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Wenn alle Arbeit haben, ist alles gut [1]

Kennen Sie noch Norbert Blüm? Er ist für den Satz bekannt „Die Rente ist sicher!“ Dieser Satz hat ihm zweifelsfrei mehr Berühmtheit eingebracht als alle Jahrzehnte seines politischen Schaffens davor. Schon als er ihn voll Inbrunst aussprach, erkannten wir alle den Witz, der in ihm wohnte. Lassen Sie mich an dieser Stelle also ein wenig ironisch werden.

In Deutschland bekommt man die Rente im Rahmen eines Solidarausgleichs. Das bedeutet: Den Rentenversicherungsbeitrag, den die Solidargemeinschaft am ersten Februar bezahlt, erhalten die Pensionäre am Fünfzehnten desselben Monats als Rente überwiesen. Niemand spart für die Rente!

Laut dem Rentenversicherungsbericht 2009 kommen derzeit auf jeden Beitragszahler 0,55 Rentner, also etwas weniger als zwei rentenversichert Beschäftigte bezahlen einen Rentner. Liest man den Bericht weiter, werden es im Jahr Zweitausenddreiundzwanzig 0,62 Rentner auf jeden Beitragszahler sein. Sicherlich wussten Sie das schon. Weiß doch seit Norbert Blüm nun wirklich jeder. Und jeder weiß auch: Wir müssen die Arbeitslosenquote senken und dann lösen sich die Rentenprobleme von alleine. Wir brauchen also mehr Beschäftigte, sonst bricht das System unweigerlich zusammen.
Geht das überhaupt? Werden wir überhaupt so viel Arbeitsplätze haben? Ist es realistisch Vollbeschäftigung anzustreben? Antwort: Nein!
Doch gehen wir der Frage von einer anderen Richtung her auf den Grund. Wie ist es denn mit der Vollbeschäftigung gewesen in den letzten 50 Jahren? In der Datenbank des statistischen Bundesamtes findet sich dazu Einiges. Die qualitativ brauchbaren Daten gehen bis in die achtziger Jahre zurück. Doch bevor wir zu den Zahlen kommen können, gibt es noch einen Hinweis und die Klärung von Fachbegriffen.

Hinweis:
Es ist mir bewusst, dass an Statistiken – wie auch denen des Statistischen Bundesamtes – vor allem interessant ist, was sie nicht sagen. So gibt es in den nachfolgend zitierten Statistiken keine Hinweise auf Punkte wie die Schwarzarbeit, RentnerInnen, die noch etwas nebenher verdienen oder Ähnliches. Ich blende diese Unzulänglichkeiten der Statistik aus, um einen Irrwitz aufzudecken, der in der Statistik sehr wohl sichtbar und dennoch weithin unbemerkt ist.

Der Unterschied zwischen Erwerbspersonen und Nichterwerbspersonen:

Das Statistische Bundesamt definiert Erwerbspersonen wie folgt: „Erwerbspersonen sind Menschen, die im Bundesgebiet wohnen und eine auf Erwerb – auf Einkommen – ausgerichtete Tätigkeit ausüben oder suchen, also Selbständige, mithelfende Familienangehörige und abhängig Beschäftigte.“ Die Erwerbspersonen ergeben sich aus der Summe der Erwerbstätigen und der Erwerbslosen.
Nichterwerbspersonen sind demgegenüber nicht, wie zu vermuten wäre, die Arbeitslosen, das sind ja die erwerbslosen Erwerbspersonen. Nein, es sind Menschen, die keine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben oder suchen. Also: Rentner, Hausfrauen und – wie es beim Statistischen Bundesamt definiert wird – alle Personen unter fünfzehn zählen grundsätzlich zu den Nichterwerbspersonen.

Nach dieser Klärung, können wir uns jetzt die Statistiken anschauen und erfahren dort, dass die Arbeitslosenquote nur etwas mit den Erwerbspersonen zu tun hat. Die Erwerbspersonen wiederum sind bis ins Jahr Zweitausendneun Menschen im wunderbaren Alter zwischen fünfzehn und fünfundsechzig Jahren. Alle anderen zählen nicht dazu. Unter diesen knapp einundvierzig Millionen Menschen, sind dann wiederum etwas mehr als drei Millionen Erwerbslose. So kommen wir zu einer Erwerbslosenquote von rund acht Prozent, die wir Erwerbstätigen natürlich mit finanzieren. Zu diesen Erwerbslosen kommen die schon erwähnten Rentner mit ihrer Quote von 0,55 Rentnern pro Beitragszahler, die Hausfrauen, die keine Erwerbstätigkeit suchen, viele behinderte Menschen und natürlich alle Kinder bis zum fünfzehnten Lebensjahr. Summiert man das einmal auf, entdeckt man: Grob achtunddreißig Millionen Erwerbstätige finanzieren rund vierundvierzig Millionen Menschen ohne Erwerb – die Nichterwerbspersonen plus die Erwerbslosen.
Schieben wir einmal beiseite, dass die ungefähr vier bis fünf Millionen beim Staat Beschäftigten ja eigentlich auch von den anderen bezahlt werden und gehen wohlmeinend davon aus, dass wir sie brauchen, um uns zu verwalten, zu koordinieren, zu überwachen unsere Kinder auszubilden und anderes mehr.
Es bleibt die unglaubliche Zahl von vierundfünfzig Prozent Menschen, die keinem Erwerb nachgehen und von uns sechsundvierzig Prozent Beschäftigten mit durchgeschleppt werden. Und da rede einer noch einmal vom Mangel an Solidarität.

Die Quote ist beeindruckend: Auf jeden Menschen, der im Bundesgebiet einem Gelderwerb nachgeht kommt mehr als ein Mensch, der nicht einmal eine Erwerbstätigkeit sucht. Hätten Sie das gedacht?
Na ja, könnte man jetzt sagen, das ist ja auch kein Wunder mit der Krise, dem Wohlstand, dem zunehmenden Drückebergertum, das man aus dem Fernsehen kennt. So ist es eben, das einundzwanzigste Jahrhundert. Da frisst sich der eine auf Kosten des anderen durch und das Ministerium für Arbeit und Soziales klatscht dazu in Bierzelten. Früher, noch vor der Wende, da war es noch anders.

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