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Intelligenz braucht kein Management

Werden wir hier noch einmal wissenschaftlich und nutzen erneut das Werkzeug der Falsifikation. Gehen wir von einem vereinfachten Versuchsaufbau zur Simulation der Wertigkeit des Managements und der anderen Mitarbeiter aus.

Wir haben für unsere Simulation einen Manager, der Pläne macht, Anweisungen gibt, koordiniert und die Einhaltung der Anweisungen zur Erfüllung der Pläne kontrolliert. Darüber hinaus nimmt er sich Zeit für die übrigen Mitarbeiter, wenn diese schlecht gelaunt sind, sich überfordert oder übervorteilt fühlen und um Konflikte zwischen den übrigen Mitarbeitern zu klären.
Dann gibt es da einen Arbeiter. Er übernimmt die Produktion, steckt, schraubt, klebt und schweißt Teile und Halbzeuge zusammen, so dass aus vielen kleinen Teilen ein funktionsfähiges, qualitativ hochwertiges Produkt wird.
Er hat als Kollegen eine Buchhalterin, die dafür sorgt, dass der Fiskus sein Scherflein abbekommt, bei der Bank die Kredite getilgt werden, die Kunden Rechnungen erhalten und diese auch bezahlen, die Lieferanten ihrerseits für ihre Lieferungen bezahlt werden und es ganz generell einen Überblick gibt, was rein kommt, was raus geht und was übrig bleibt.
Neben ihr gibt es noch den IT-ler, der dafür sorgt, dass die Kommunikation zwischen Unternehmen und Bank, die Emails, das Speichern von Dokumenten und Vorgängen und die dafür notwendige Hardware zusammen funktionieren.
Selbst bei einem noch so einfachen Versuchsaufbau, darf natürlich die Verkäuferin nicht fehlen, die in unserem Versuch in einem Ladengeschäft die Kunden bedient und außerhalb der Öffnungszeiten noch den Versand der Waren vornimmt, die im Internet bestellt wurden.

Soweit die Rahmenbedingungen der vereinfachten Simulation. Jetzt zum Versuch selbst. Zur Überprüfung der Wertigkeit der einzelnen Mitarbeiter legen wir einen Versuchsablauf wie folgt fest: Kunde kommt in den Laden und kauft eines unserer Produkte, bezahlt und geht. Der Versuch gilt als erfolgreich, wenn der Kunde ein Produkt vorfindet, das er bezahlt und mitnimmt.
Im ersten Durchlauf sind alle Mitarbeiter und der Manager an Bord – das Ergebnis: Der Versuch ist erfolgreich.
In den weiteren Durchläufen nehmen wir jeweils einen Mitarbeiter aus dem Versuchsaufbau heraus – das Ergebnis: Der Versuch ist nicht erfolgreich. Entweder fehlt jemand, der dem Kunden das Produkt verkauft und das Geld als Gegenleistung in Empfang nimmt, oder es fehlt die Rechnung, als Beweis dafür, dass der Kunde das Produkt rechtmäßig gekauft hat oder das Produkt wurde gar nicht hergestellt oder die Kasse funktioniert nicht und es kann nicht abgerechnet werden, weil es keine Netzwerkverbindung zwischen Kasse und Warenbestand gibt.
Im letzen Durchlauf nehmen wir den Manager aus dem Versuchsaufbau heraus – das Ergebnis: Der Versuch ist nicht erfolgreich. Wiederholt man den Test nach diesen letzten Vorgaben, stellt sich allerdings zunehmend ein erfolgreicher Versuchsverlauf ein, da die Mitarbeiter lernen, sich untereinander zu koordinieren.

Natürlich ist dieser Versuch nicht wirklich wissenschaftlich, dennoch sollte er uns zum Nachdenken bringen. In Planspielen, die ich in offenen und Inhouse-Seminaren durchgeführt habe, ging es darum, den eigenen Organisationsaufbau zu sprengen und eine neue Organisationsstruktur zu entwickeln. Ziel war eine Aufbauorganisation, in der die Zusammenarbeit vermutlich besser funktioniert, ohne dabei eine Aufgabe, die heute zu erledigen ist, wegfallen zu lassen. Es ging also nicht so sehr um Effizienz und vielmehr um Effektivität. So unterschiedlich die Organisationen waren, die dabei heraus kamen – eines hatten alle Ergebnisse gemeinsam: Es wurden weit weniger Führungskräfte benötigt, als real vorhanden waren, und vor allen anderen wusste man nicht so genau, wofür die CEOs, CFOs, CIOs oder C-was auch immer-Os eigentlich gebraucht wurden.

Die gewonnene Erkenntnis ist so banal wie revolutionär: Das Fehlen von Management führt nicht ins Chaos. Es zeigt stattdessen schlicht die Notwendigkeit auf, dass alle mitdenken und sich miteinander auseinandersetzen müssen, um erfolgreich sein zu können.

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Da Sony dieses Video von Rio Reiser auf YouTube blockiert hat (sehr interessant mit Blick auf die Werte, für die Rio Reiser sich eingesetzt hat) und WordPress in seiner Online-Version die Videos von MyVideo nicht einbetten kann, hier der Link zum Video auf MyVideo: Rio Reiser – Manager


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Eingeordnet unter 07 Management ist Geldverschwendung, No Risk - No Fun!

In Masse intelligent Sinn finden, anstatt gesund zu verdummen [2]

In den Firmen sind das die Unternehmer, Geschäftsführer und Shareholder. Sie können ihre Arbeiter bespitzeln, ausbeuten und gängeln. Ihre Führungskräfte können sie verheizen, zur Verantwortung ziehen und erpressen. Beide Personalgruppen dürfen sie bei entsprechender Absicherung und Vorsicht ganz legal und ohne ein Gesetz – außer vielleicht das des guten Geschmacks – zu übertreten, deprimieren, demütigen und entlassen. Was sie dabei riskieren ist auf spiritueller Ebene ewige Verdammnis für diejenigen, die noch an ein Fegefeuer glauben und die Ausschüttung einer Abfindung für entlassene Geschäftsführer, eine Sonderdividende für verärgerte Shareholder oder beides für besonders geschickte Konzernbosse, die sich neben der beruhigenden Entlassungsklausel auch noch einen ordentlichen Batzen an Vorzugsaktien gesichert haben. Sollten sie nicht ihrer Ämter enthoben werden, finden sie schnell wieder neue willige Spieler auf Seiten der Denkregulierer wie auch der -delegierer. Ein stabiles Geschäft eben, das wenig Risiken bei hohen Gewinnen verspricht. Eines ist zu beachten, sonst funktioniert das System nicht: Es darf nicht zu viele Unternehmer geben. Vielleicht fußt genau darauf der Glaubenssatz des gesunden Wirtschaftens: „Es kann ja nicht jeder ein Unternehmer sein.“

Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass diese Klasse der Unternehmer und Geschäftsführer in Firmen mit mindestens einhundert Mitarbeitern anzutreffen sind. Bei kleineren Unternehmen ist durchgängiges Denkdelegieren unvorstellbar und würde sicherlich mit dem baldigen Konkurs des Kleinunternehmers bestraft, der hier doch noch voll mit in der Verantwortung steht. Dennoch trifft man auch in den kleinen Firmen das Wechselspiel zwischen Delegierern und Regulierern häufig an, wenn auch lange nicht auf dem professionellen Niveau der Konzernwelt. Das alles wäre – angesichts der Durchlässigkeit – halb so schlimm. Die allseits beschworenen Gewinner und Verlierer, die wir dann sind, könnten bereits hier als Erklärung genügen, um mit der Gesamtsituation Frieden zu schließen.

Allerdings vereiteln wir uns genau damit die großen Chancen der intelligenten Massen. Denn wir schaffen einen stabilen Raum, in dem etwas zu wissen wertvoller ist, als selbst zu denken, in dem Ergebnisse und zählbare Antworten kostbarer sind, als Fragen und Bedenken, in dem beschäftigt zu funktionieren einem sinnerfüllten Leben gleichgesetzt wird. Aus diesen Systemen entstehen – in einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung – die blinden und wütenden Mobs, die Menschenmassen offensichtlich jeden klaren Gedanken und jedes sinnvolle Handeln in Gruppe austreiben. Intelligente Massen können sich in einem solchen Gefüge nicht entfalten. In einer demokratisch freiheitlichen Grundordnung, wie sie für viele Nutzer von Google, Wikipedia und Twitter besteht, ist es allerdings möglich. Natürlich gibt es auch hier in diesen Systemen noch Editoren und Administratoren, die ein Letztentscheidungsrecht wahrnehmen. Dennoch geben diese Werkzeuge der Massenintelligenz heute bereits eine Freiheit, die ihre Leistungsfähigkeit wiederholt unter Beweis stellt.
Zudem sind am Ende des Tages die Gedanken doch immer noch frei. Intelligente Massen leben von unabhängigem Denken, eigener Meinung und der Vermeidung von Kollektiven und anderen Herdenbildungen. Sie brauchen fremde Einflüsse, durchlässige Grenzen, Kritik und Kritikfähigkeit. Neben diesen äußeren Bedingungen ist es wichtig, dass die Menschen mit den Themen, um die es geht, emotional verbunden sind. Die Themen, etwa des Unternehmens, sollten alle persönlich betreffen. Das Denkdelegierer/ -regulierer Spiel entkoppelt Menschen emotional von ihrem Betrieb. Sie werden schlicht an eine schmierige Klassenkampfparodie gekoppelt. Die Geschicke und das Wohl des Unternehmens rücken hinter die individuelle Rollenidentität. Wobei die Durchlässigkeit zwischen den Rollen jedwede mögliche moralische Konsequenz ad absurdum führt. Kaum gehört man zu den Regulierern – schon sind die Delegierer faule Drückeberger. Sind die äußeren Bedingungen sowie die emotionale Verbundenheit gegeben, braucht die Masse noch die Möglichkeit, sich friedlich abzustimmen. Dann trifft sie, wissenschaftlich nachweisbar, durchgängig die besseren Entscheidungen. Dies tut sie gerade bei einem hohen Maß an Unvorhersagbarkeit, uneindeutiger Datenlage und dementsprechend unüberschaubarer Komplexität. Da diese Entscheidungen nicht selten im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtig sind, sollten Unternehmen es sich nicht leisten, noch länger auf diese Intelligenz zu verzichten.

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Eingeordnet unter 06 Masse mit Klasse, In Masse intelligent Sinn finden anstatt gesund zu verdummen

Technologien lassen uns ins Schwärmen kommen [1]

Verwaltung löst den sozialen Prozess vom einzelnen Menschen. Sie organisiert sozusagen die Verantwortungslosigkeit. Durch sie können wir unsere Verantwortung abgeben, uns um das Zwischenmenschliche zu kümmern. Die kollektiven Ergebnisse dieses Mechanismus sind:

  • Wissensgläubigkeit anstelle von selbständigem Denken.
  • Fähnchen im Wind anstelle von Leistung.
  • Egoistische Kurzfristoptimierung anstelle von intelligentem Umgang mit begrenzten Ressourcen.

Vorurteile wie:

„Jeder Mensch ist, für sich genommen, einigermaßen vernünftig und rational – als Mitglied einer Menge aber wird er prompt zum Dummkopf“
Bernard Baruch – Börsenspekulant

„Die Masse erreicht niemals das geistige Niveau ihres herausragendsten Mitglieds, sondern sinkt vielmehr auf das unterste individuelle Niveau in ihren Reihen“
Henry David Thoreau – Schriftsteller und Philosoph

„Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes – aber bei Gruppen die Regel.“
Friedrich Nietzsche – Philosoph, Dichter und Philologe

blockieren uns darin, Massen und die in ihnen wohnende Intelligenz als Ressource zu nutzen und den sozialen Prozess wieder an uns Menschen zu koppeln. Natürlich gibt es ihn, den tumben Mob, vor dem wir uns alle fürchten. Sein Zustandekommen ist allerdings kein Naturgesetz. Wir erleben jeden Tag, wie Massenintelligenz geht.

  • Niemand würde in Google etwas finden, wenn es nicht auch die Menschen gäbe, die darüber nachdenken, wie man sie und ihr Wissen finden kann. Eben Menschen, die den Nutzen des anderen sehen, die irgendwie – sei es intuitiv, aus Neugierde, aufgrund ihrer Wahrnehmung ganz allgemein oder emotional – diesen Nutzen verstehen und anbieten. Google organisiert höchst erfolgreich und effektiv den Austausch von Informationen und sozialer Interaktion fast ohne zentrale Koordination.
  • Wikipedia und Wikis gäbe es gar nicht oder nur in einer äußerst mangelhaften Qualität, würden sich die einen nicht ganz unkoordiniert um die anderen und deren Informationsqualität sorgen. Es reicht, der zwischenmenschlichen Kommunikation den Raum zu geben, die Diskussion über die Inhalte transparent und die Teilnehmer greifbar zu machen. So kommt eine intelligente Masse ans Arbeiten.
  • Twitter zeigt Oppositionellen im Iran, in Tunesien und in Ägypten, dass sie nicht alleine, abgeschnitten von der Welt, ohne Aufmerksamkeit, Zuwendung und Unterstützung ja sogar Liebe sind. Hier ist eine anonyme intelligente Masse ein Puzzlestück im Bild einer ganz neuen demokratischen Weltordnung, die ein diktatorisches Regime zur Mäßigung bewegt, ohne dass es eine demokratische Opposition im eigenen Land gibt.
  • In der Gesellschaft sind intelligente Massen längst angekommen. Die Phänomene reichen von sich ad hoc (emergent) zusammen findenden Gruppen, ähnlich der Onlineopposition im Iran Beispiel, bis hin zu kontinuierlicher gemeinsamer Arbeit über Länder-, Unternehmens-, Branchen-, Fach-, Gebiets und Kulturgrenzen hinweg. Wie etwa bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen neu auftauchende mögliche Epidemien.

Um sich von den falsch verstehbaren kollektiven Teams (siehe Kapitel 1) abzugrenzen, werden diese neuen Gruppierungen Schwärme genannt. Nach ihren Vorbildern aus der Tierwelt. Um sie geht es, will man der Organisationsintelligenz auf den Grund gehen oder dezentrales Wissen nutzbar machen. Vögel, Ameisen und Bienen lassen uns staunen ob ihrer Schwarm-Intelligenz. Dabei kennt man aus der Tierwelt maßgeblich physische Intelligenz in der Abstimmung von Bewegungen und Interaktionen, die einem beim Anblick von Schwärmen den Eindruck einer Einheit geben, obwohl sich teilweise tausende von Tieren miteinander, zueinander und in Abhängigkeit voneinander bewegen.
Dennoch zeigen zum Beispiel Bienen, wie James Surowiecki beschreibt, auch eine im Schwarm intelligente Lösung bei der Auswahl von lukrativen Blumenfeldern (Märkten). Sie teilt sich in zwei Phasen. In der ersten Phase werden die möglichen Alternativen überhaupt erst aufgespürt, dazu fliegen Kundschafterbienen in viele verschiedene Richtungen, im Vertrauen darauf, dass mindestens eine das beste Feld entdeckt, heimkehrt und einen guten Tanz aufführt. Die zweite Phase, die Selektion, ist überhaupt erst die Entscheidung für das Blumenfeld, welches fortan angeflogen und bestäubt wird. Über beide Phasen wird das System, der Schwarm, erfolgreich, indem er zuerst viele unterschiedliche Alternativen findet, dann viele Verlierer identifiziert und ohne Unterscheidung zwischen den einzelnen Bienen akzeptiert. Radikale Reduktion der Alternativen und entsprechend viele Verlierer sind hier gewollt und willkommen, keiner fühlt sich auf den Schlips getreten. Anschließend wird das augenscheinlich beste Feld von der durch den Tanz beeindruckten Masse ausgewählt und bearbeitet.

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