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Wir wollen das Mammut jagen?!

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Wolf Steinbrecher, ein von mir sehr geschätzter Dokumenten-Ablage-Guru aus Karlsruhe, bloggt auf dem Teamworkblog zusammen mit seinen Kollegen über die Arbeit in Teams. Sie geben im Blog viele praktische und pragmatische Tipps für den Alltag. Am Dienstag veröffentlichte Wolf den Beitrag:

Menschen brauchen keine Führung, Organisationen sehr wohl

Mit einem Seitenhieb auf uns Führungskräfteberater veranschaulicht er darin die systemische Notwendigkeit von Führung, Entscheidungen zu treffen. Soweit so gut. In einer Behauptungen liegt er allerdings komplett falsch. So schreibt er als Quelle /3/:

Wir Menschen sind nicht darauf eingerichtet, in größeren Gruppen strategische Entscheidungen zu fällen. „Größere Gruppen“ sind dabei alle mit mehr als sieben Mitgliedern. In Gruppen bis zu sieben kann man Entscheidungen über Mimik und Blickkontakte vermitteln. Das ist für die Jagd in der Horde ausreichend, für Kopfentscheidungen in größeren Gruppen aber nicht. (Nicht umsonst wird für Scrum-Teams eine Größe von 6-8 Menschen empfohlen).
Über 300.000 Jahre unserer altsteinzeitlichen Existenz brauchten wir das auch nicht. Entweder war das Mammut da, dann jagte man es, oder eben nicht. Wäre zu der Zeit jemand am Lagerfeuer aufgestanden und hätte von der Kernkompetenz der Mammutjagd und ihrer mittelfristigen Perspektive gesprochen, wäre er verständnislos begafft worden. Also blieben alle sitzen.

Ein sehr gutes Beispiel für die Umkehrschluss-Falle, die Nicolas Taleb im Schwarzen Schwan beschreibt. Wolf beweist über den Umkehrschluss zur Aussage, wonach wir in 300.000 Jahren altsteinzeitlicher Existenz keine strategischen Entscheidungen in größeren Gruppen brauchten, dass dies auch heute gilt. Dieser Gedanke ist unhaltbar:

  • In der Steinzeit deutet nichts auf ein bewusstes Konzept zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hin. Dessen Entstehung führen wir stattdessen auf Utopia von Thomas Morus aus dem 16. Jhd. zurück. Ohne dieses Konzept gibt es allerdings keine strategischen Entscheidungen. Damit gibt es auch keine Notwendigkeit sich über eine sinnvolle Gruppengröße dafür Gedanken zu machen.

  • Das beispielhaft angeführte Urteil, jagen wir das Mammut oder nicht, ist – wenn überhaupt – taktisch. Vermutlich war es sogar vital.

  • Von vielen erfolgreichen Stammeskulturen aus nachsteinzeitlichen Epochen sind uns Rituale bekannt, die etliche Mitglieder in Entschlüsse einbeziehen. Gerade in strategische Entscheidungen wie etwa den Standortwechsel oder eine Kriegserklärung an einen anderen Stamm.

  • War das altsteinzeitliche (Über-)Leben der Menschen vermutlich härter, ist das 21. Jahrhundert definitiv komplexer.  Strategische Entscheidungen sind ein gewichtiges Phänomen unserer Zeit. Damals blieben schon deshalb alle sitzen, weil Strategie keine Relevanz hatte.

  • Dennoch ermöglichte die strategische Entscheidung, den Ackerbau der (Mammut-)Jagd vorzuziehen, unsere Zivilisation überhaupt erst.

  • James Surowieki verdeutlicht in seinem Buch Die Weisheit der Vielen wie falsch Wolf Steinbrecher liegt.

Die Quellenangabe referiert auf die Aussage:

Die Delegation von Entscheidungen an eine einzelne zentrale Person ist ein funktionales Erfordernis in allen größeren Gruppen von Menschen und besonders in großen, vielfach gegliederten Organisationen. Größere Gruppen können keine strategischen Entscheidungen in einer zumutbaren Zeit treffen. Sie neigen dazu, endlos zu palavern, ohne zu einem Beschluss zu kommen.

Ebenso wie die Beweisführung ist auch diese Behauptung haltlos. Nur weil man in heutigen formal-hierarchischen Organisationen viel palavert, sobald man mehr Menschen einbezieht, ist das kein Naturgesetz. Holacracy, Semco, Hoppmann, Handelsbanken stehen beispielhaft für erfolgreiches Wirtschaften mit Vielen ohne überflüssige Laberei. Meine Beobachtung ist genau gegenläufig. Erst durch die Zentralisierung von Entscheidungen entstehen Zeitverluste wegen unnötiger Abstimmungs- und Gesprächsbedarfe.

   Mehr zum Thema:

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Vitale Entscheidungen über kurz- und mittelfristige Situationen sollen Organisationen dezentral und direkt – maximal in kleinen Teams – treffen. In strategische Entscheidungen sollte man so viel Menschen einbeziehen wie möglich. Anstatt sie pseudorational wegzuargumentieren, stellt sich uns die Frage:

Wie können wir die dafür notwendige Kommunikation professionalisieren und optimieren?

Ich danke Wolf, dass er meine Aufmerksamkeit auf diese Frage richtet. Die Antworten dazu machen meine Arbeit wertvoller und bringen meine Kunden voran!

Wir wollen denken!

Gebhard

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Wunsch und Wirklichkeit [2]

Wunsch: Führungskräfte erreichen ihre Positionen aufgrund ihrer Haltung und Persönlichkeit. Sie haben einen Blick für das Ganze, gehen vernünftig mit ihrer Macht um und verfügen über ein hohes Maß an sozialer und emotionaler Intelligenz.
Wirklichkeit: Menschen werden aus vielerlei Gründen zu Managern. Nur ein kleiner Anteil infolge der oben genannten Qualitäten. Gründe jemanden zum Manager zu machen, die mir in meinem Berufsleben wiederholt begegneten, sind:

  • Es wurde vertraglich so vereinbart
  • Bevor jemand zur Konkurrenz geht wird er eben befördert
  • Man ist langjähriger Mitarbeiter
  • Um ein Mehrgehalt im Gehaltsspiegel unter zu bringen, das jemand aufgrund von besonderen Verdiensten für die Firma bekommen soll – so etwa ist Andreas‘ Vater zu seiner ersten Führungsposition gekommen
  • In Anerkennung der fachlichen Kompetenz
  • Um jemanden weg zu loben – das könnte hinter der Karriere von Herrn Schöttgen stecken.
  • Im Schlepptau der Karriere eines anderen, dem man als Vasall in den politischen Machtspielchen treu gedient hat
  • Damit jemand aufhört, sich weiter anzubiedern und ständig beim Chef darum zu bitten
  • Weil jemand ein gottgegeben großes Ego, das notwenige rhetorische Talent und tatsächlich den ganz selbstbezogenen Willen hat, Chef zu sein
  • Aufgrund einer speziellen Kenntnis, beispielsweise einer Fremdsprache wie Russisch, Chinesisch oder auch Italienisch, die gerade für den Unternehmensaufbau benötigt wird

Sicherlich können Sie die Liste aus ihrer eigenen Erfahrung noch um einige Punkte ergänzen oder haben soeben neue Gründe kennen gelernt, warum jemand zum Manager wurde. Nehmen Sie einmal Ihre und meine Liste sowie die Tatsache zusammen, dass augenscheinlich nur ein geringer Anteil der Mitarbeiter Manager sein können. Schnell wird deutlich, es kann sich bei der Führungskraft mit dem Blick fürs Ganze, dem Willen verantwortlich mit Macht umzugehen, einer hohen sozialen wie auch emotionalen Kompetenz, mit der Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen sowie einer reifen Haltung und Persönlichkeit rein statistisch und ganz wirklich nur um eine seltene Ausnahme handeln.

Wunsch: Der Manager hat zuvorderst das Wohl des Unternehmens im Sinn.
Wirklichkeit: In unserer Episode verbietet Herr Schöttgen Andreas das Denken, weil er die Macht dazu hat. Zum Wohle des Unternehmens kann es in der Szene sicherlich nicht falsch sein, die Intelligenz des Ferienjobbers zumindest als Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. Das Öffnen der Maschinenklappe, um die Idee des Ferienarbeiters zu prüfen, dauert sicherlich keine zwei Stunden.
Wir leben allerdings in der Welt der Ellenbogen-Führungskräfte, der Wirtschafts-Darwinisten, die nicht verstehen wollen, dass Darwin seine Erkenntnisse und Rückschlüsse vor mehr als einem Jahrhundert gesammelt und gezogen hatte. Damals war die Welt aus der Sicht des Menschen vielleicht noch auf das Recht des Stärkeren als unabdingliches Naturgesetz reduzierbar. Unsere Wirtschaft ist der Tummelplatz maßloser Macht- und Reichtumsegoisten, der fleischgewordenen Eigennutzenmaximierungsmaschinen, die ihrer Selbstbefriedigung götzenverehrend blind hinterherlaufen. Wir existieren in der Ehrfurcht vor heldenhaftem, diszipliniertem und hartem Durchgreifen. Wir baden geradezu in unserer Ohnmacht gegenüber der stillschweigenden Akzeptanz von physischer und psychischer Gewalt als unabänderbare Notwendigkeit in Sachen Führung. Da kann es nur richtig und billig sein, dass der Ober den Unter sticht und der Bereichsleiter den Jobber in die Schranken weist.

Wunsch: Wir brauchen Manager, weil viele Menschen die Verantwortung gar nicht übernehmen wollen oder können.
Wirklichkeit: In unserer Geschichte hätte Claudia Andreas bereits ganz zu Beginn fördern und mit ihm gemeinsam Verantwortung übernehmen können. Sie wollte genau das offensichtlich nicht, nicht einmal (oder schon gar nicht) dann, als ein Vorgesetzter im Raum war. Ist Claudia so oder hat ihr Verhalten andere Gründe? Mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt es Momente in Claudias Leben, in denen sie Verantwortung übernimmt und ebenso vernünftig entscheidet wie man es von ihren Vorgesetzten erwartet. Claudia trifft vermutlich bei Alltäglichem, wie etwa Einkaufen, sinnvolle Entscheidungen, wenn sie darüber befindet, wie und für was sie ihr Geld ausgibt. Sie darf auch langfristige und großvolumige Kredite für ihr Auto oder den Bau eines Hauses aufnehmen und wir vertrauen mehrheitlich darauf, dass sie weitsichtig genug ist, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Wenn dem mehrheitlich nicht so wäre, wäre unsere Gesellschaft ein zum Himmel schreiend dummes Chaos. Außerhalb des Unternehmens gehen wir also davon aus: Claudia ist ein verantwortungsvoller und -bewusster Mensch.

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