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Aufstieg und Fall – willkommen auf der dunklen Seite der Macht [1]

Klare Ziele, Visionen und Missionen sind Garanten für Erfolg

Kennen Sie die Kurzfassung der erfolgreichsten Ziel-Erfolgs-Geschichte der jüngeren Vergangenheit? Bestimmt! John F. Kennedy leitete sie 1961 ein: „I believe that this nation should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth.“
Er fordert sowohl ein klares Ziel, wie auch eine Vision und Mission. Denn schließlich war 1961 die Ansage, einen Menschen heil zum Mond und wieder zurück zu bringen, ungefähr so utopisch wie wenn Frau Merkel heute erklären würde: „Bis 2020 ist Deutschland frei von Schadstoffen und CO2-neutral.“
Am 24. Juli 1969 datiert man offiziell das Ende der Geschichte, auf einer Videowand der NASA wurde unterhalb des Zitats von John F. Kennedy verlautbart: „Mission Accomplished, July 1969“
Seither beweist diese Geschichte die positive und erfolgreiche Bindungs-, Begeisterungs-, Motivations- und Höchstleistungswirkung der Kombination: charismatischer Führer plus klares Ziel, klare Mission und/ oder Vision. Sie ist eine ebenso gern genutzte Metapher für Unternehmensstrategien und deren Erfolgsgeschichten wie als einstimmendes  Beispiel in ein anspruchsvolles und komplexes Projekt.

Aufstieg und Fall – willkommen auf der dunklen Seite der Macht

Bei so viel Heldentum und Sagen-hafter Leistung bedeutet nach den Aufwänden zu suchen, fast schon der Blasphemie anheim zu fallen. Jeder Preis scheint akzeptabel, bei so einem Ergebnis. Ist das so? Suchen Sie mit mir nach den Kosten für so viel Zieltreue.

Räumen wir zuerst einmal mit dem Glauben an die Notwendigkeit eines charismatischen Führers auf. In der Zeit von Kennedys Forderung bis das Ziel erreicht wurde gab es mit ihm, Lyndon B. Johnson und Richard Nixon drei verschiedene Präsidenten und noch mehr Führungspersönlichkeiten in der NASA, deren Charisma praktisch unbekannt ist. Ein charismatischer Führer schadet einem Projekt bestimmt nicht von vorne herein, unabdinglich notwendig ist er allerdings auch nicht.
Auch die heroisch menschlich daherkommende Forderungsbotschaft: „Wir bringen noch in diesem Jahrzehnt einen Menschen sicher zum Mond und zurück!“ ist kaum mehr, als die Vorlage zu einem Film-Drehbuch. Diese unglaubliche Leistung erklärt sich wesentlich vielfältiger und vielschichtiger als mit der schlichten Sehnsucht danach, auf den Mond zu reisen. Politisch überzeugender ist es, den historischen Rahmen des Kalten Krieges zu sehen und darin vor allem die Tatsache, dass die UdSSR bereits 1957 ein ernsthaftes Weltraum-Programm hatte, bevor die Vereinigten Staaten die Raumfahrt auch nur ansatzweise ernst nahmen. Was Kennedy allerdings zu seiner konkreten Zielaussage brachte, war der Fakt, dass es den Russen 1961 gelang, den ersten Menschen ins All zu schießen und wohlbehalten zurückzuholen. So grotesk es heute anmutet, ermöglichte gerade der hintergründig rauschende kalte Krieg und die Furcht der Amerikaner, vom Mond herab durch die Russen beherrscht zu werden, der NASA Wachstumsraten sowohl wirtschaftlich wie auch im Personalstamm von mehreren hundert Prozent in weniger als einem halben Jahrzehnt.

Nehmen wir einmal an, das für die Mondlandung öffentlich verbreitete klare Ziel, die Vision oder auch die Mission wäre nicht hilfreich und orientierend für die Organisation, wie es so viele Führungstheoretiker und anekdotische Beweise gerne darstellen. Dann stellen wir fest, es existierten eine Menge anderer, weniger populäre, komplexere und dennoch weitreichendere Ziele, aufgrund derer tatsächlich umgesetzt wurde. Warum das so ist beschreibt W.D. Kay in „Defining NASA: The Historical Debate Over the Agency’s Mission“. Diese anderen plausiblen Gründe versammeln unter sich altbekannte Ziele. Es ging um Macht, Vorherrschaft und Kontrolle sowie einen vielleicht bereits verloren geglaubten Wettstreit. Also um althergebrachte herrschaftliche Ansprüche und Werte, die wir gerne der amerikanischen Gesellschaft zuordnen.
Das weniger plakative aber wirkliche Ziel, wenn man es so nennen möchte, war es, die Dominanz des Weltraums oder zumindest des Orbits über der Erde nicht tatenlos an die UdSSR zu verlieren. Kennedy selbst rechtfertigte die Apollo Mission in einem späteren Interview mit den weit ehrlicheren Worten:

„ … not only [by] excitement or interest in being on the moon, but [by] the capacity to dominate space, which … I believe is essential to the United States as a leading free world power.“

Bestärkt wird dies von den Fakten, nach denen die USA bereits Mitte der sechziger Jahre in Sachen Weltall nicht nur mit der UdSSR gleich gezogen hatten, sondern bereits vorbei gestürmt waren. In einem Memo von 1966 meldet Ed Welsch von der NASA an Vizepräsident Hubert Humphrey die Erfolgsbilanz:

  • nahezu zweitausend Mann-Stunden im All, im Vergleich zu gerade einmal fünfhundertsieben sowjetischen,
  • mehr als elf Stunden an Raumspaziergängen, im Vergleich zu zwanzig russischen Minuten und
  • eine Liste von Erstlingen:
    Das erste manuelle Manövrieren im Orbit,
    das erste kontrollierte Raum-Rendezvous und
    das erste Andocken eines bemannten Raumschiffs an ein anderes Vehikel.
    Von denen die letzten beiden Punkte vom russischen Raumprogramm bis heute nicht erreicht wurden.

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Andere fragen heute noch danach … 

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Eingeordnet unter 08 sinnhaft leisten, Aufstieg und Fall - willkommen auf der dunklen Seite der Macht

Extreme Vorstellungen

An dieser Stelle erwartet man stereotyp die Forderung nach weniger Führung, der Entmachtung des Managements und das romantische Hohelied auf Mitarbeiter, die verantwortlich, intelligent, friedlich und kooperativ zusammen arbeiten, weil das so unbeschreiblich menschlich wäre. Vergessen Sie das!

Solange Führung formal – in Organigrammen – festgelegt ist, ein Führungsanspruch auf Basis dieser Fremdbestimmung gegen jeden Sinn eingefordert und durchgesetzt werden kann, wird es „nette“ und „brave“ Mitarbeiter nur ausnahmsweise, eine erfüllte, dauerhaft Erfolg versprechende Arbeit aller im Unternehmen aber gar nicht geben.

Werden die Formalien allerdings aufgehoben, braucht es den Braven und Netten überhaupt nicht mehr. Kommt Ihnen das unheimlich vor? Bei genauem Hinsehen erweist sich das Ideal vom guten, netten, braven … Mitarbeiter als weichgezeichnetes, weltfremdes Trugbild menschlicher Beziehungen, sozialer Prozesse und wirtschaftlicher Erfolge. Die Realität, Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten, wie sie die Natur – oder wenn Sie wollen der liebe Gott – erschaffen hat, ist darin jedenfalls eine Störquelle.

Was ist die Konsequenz? Es geht nicht darum, Management zu entmachten, die Großen klein zu machen, die Hierarchie flach zu halten. All das stützt und nährt nur unser krankes oder gesundes Wirtschaften, unsere in Stein gemeißelten Über- und Unterordnungen und unseren Aberglauben daran, dass Macht etwas ist, das nur einem ausgewählten Kreis von Personen zusteht. Im sinnvollen Wirtschaften geht es darum, zu ermächtigen, es geht darum mit der Verantwortung die Macht zur Führung mit zu übertragen. Es geht um das Zuspiel von Führung zwischen den handelnden Personen, eine dynamisch wechselnde Über- und Unterordnung, ein freiwilliges „Sich in die Verantwortung des anderen Begeben“. Wir reden über variabel sich bildende und verschwindende Hierarchieebenen oder zusammenfassend ausgedrückt: Es geht um Leben.

Könnte ich ihre Gedanken belauschen, dann hörte ich – dem Vorurteil folgend:

„Jetzt ist er vollkommen durchgedreht, der Borck. Bis hierher gab es ja den einen oder anderen guten Ansatz, aber jetzt ist es endgültig mit ihm durchgegangen.“

Mich freut, dass ich in diesem Vorurteil irre – sonst glaubte ich auch meinen eigenen Thesen nicht, und Sie hätten das Buch dem Recycling zugeführt. Jedenfalls hoffe ich, durch diesen Einschub Ihre volle Aufmerksamkeit für den nächsten Gedanken gewonnen zu haben.

Falls Sie aber die Idee der Ermächtigung von bisher kategorisch Untergebenen doch für abwegig halten, ist das ein Misstrauensvotum gegen die französische Revolution, gegen die Aufklärung, gegen Gandhi, Martin Luther King, die Väter des Grundgesetzes. Denn diese Forderung ist nichts anderes, als ein hartnäckiger Gedanke, für den spätestens seit Jesus Christus Millionen Unbekannte gestorben sind. Es ist, wessen sich die demokratischen Staaten rühmen, es ist der Kern dessen, was über Diktaturen, Monarchien, selbst kirchengeistlich geführten Staaten steht.

Meine Idee ist nicht mehr und nicht weniger als die Vorstellung von zum mündigen, erwachsenen, intelligenten und sozial vernünftigen Handeln begabten Menschen mit all ihren Konflikten und Widersprüchen.

Unsere Überzeugung, bezogen auf den Staat, lässt gar keine andere Annahme über die beste Staatsform mehr zu, auch wenn die Demokratie als solche noch sehr jung und – ihrem Wesen nach – alles andere als vollkommen ist. In unseren Firmen ist das freilich anders, da stürzt man die Unternehmung in Anarchie oder noch schlimmer, in basisdemokratische, nie endende Kommunikations-Kaffee-Kränzchen, sollte man nur einmal den Gedanken äußern, dass alle Mitarbeiter Entscheidungs- und Durchsetzungsmacht bekommen könnten.

Dennoch, damit es uns gelingen kann, krankes oder gesundes Wirtschaften zu überwinden, sollten wir wirklich über den Tellerrand schauen. An genau dieser Stelle des Buches geht es um nichts anderes. Beim ernsthaften Willen, Sinnkopplung als Bindungsmechanismus in Unternehmen zu nutzen, so wie es die beiden kommenden Kapitel vorschlagen, kann es keine geringere Anforderung geben, als unser über Jahrzehnte eingeschliffenes Bild davon, wie Führung in Unternehmen funktioniert, in Frage zu stellen und dafür ein anderes und wenig romantisches Menschenbild zuzulassen.

Sprengen Sie die Kruste Ihrer Vorurteile und machen Sie mit bei diesem Gedankenexperiment. Ich verspreche, es ist spannend, unterhaltsam und am Ende eröffnet es einen ganz neuen Möglichkeitsraum!

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Eingeordnet unter 07 Management ist Geldverschwendung, Extreme Vorstellungen

Chimäre Leistung

Erinnern Sie sich noch an das erste Kapitel und den sicherlich dauerhaftesten und allgemein als Eckpfeiler von Gerechtigkeit und freier Wirtschaft angesehenen Glaubenssatz über Leistung:

Leistung muss sich lohnen!“ Man kann ihn auch in anderen Variationen antreffen wie etwa: „Ausbildung muss sich lohnen!“

Achten Sie einmal darauf, wer so etwas sagt. Zumeist sind es Menschen, die im Leistungssystem gerade oben schwimmen. Es sind die gleichen Leute, die auch sagen: „Man kann nur managen, was man auch messen kann.“ Oder die darauf pochen, dass sich ein positives Unternehmensklima anhand von Kennzahlen nachweisen lassen muss. Sie zitieren gerne inspirierende Worte von Peter Drucker, Jack Welch oder Josef Ackermann und sind selbst davon überzeugt, bei ihrer persönlichen Interpretation von deren Erkenntnissen handle es sich um Naturgesetze der Wirtschaft. Diese Menschen reduzieren Erfolg gerne auf Einkommen, Macht und daraus folgende Anerkennung. Ihre einfache Rechnung lautet: Hoher Bildungsabschluss multipliziert mit Zwölf-Stunden-Tagen und der klaren Priorität auf den Job gleich Wohlstand und Einfluss.
Wie erklärt sich da der Harz-IV empfangende Doktor der Ethnologie, der seinen letzten Rest Selbstachtung aus drei Niedrig-Lohn-Jobs nährt – Kurierfahrer, Entrümpler und Volontär bei der örtlichen Zeitungsredaktion – und dafür sechzig Stunden in der Woche „auf Maloche“ ist? Ach ja – ganz vergessen – Ethnologie, Geschichte, Germanistik (Sprache überhaupt), Geographie, Soziologie, Physik, Biologie, Kreativität im Allgemeinen und im Besonderen, Architektur und dergleichen mehr, das sind ja alles brotlose Künste, da hilft natürlich alle Leistung und alle Bildung nichts; aber das weiß man bereits wenn man so etwas anfängt zu studieren. Schon klar, geht man nach brotgebenden Beschäftigungen, brauchen wir eigentlich nur BWLer und Ingenieure, ein paar Ärzte und vielleicht noch einige wenige Professoren a la Herrn Ackermann und daneben dann die Indianer, das Fußvolk, die Truppe, dann läuft die Wirtschaft. In der Politik freilich, da braucht es Pädagogen, Rechtsanwälte und Politologen. Und, damit uns der Laden nicht plötzlich vor Frust, aufgestauter Aggression, Enttäuschungen, Rangkämpfen auf der Basis natürlicher Härte und Aggression sowie spontanen Burnout-Anfällen um die Ohren fliegt, ein paar Psychotherapeuten und Psychologen, die flickschustern, wo in der bereits ledrig rauen Haut der alternden Gesellschaft eine Naht aufreißt.

Einige von uns glauben allen Ernstes, Zufriedenheit, Wohlstand und Einfluss können über Wenn-Dann-Regeln mechanisch garantiert erreicht werden. Wenn wir viel arbeiten, dann verdienen wir viel Geld. Wenn wir uns gut ausbilden, dann machen wir eine große Karriere. Wenn wir uns gegen die anderen durchsetzen, dann sind wir glücklich und zufrieden. Wirtschaftszeitschriften tischen uns die dazu passenden Hochleistungs-Sterne-Menüs auf, indem sie Artikel über die Erfolgsgeheimnisse der Schönen, Reichen und Mächtigen veröffentlichen, denen wir dann nacheifern. Wenn Steve Jobs Erfolg hat, weil er ein menschenverachtender Despot ist, wie in Kapitel vier angedeutet, dann ist das legitim und vorbildhaft für mein eigenes Verhalten.
Andere wiederum unterstellen bei dieser Weltsicht gleich ein gerüttelt Maß an Naivität und wissen selbst wiederum ganz genau, wie es wirklich geht. Wenn man ausreichend skrupellos ist, bei den miesen Spielchen der Reichen und Mächtigen mitzuspielen – wie etwa die Gewerkschaftsbosse bei Volkswagen – und dann noch viele Stunden zu arbeiten, dann kommt man ganz nach oben. Mel Gibson als Titelheld des  Films „Fletchers Visionen“ hätte ob dieser Theorien zu Leistung und wie sie sich lohnt seine wahre Freude gehabt.

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Eingeordnet unter 05 Der Bluff, Chimäre Leistung

Gekonnt vom Erfolg abgelenkt

Wie bemisst sich Erfolg in unserer Gesellschaft? So sehr es sich einige von uns auch anders wüschen, am einfachsten und am häufigsten wird er über Geld und materielle Statussymbole hergeleitet. Wer alternativen Konzepten folgt – wie etwa Semco, Svenska Handelsbanken oder auch der dm Drogeriemarkt – wird daraufhin sogar noch schärfer beobachtet – so meine Erfahrung. Sie müssen gleich um ein Vielfaches erfolgreicher sein als ihre Wettbewerber wie die Deutsche Bank oder Schlecker, damit ihr Anderssein toleriert wird. Supperreiche und arrogante Snobs dagegen, die herumlaufen wie Otto Normalbürger und mit ihrem schlechten Stil kokettieren, werden durchaus nicht als primitiv abgestempelt. Wer das Geld hat, so die augenscheinliche Erkenntnis, kann sich vieles, vielleicht sogar alles erlauben.

An wem haftet der Erfolg? Wie bereits im letzen Kapitel angedeutet, glauben gerade Führungskräfte, dass Erfolge maßgeblich etwas mit ihrer Person zu tun haben, während Misserfolge von der Umwelt verursacht wurden oder eben Pech waren. Dieses Szenario gilt vor allem für Westeuropäer und Amerikaner. Japaner glauben, dass Erfolg dem Glück und Misserfolg der eigenen Unfähigkeit geschuldet ist! Wir wissen heute, dass sowohl Erfolg wie auch Versagen am Besten mit dem Zusammenspiel von Zufällen zu beschreiben ist und unserer Fähigkeit, im Moment des Zusammenkommens dieser Zufälle erfolgversprechend zu agieren. Dazu braucht es eher Intuition, Improvisation und Achtsamkeit denn Ratio, Planung und Disziplin. Klar wird damit auch: Es ist gefährlich, den Erfolg oder den Misserfolg einem einzelnen Menschen anzuhaften, dennoch tun wir es, denn das verspricht Sicherheit. Wir können dann den erfolgreichen Glückspilzen folgen und die erfolglosen Pechvögel hinter uns lassen.

So viel zum Erfolg im gesunden Wirtschaften. Doch wo findet sich der Erfolg in einem sinnhaften, einem kooperativ humanen Wirtschaftssystem? Sicherlich nicht in der Allmacht eines sozialistischen Staates! Machen Sie sich mit mir auf den Weg hinein in eine, zugegebenermaßen schwierige Simulation.

Nehmen wir einmal an, eine signifikante Menge an Unternehmen würde meinen Vorschlag aus dem vorherigen Absatz umgesetzt haben und ihre Mitarbeiter jedes Jahr so am erwirtschafteten Gewinn beteiligen, dass sie nach einigen Jahren, vielleicht zwölf, nicht mehr finanziell von der Firma abhängig sind. Stellen wir uns weiterhin vor, diese finanzielle Unabhängigkeit gilt inzwischen für ungefähr zwei Drittel der Mitarbeiter in der Firma.
Jetzt erschaffen Sie sich zwei Führungskräfte vor Ihrem geistigen Auge. Die eine ist wie das öffentliche Bild von Michel Friedmann, rhetorisch gewandt, intelligent, neoliberal, reich, aggressiv, gebildet, elegant, dominant, machtbewusst und im traditionellen Verständnis erfolgreich und die andere wie das öffentliche Bild von Sean Connery, galant, gewitzt, fair, sportlich, weltmännisch, rücksichtsvoll, emphatisch, gebildet, kooperativ, wohlhabend, traditionsbewusst und dennoch neue Wege gehend, immer bereit, riskant zu handeln. Was glauben Sie, für wen arbeiten die Menschen auch dann weiter, wenn sie von ihrem Einkommen nicht mehr abhängig sind? Ich würde auch lieber für meine Vorstellung von Sean Connery arbeiten, als für mein Vorurteil von Michel Friedmann!

Adam Smith sieht Selbstorganisation in der Optimierung des Eigeninteresses in Wechselwirkung mit einem freien wettbewerblichen Güter-Markt erreicht. Er nennt das die unsichtbare Hand, die uns zum Wohle aller leitet. Was er damit nicht auflöst, ist der bestehende Zwang für einen Großteil der erwerbsfähigen Menschen, arbeiten zu müssen. Natürlich hat jeder im gesund wirtschaftenden System die Chance, sich von diesem Zwang zu befreien, gelingen kann es in einem System der Aggression und Dominanz allerdings nur einem kleinen Teil der Menschen. Es gibt nur einen Superstar und ein Supertalent pro Jahr, keine fünftausend.
Maßstäbe des Erfolgs in einem kooperativ humanen Unternehmen sind zum einen eine Wirtschaftlichkeit, die es allen Mitarbeitern ermöglicht, auf legale Weise finanziell unabhängig von ihrem Unternehmen zu werden – ganz losgelöst davon, was sie gelernt haben, aus welchem sozialen Milieu sie kommen oder wie gut ihr Schulabschluss einmal war. Zum anderen ist es eine wirtschaftlich unternehmende Gemeinschaft, die aus freiem Willen auch dann leistet, wenn ihre Menschen nicht mehr aufgrund von Geld dazu gezwungen werden können.

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Eingeordnet unter 04 Requiem für die moderne Betriebswirtschaftslehre, Gekonnt vom Erfolg abgelenkt

Sinn-Gründer handeln nicht wegen des Gewinns

Edu hatte endgültig genug davon, dass andere ihm erklärten, wie sinnvoll es war, den Kunden hinzuhalten und lieber zwei weitere Monate Budget heraus zu holen, anstatt das Projekt zu beenden. Er mochte nicht mehr stundenlang in zermürbenden Sitzungen der Selbstprofilierung von aufgeblasenen Endplatzierten lauschen müssen, weil sie eben die Anteilseigner der Firma waren und er konnte sich nicht mehr vor seinem Chef ducken, obwohl dieser schon seit geraumer Zeit besser mit seinen Golfschlägern hantierte als mit den Technologien seiner Firma. Er hatte es satt. Sein Kollege und zukünftiger Partner in der gemeinsamen Firma fasste die Stimmungslage so zusammen: „Wenn man jahrelang in der Scheiße rührt, ist es irgendwann Zeit, sich die Hände zu waschen.“

Bei der nun folgenden Gründung hatten sie keine revolutionäre Produktidee oder eine technologische Weltneuheit. Was sie hatten war ein nüchternes Verständnis für die Grenzen und Leistungsfähigkeit von Social Media Web Portalen. Sie kannten die Bedarfe von Unternehmen und wussten, weshalb die Wettbewerber nicht zum Zug kamen. Außerdem nahmen sie aus ihrer Firma zwei Interessenten mit, die eine Technologie suchten, bei ihrem alten Arbeitgeber nicht richtig zufrieden waren und bei denen sich Edu und sein Partner exzellent mit den Firmenchefs verstanden. Unter diesen Voraussetzungen ging es recht schnell. Nach sechs Monaten hatten sie eine Firma mit zwei mittelgroßen Projekten und drei Mitarbeitern. In Gesprächen vergaß Edu niemals zu betonen, dass es ihnen nicht so sehr darum gegangen war, selbständig wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Ihr Beweggrund war vielmehr immer gewesen, ohne die ganzen Kindergartenspielchen arbeiten zu können. Endlich ohne Machtspielchen zwischen den Mitarbeitern der ersten, zweiten und untersten Klasse Leistung erbringen, Humor und Spaß „uff Maloche“ zu haben und wenn man einen schlechten Tag hat, auch einfach einmal im Bett liegen zu bleiben, bis der Abend herein bricht und die Energie zurück kommt.

Die Betriebswirtschaftslehre nimmt es als gegeben an, dass Unternehmer – oder eigentlich jeder – vor allem anderen die Wirtschaftlichkeit als Maß für Erfolg ansetzen. Diese Haltung hat unsere Gesellschaft bereits so verinnerlicht, dass viele – ausgerechnet Nichtunternehmer – gerne den Glaubenssatz aussprechen: Am Ende des Tages muss auch Geld verdient werden. Das ist Quatsch!
Natürlich gibt es Unternehmen, die wirtschaftlich sind und Gewinne schreiben, Gott sei Dank! Neben diesen gibt es allerdings auch eine ganze Menge Unternehmen, die weder Gewinn machen, noch den Eindruck erwecken, es jemals tun zu wollen. Sonst müssten sie schon lange anders handeln. Zwei Beispiele aus meiner eigenen Praxis verdeutlichen das.

  • Mäzen: Bei der ersten Firma handelt es sich um ein Produktionsunternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien. Über zwei Jahrzehnte hinweg, die das Unternehmen bereits existiert, gibt es zwar Jahre in denen Gewinn gemacht wurde, die Gesamtbilanz ist allerdings, unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet, eher schauderhaft. Die Investition hat sich bisher für den Eigentümer in keiner Weise gerechnet und das obwohl beim Wettbewerb bereits seit mehreren Jahren gute und satte Gewinne gemacht werden, die das Kapital der Eigner verzinsen. Betriebswirtschaftlich rational richtig wäre gewesen, das Unternehmen für eines der in der Vergangenheit verschiedentlich gemachten Übernahmeangebote an den Wettbewerb abzugeben. Das ist nicht geschehen weil der Eigentümer ein Kämpfer der ersten Stunde für erneuerbaren Energien ist. Da ist es am Ende des Tages egal, ob man wirtschaftlich ist oder nicht. Es ist wichtiger, mit dem gesamten Unternehmen einen Möglichkeitsraum zu schaffen, der einen in der Branche technologisch ein Wörtchen mitreden lässt und innovative Solarenergiekonzepte für Jedermann entwickelt sowie marktfähig macht.
  • Erfinder: Bei der zweiten Firma handelt es sich um ein Entwicklungsunternehmen, dass seit mehr als einem Jahrzehnt daran arbeitet, eine neue Technologie, ebenfalls im Bereich Energie, marktreif zu bekommen. Die ersten Tests, bereits aus den achtziger Jahren, versprechen entscheidende Fortschritte in technologischen Leistungsdaten und in ökologischen Gesichtspunkten wie etwa die Recyclebarkeit. Das Unternehmen durchlief zwei Insolvenzen, beide aufgrund von politischen Machtspielchen zwischen den Gesellschaftern und hat während der gesamten Firmengeschichte noch keinen Eurocent Gewinn gemacht. Natürlich hoffen hier alle auf den Durchbruch, der die Technologie marktreif und massenproduktionsfähig macht. Die lange Entwicklungszeit hat die deutlichen Unterschiede zum Wettbewerb allerdings bereits merklich reduziert und nach wie vor ist nicht sicher gestellt, dass eine Serienproduktion überhaupt möglich ist. Dennoch hält der Erfinder an seinem Traum, seiner Vision fest. Das wirtschaftliche Finish bleibt hier, auch ohne Gewinn, weiterhin offen!

Unternehmensgründungen resultieren eben nicht in erster Linie aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen. Schon gar nicht bewirken solche Überlegungen Entscheidungen und Handlungen von Unternehmern und Führungskräften im Sinne der Nachhaltigkeit. Keine ökonomisch noch so erfolgreiche Erfindung oder Innovation entspringt schierem Wirtschaftlichkeitsdenken. Es erzeugt nur Pseudorationalisierung. Unternehmer handeln, weil sie es wollen, können, keinen Grund sehen es nicht zu tun oder mit ihrer aktuellen Lebenssituation unzufrieden sind. Für manche mag eine beängstigende Vorstellung sein, dass Menschen etwas unternehmen, ohne irgend jemandem – nicht einmal sich selbst – zu wirtschaftlichem Wohl verhelfen zu wollen.

Wirtschaftlichkeitsüberlegungen beziehen ihre Bedeutung noch aus einer anderen Rolle: Sie dienen der Schuldzuweisung, der Hatz auf Sündenböcke, denn mit wirtschaftlichem Verlust oder Abstieg wird in unserer Gesellschaft ganz klar zwischen guten und schlechten Menschen, Gewinnern und Verlieren, Genies und arroganten Idioten unterschieden. Hätten wir mehr auf Qualität statt Quantität orientierte Erfolgsmaßstäbe, wäre unsere Gesellschaft vermutlich offener, vielfältiger und sinnhafter und wahrscheinlich gäbe es weniger Superreiche und mehr Wohlhabende. Dazu bräuchte es allerdings mehr als selbstgefällige Zahlenspiele.

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Eingeordnet unter 04 Requiem für die moderne Betriebswirtschaftslehre, Sinn-Gründer handeln nicht wegen des Gewinns

Vereinbarungen brechen [2]

Unternehmen als Staat im Staat verschwinden. Vor fünfzehn Jahren galt man noch als verbeamtet, wenn man den Vertrag bei Daimler, Siemens, Bosch … unterschrieben hatte. „So lang man keine silbernen Löffel klaut …“ wurde unter nicht wirklich vorgehaltener Hand gefeixt oder gelästert – je nachdem ob man drin war oder draußen. Heute verweisen Führungskräfte dieser Unternehmen Berater freundlich vor die Tür, die ihnen etwas von Drei-Jahres-Strategie oder noch längeren Zeiträumen erzählen. Selbst in den Forschungs- und Entwicklungsbereichen ist man froh, wenn die kommenden sechs Monate arbeitsinhaltlich überschaubar oder sogar stabil sind. Mit den Turbulenzen in den Inhalten sind auch Degradierungen, Auslagerungen in Auffanggesellschaften, Gehaltseinbußen und dergleichen verbunden. Selbst „beim Daimler“ kann man sich nicht mehr auf den eigenen Lorbeeren ausruhen. „Harvester“, wie die Versicherungsbranche liebevoll die Mitarbeiter nennt, die ihre erarbeiteten Pfründe verwalten, sterben aus und mit ihnen das Beamtentum in den Konzernen. Vergessen Sie also die Vereinbarung, dass Großunternehmen einen geordneten Arbeitsablauf, feste Arbeitszeiten, sichere Urlaubsentgelte und all die anderen Komfortzuwendungen bieten. Selbst wenn der Konzern Sie noch so gern als dauerhaft funktionierendes Rädchen im Getriebe kaufen möchte, er kann es sich oft nicht mehr leisten.

Aus der Traum von finanzieller Unabhängigkeit aufgrund anständiger Arbeit. So wie Edus Vater wird es in meiner Generation, die noch nicht das fünfzigste Lebensjahr vollendet hat, niemandem ergehen. Die Wenigsten der angestellt Beschäftigten werden sich gelassen mit den Worten zurücklehnen können: „Finanziell bin ich durch, das ist eine runde Sache und es bleibt immer noch Energie und Zeit für was Neues.“
Auf den Staat können wir da auch nicht mehr zählen. Von einer ausreichenden Rente mit siebenundsechzig hat der sich seit den Riestergesetzen ohne großes Tamtam öffentlich verabschiedet. Bei den meisten Beschäftigten ist das seltsamerweise noch nicht angekommen. Gerade die Angestellten, die mittleren Führungskräfte und die Studierten unter uns glauben, sie bekämen es noch hin, finanzielle Unabhängigkeit oder sogar Freiheit zu erreichen. Langzeitbeobachtungen sagen etwas anderes. Da verschwindet die Mittelschicht zusehends. Wenn wir nicht bald anders handeln, wird es zwar weniger aber dafür noch reichere Reiche geben und viel, viel mehr Arme.
Konsequent weiter gedacht, befinden wir uns an der Schwelle zu einer erneuten Epoche des Glücksrittertums. Für die Zukunft des Profits aus Beschäftigung stellen sich folgende Archetypen vor:

  • Glücksritter: Der charmante Gentleman-Gauner à La Ocean aus dem gleichnamigen Film. Für ihn könnte vom Typ her durchaus Lance Armstrong als Vorbild dienen.
  • Ausbeuter: Ebenso skrupellose wie großmächtige Profitproduzenten – Siemens mit seiner Korruptionsaffäre zeichnet das vor.
  • Sklaventreiber: Stasigleiche Bespitzelungsmeister, die es ein wenig gescheiter anstellen als Lidl oder die Deutsche Bahn.

Vergessen Sie die Vereinbarung, dass einem anständige Arbeit ein gutes Leben und Erfolg einbringt und dass Wohlstand für alle unser wirtschaftlich-gesellschaftliches Ziel ist. Selbst wenn Sie sich genau wie ich nach Anstand sehnen: Es hat sich ein Konglomerat aus Bürokratie, Vertuschung, Gier, Macht und Heldentum eingenistet, das Erfolge an seinen Leistungskatalogen ausrichtet und Fragen nach dem Tribut, den Menschen und Umwelt dafür erbringen ebenso ausdauernd verhindert, wie die nach Sinn, Kooperation und Fairness.

Gute Unterhaltung - Das Album von Heinz Rudolf Kunze bei Amazon kaufenWas will ich damit in Bezug auf die Arbeit sagen? Ein wenig flapsig ausgedrückt: Die Zeit, in der ruhig die Kugeln geschoben wurden, ist vorbei. Und wenn wir uns nicht den Glücksrittern, Ausbeutern und Sklaventreibern hingeben wollen, müssen wir aufstehen und uns für menschliche Arbeit ins Zeug legen. Wir müssen aufhören, Teil einer Beschäftigungsstatistik zu sein und uns stattdessen intelligent und sinnerfüllend innerhalb eines wirtschaftlichen Systems engagieren. Die Zeit der stumpfen Arbeitserfüllung mit wohlständischem Ausgang geht zu Ende – und das ist gut so.

Es gibt neuen Raum, Arbeit zu gestalten – gerade weil die über Jahrzehnte gültigen impliziten Vereinbarungen von Stabilität, Sicherheit und langfristig zugestandener Unabhängigkeit platzen. So ruhig wie die letzten dreißig Jahren wird es in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zugehen. Daraus folgt: Wir sind aufgefordert Arbeit neu zu durchdenken, auszuhandeln, zu gestalten und umzusetzen. Die Arbeitsumgebung kann künftig so düster aussehen, wie es Siemens, Schlecker und Co. vorzeichnen, sie muss es aber nicht!

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Eingeordnet unter 01 Arbeit platzt, Vereinbarungen brechen