinnkopplung in der Praxis

Liebe Leserinnen und Leser,

in Gesprächen mit meinen Kunden geht es auch immer wieder um die ganz praktische Anwendung von Sinnkopplung. Wer die Unterschiede/ Beziehungen/ Abrenzungen zwischen Sinn, Identität, Sinn stiften und Sinnkopplung verstanden hat, möchte mit Sinnkopplung anfangen zu arbeiten.

  • In welchen Situationen nützt mir mein Wissen um Sinnkopplung?
  • Wie wende ich es an?
  • Was kann ich damit erreichen?

Das sind beispielhafte Fragen, die mir gestellt werden. Für die Arbeit mit Sinnkopplung im Alltag hilft es sehr, sich die Kopplungszustände zu verdeutlichen. Stellen wir uns dazu zwei Menschen vor, die miteinander zu Fuß unterwegs sind und kommen dann zu den unterschiedlichen Zuständen:

  1. Sinngekoppelt:
    Die beiden Menschen gehen Hand in Hand oder gar Arm in Arm. Sie sind sich so nahe, dass sie kaum etwas sagen müssen, wollen Sie die Richtung ändern, über die Straße gehen oder vor einem Schaufenster stehen bleiben. Sie handeln nahezu als Einheit und verstehen sich mit winzigen, von anderen kaum wahrnehmbaren Gesten, kurzen Kommentaren und Blicken. In dieser Verbundenheit nehmen sich gewollt wahr, sind gegenüber den Handlungsimpulsen der/s anderen tolerant und aufmerksam. Sie teilen den Weg, den sie zusammen gehen und empfinden ihn als gemeinsame Strecke, die ohne den anderen deutlich ärmer wäre. Sie wollen zusammen gehen. Sie wollen aufeinander acht geben. Sie wollen mit dem anderen Aufmerksam sein für die gemeinsamen Ziele und respektvoll gegenüber den individuellen Zielen, denen sie im Rahmen ihres Weges begegnen. Sie gehen gerne eine Teilstrecke des Weges für die/ den anderen. Wenn sie sich treffen, um miteinander zu gehen, ist jede/r für sich vorbereitet. Jede/r weiß, wohin sie/er heute gehen, was sie/er erreichen könnte. Jede/r hat mehrere Alternativen im Kopf. Sie nehmen Rücksicht aufeinander und klären schnell, wohin sie gemeinsam gehen wollen. Im Vordergrund steht, den Weg zusammen zu gehen.
    Sinngekoppelt sein heißt: Zusammen arbeiten gibt Energie, macht Freude und sichert die eigene Existenz.
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  1. Nicht gekoppelt:
    Die Menschen gehen nebeneinander her. Ab und zu unterhalten sie sich und weisen sich daraufhin, wenn etwa jemand die Richtung ändern oder die Straße überqueren möchte. Sie achten aufeinander, um den Abstand zu wahren und nicht zusammen zu stoßen. Die Handlungsimpulse der/s anderen werden geprüft und bei Übereinstimmung mit den eigenen Interessen gerne aufgenommen. Man ist zu Kompromissen bereit, wenn auch ein eigener Nutzen daraus absehbar ist. Wenn sie sich treffen, um miteinander zu gehen, wird zuerst geprüft, welchen Weg die/ der andere seit dem letzten Treffen zurückgelegt hat. Es wird abgewägt, welchen Wert die zwischenzeitlichen Handlungen für den jeweils anderen haben. Zusammen zu gehen ist unterhaltsam und angenehm. Geht man getrennte Wege, wird allerdings kein oder kaum ein Verlust wahrgenommen. Jede/r hat für sich klar, warum man zusammen geht. Stimmen diese Bedingungen nicht mehr, kann man sich auch trennen.
    Nicht gekoppelt sein heißt: Zusammen arbeiten KANN Energie geben, Freude machen und die Existenz sichern.
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  2. Sinnentkoppelt:
    Die Menschen gehen sich aktiv aus dem Weg. Wenn sie sich begegnen wird gewollt gegeneinander agiert. Hinweise dienen dazu, die/ den anderen in eine Sackgasse oder ein Problem zu lenken. Sie achten darauf, dass die/ der andere schlechter abschneidet. Man versucht im eigenen Handeln vom anderen zu profitieren. Es sind keine Kompromisse möglich. Fehler der/s anderen werden gezielt gegen sie/ ihn genutzt. Wenn sie sich treffen und miteinander gehen müssen, behindert und boykottiert man den Weg der/s anderen im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. Es wird überlegt, mit welchen Handlungen man der/m anderen schaden kann. Zusammen gehen ist anstrengend und belastend. Geht man getrennte Wege, fühlt man sich erleichtert und guter Dinge. Jede/r ist sich bewusst darüber, warum man nicht zusammen geht. Lässt es sich nicht vermeiden, benötigt man zumeist Dritte (Mediatoren, Anwälte, Richter etc.), die die Dinge für einen klären.
    Entkoppelt sein heißt: Zusammen arbeiten kostet Energie, deprimiert und kostet auf Dauer die eigene Existenz.  

Wir alle prüfen ständig unsere Beziehungen und unser gemeinsames Handeln mit anderen Menschen auf Sinnkopplung. Das passiert unbewusst. In einer funktionierenden, wohltuenden sozialen Beziehung schalten wir dabei unmerklich und häufig zwischen Zustand 1 und Zustand 2 um. Mal sind wir wirklich innig verbunden und schon im nächsten Moment laufen wir einfach nebeneinander her, bis es zum nächsten sinnhaften Energieschluss. In einer gestörten, krankmachenden Beziehung gehen wir in Zustand 3 über. Sinnhafte Energieschlüsse finden dann nicht mehr statt.

Sinn ist ein derart komplexes und umfassend individuelles Thema, dass wir selbst vermutlich kaum verstehen, warum wir koppeln, nicht koppeln oder entkoppeln. Hilfreich ist es zunächst einmal, die eigene Zustandsveränderung wahrzunehmen und daraus Konsequenzen abzuleiten. Mir begegnen viele Menschen,  die dauerhaft nicht gekoppelt oder sogar entkoppelt haben. In ihren Beziehungen – wenn ich ihnen begegne zumeist in der Arbeit – verbrauchen sie ständig Energie und kommen doch auf keinen grünen Zweig. Sie verlieren ihre Existenz auf Raten. Dabei sind die einzelnen Verluste so gering, dass das Ausmaß des Schadens oft erst erkannt wird, wenn es zu spät ist.

Den eigenen Sinnkopplungszustand im Bezug auf seine Umgebung wahrzunehmen, zu beachten und Konsequenzen aus der Wahrnehmung zu ziehen ist einfacher, als viele annehmen. Man muss beispielsweise nicht gleich kündigen, wenn man eine dauerhafte Nichtkopplung oder gar Entkopplung erkennt. Sinnkopplung hat sehr viel mit den Beziehungen zu tun, in denen man arbeitet. So kann man sich beispielsweise auf eine andere Stelle bewerben oder Teile der heutigen Aufgaben abgeben und andere Aufgaben mit anderen Ansprechpartnern annehmen. Häufig sind das erste gute und meistens auch gangbare Schritte, hin zu einem sinngekoppelteren Arbeiten.

Den Sinnkopplungszustand der anderen zu erkennen ist – im Arbeitsumfeld – oftmals recht einfach. Schwierig sind hier zumeist zwei Dinge:

  1. Die/ den anderen in seinem Kopplungszustand zu respektieren sowie zu tolerieren und
  2. die Konsequenzen daraus zu ziehen und/ oder das Thema anzusprechen.

Es braucht

  • eine bewusste Streit- und Kommunikationskultur, damit eine Firma mit den Konsequenzen, vor allem aus der Entkopplung umgehen kann.
  • ein konsequent gelebtes Bekenntnis zu Solidarität und Unterstützung gerade für Menschen, die entkoppeln und damit ihren sozialen und emotionalen Halt im Unternehmen verlieren.
  • konstruktive und verletzungsarme Wege, wie man auseinander geht, wenn sich Entkopplung einstellt.
  • ein permanentes Streben und ständige Achtsamkeit auf Momente und Chancen, in denen aus nicht gekoppelt sein Kopplung wird/ werden kann.
  • die kritische Selbstreflexion und Realitätsprüfung wenn ein/e KollegIn entkoppelt. So wird Entkopplung zu einer Ressource für alle.

Wir wollen denken!
Gebhard Borck

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Eingeordnet unter 01 Arbeit platzt

Ablenkungsmanöver [1]

In Büchern und Artikeln über Führung, Management, Strategie, und Veränderung finden sich gerne Aussagen wie die folgenden:

  • „Um die ständig steigende Komplexität der Welt bewältigen zu können, braucht es fühlende, fähige, leidenschaftliche Menschen, die über ihren Tellerrand hinausschauen können.“ – sinnvoll erfolgreich; rororo 2004; Seite 153
  • „Ermutigen und unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter, gemeinsam mit Ihnen sozial engagiert zu sein.“ – Der CSR-Manager; forum Nachhaltig Wirtschaften 2010; Seite 156
  • „Sie müssen für eine Unternehmenskultur sorgen, die stärker werte- und mitarbeiterorientiert ist als bisher und ein höheres Maß an persönlicher Freiheit ermöglicht.“ – Harvard Business Manager; Jubiläumsspezial 30 Jahre; Oktober 2009; S. 95
  • „Was treibt Menschen, wenn nicht Geld? … die Freude am Schöpferischen, die Lust daran, Probleme zu lösen, die Befriedigung durch sinnvolles Tun.“ – Brandeins;  11. Jahrgang, Heft 01; Seite 58
  • „Die Zeit der Reflexion bezüglich Vision und Ziel eines Unternehmens lohnt sich, weil nur mit einem klaren und sinnvollen Ziel erreicht man eine langfristige Motivation und ein konstruktives, verantwortliches Mittragen der Strategie durch die Mitarbeiterebenen.“ – Organisationsentwicklung; 1| 09; Seite 70

Die unangefochtene Nummer eins ist nach wie vor:

  • „Am Anfang steht die Einsicht, dass es sich lohnt, in die Menschen zu investieren.“ – sinnvoll erfolgreich; rororo 2004; Seite 155

An dieser Stelle sei eine erfolgreiche Alternative gezeigt. In Steve Jobs – das weithin als Genie anerkannte Unternehmerphänomen hinter Apple und Pixar – „kleinem Weißbuch“ leiten die Autoren aus dessen Managementpraktiken ab, dass es äußerst sinn- und wirkungsvoll ist, ein Arschloch zu sein, so lange man nur leidenschaftlich ist, Mitarbeiter regelmäßig zur Schnecke macht und in den Allerwertesten tritt. Das alles ist kein Geheimnis und die Autoren der obigen Sätze werden es sicherlich als Verletzung ihrer Forderung, etwa nach einer stärkeren Mitarbeiterorientierung, erkennen. Dennoch sind sowohl Apple als auch Pixar unternehmerisch erfolgreich und für eine Vielzahl von Menschen als Arbeitgeber äußerst attraktiv. So falsch kann der Tyrann dann wohl nicht liegen. Auch ist mir schleierhaft, wie ich es noch mit Menschen zu tun haben will, wenn ich erst einmal akzeptieren muss, in sie zu investieren, wie in meine unternehmerischen Produktionsmittel oder meine Liegenschaften. Schon sind wir wieder in der betrieblichen Versachlichung von Leben angekommen. So schnell geht das!

Wichtiger als diese Haarspaltereien über die Schönrederei ist eine ganz andere, viel konkretere Frage. Haben Sie eine der zitierten Forderungen schon einmal in Ihrem Arbeitsvertrag gelesen? Können Sie sich vorstellen, wie sich das liest? Würden Sie gerne für ein Unternehmen arbeiten, das Ihnen einen solchen Vertrag anbietet? Die entscheidenden Absätze könnten beispielsweise so formuliert sein:

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Eingeordnet unter 02 Mythos Arbeit, Ablenkungsmanöver

Sinn vs. Profit – Kooperation vs. Rangkämpfe [1]

Jeder von uns ist ein Arbeits-Statist, eine seelenlose Nummer in den Zahlenfriedhöfen des Statistischen Bundesamtes. Die Unternehmen koordinieren diese Statisten und fordern Höchstleistungen von ihnen. Dabei haben sie das ruhende Potenzial zwar erkannt, nach wie vor gelingt es allerdings nur mittelmäßig, dieses Potenzial auch als Leistung abzurufen. Der Grund ist vor allem im Mechanismus zu finden, den Unternehmen benutzen, um uns Statisten an sich zu binden. Abhängigkeit, Bedrohung, Belohnung und Bestrafung sowie Gängelung – vor allem Angst wird genutzt, um Menschen aufstehen und zur Arbeit gehen zu lassen. Es ist allerdings eine denkbar schlechte Vorgehensweise, um intelligente Leistung im Sinne eines größeren Ganzen zu bekommen.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Seit mehreren Jahrzehnten wird der bittere Grundmechanismus der Arbeit – existenzielle Abhängigkeit – auf Zucker geträufelt. Unternehmensleitbilder, Incentives, Fach- und Kompetenzkarriere, Unternehmenswerte, leistungsabhängige Einkommensanteile und dergleichen mehr nennt man das dann. Sozusagen als Best-Practice vom Erfolg der Schluckimpfung auf die Arbeitswelt übertragen.
Das alles bleibt allerdings im konservativen Verständnis von Arbeit verhaftet. Und so bleibt auch das Ergebnis der Arbeit selbst weit hinter ihrem Potenzial zurück. Will man menschliche Leistung, Intelligenz im Sinne eines gemeinsamen Unternehmens und wirkliche Synergie, dann können Werte, Identität und Sinn nicht vorgeschrieben sein. Sie können bei diesem Anspruch nicht eingefordert werden. Was den Unternehmen bleibt sind Angebote, die aus freien Stücken angenommen werden, weil die Menschen annehmen wollen. Alles andere ist Zwang und steht einer Sinnkopplung im Weg.

Bereits bei der Gründung einer Firma können für eine erfüllende Arbeit die richtigen Weichen gestellt werden. Wenn Sie ein Unternehmen beim Gewerbeamt anmelden, werden Sie nach zwei Dingen gefragt: Dem Zweck und der Gesellschaftsform ihres Unternehmens. Der Zweck beschreibt ihren Handlungsraum, ein Handelsgewerbe darf nicht automatisch etwas produzieren und eine Softwarefirma darf nicht automatisch Autos verkaufen. Die Gesellschaftsform beschreibt vornehmlich juristische Inhalte wie Haftungsrisiken, Abhängigkeit der Geschäftsführer im Innen- und Außenverhältnis und anderes mehr. Das heißt: Bereits heute gibt es keine Gesellschaft, kein Unternehmen ohne Zweck und Form, womit die Grundvoraussetzungen für ein Sinnangebot sogar gesetzlich verankert sind!

Viele nehmen an, das Ideal, ein tolerantes, kooperatives und lebensbejahendes Unternehmen, das seinen Menschen die Möglichkeit gibt, in ihrer eingebrachten Leistung den persönlichen Sinn zu erfüllen, sei Wirklichkeit. So würden sie sogar unsere Gesellschaft beschreiben. Stimmt das? Wie werden Firmen normalerweise umgesetzt? Welche Grundprinzipien werden für sie angenommen? Hier schematisch ein gängiges Unternehmen:

  • Allgemein – Hierarchisch geordnet, Rivalität zwischen den Angestellten mit Rangkämpfen, mechanische Abläufe
  • Leitfigur – von autoritär bis autokratisch
  • Ziel und Zweck – Vorwiegend monetär orientierte Ziele; Existenzsicherung des Systems ist ein sekundäres Ziel; Im Extremfall wird der monetäre Erfolg zum Machtgewinn und zur -erhaltung gebraucht.
  • Regeln – Kollektivistische Regeln, Gehorsam gegenüber den Anweisungen der Hierarchie
  • Strafen – Bei Verweigerung der Systemkonformität subtile psychische Aggression (Mobbing), Isolation (Wegbefördern) oder Systemausschluss (Kündigung)
  • Konkurrenten/ Feinde – Jeder, der nicht Teil oder Partner des System ist
  • Riten/ Symbole – Gehorsamsgesten (freiwillige (Pflicht-)Teilnahme an der alljährlichen Betriebsweihnachtsfeier), Unterwerfungsriten (Arbeitsvertrag), manipulatorische Elemente (jährliche Leistungsbeurteilung)
  • Bindungsmechanismus – materielle Abhängigkeit, zuerst über das Gehalt, darüber hinaus über Vergünstigungen wie Firmenhandy, -wagen, -kredite, Boniregelungen bei Akkord oder Zielvereinbarungen
  • Slogan – »Leben ist Arbeit«

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