Entscheidend an all diesen Differenzierungen ist, dass sie sich um Sinn drehen, nicht um Sinnkopplung. In einem Seminar hat mich ein Teilnehmer gefragt: „Was ist der Unterschied zwischen Sinnkopplung und beruflicher Erfüllung?“
Die Antwort: Sinnkopplung ist das mechanisch beschreibende Resultat eines Prüfungsvorgangs, den wir ständig wiederholen. Berufliche Erfüllung beinhaltet viel mehr und ist der Kontext, in den sich Sinnkopplung einbettet. So wohnt fast jedem Menschen die Sehnsucht inne, sich auch beruflich zu erfüllen. Zumindest bei Kindern ist diese Sehnsucht so präsent dass sie regelmäßig auch in klaren Zukunftswünschen ausgedrückt wird – wie etwa den Klassikern, irgendwann Feuerwehrmann oder Flugzeugpilot werden zu wollen. Berufliche Erfüllung ist allerdings auch hoch komplex und ein riesiges, nahezu unfassbares Thema.
Sinnkopplung beschreibt demgegenüber nur den Moment, in dem ein Mensch im Rahmen seines Drangs nach (beruflicher) Erfüllung mit einem Unternehmen oder einer Gemeinschaft einen Energieschluss vollzieht oder ihn auflöst, sprich den Fremdsinn als Eigensinn annimmt oder nicht und damit sinnkoppelt oder -entkoppelt. Sie tritt im Wahn ebenso ein, wie im Gemeinwohl-Sinn. Sinnkopplung kann damit verglichen werden, sich mit etwas zu identifizieren. Allerdings nimmt Sinnkopplung stärker und orientierend Einfluss auf das eigene Handeln. So kann man sich mit etwas oder jemandem (oberflächlich) identifizieren, ohne die eigene Handlungsausrichtung wirklich konsequent anzupassen. Beispielsweise könnte man sich mit Bioprodukten oder den Zielen von Greenpeace identifizieren, könnte sogar, wann immer möglich, Bioware kaufen und Spendengeld auf ein Greenpeacekonto überweisen. All das hält nicht zwingend davon ab, einen Porsche, eine Kawasaki Ninja oder einen Hummer zu fahren. In dem Moment, indem ich mit ökologischer Landwirtschaft oder den Zielen von Greenpeace sinnkopple und sie mir in meinem Sinn zu eigen mache, elektrisieren mich ihre Ziele, geben Energie auf meine Handlungsentscheidungen und das Gemüse wird fortan selbst angebaut oder beim Ökobauern des Vertrauens eingekauft und der Porsche, die Ninja oder der Hummer wird, den materiellen Wertverlust billigend in Kauf nehmend, abgestoßen.
Für ein Unternehmen ist im Bezug auf Sinnkopplung zudem die Frage zu klären: Wer hat die Hoheit über den Moment des Energieschlusses und wie kann man diesen Moment bestimmen, messen oder steuern? Gerade so, wie Unternehmen heute über den Moment zum Einkauf der Arbeitskraft die Hoheit haben und ihn bestimmen, messen und steuern. Das geltende Paradigma ist, wie im zweiten Kapitel beschrieben: Das Unternehmen kauft die Arbeitskraft vom Mitarbeiter und dieser schließt damit ein vom Unternehmen abhängiges Arbeitsverhältnis. Sinnkopplung widerspricht dieser Vorstellung. Wollte eine Firma, eine Führungsriege oder ein Mitarbeiter dieses Paradigma mit Bezug auf Sinnkopplung aufrecht erhalten, müsste er für einen anderen Menschen sicherstellen, dass dieser sich durch die Mitarbeit im Unternehmen sinnhaft erfüllt. Das ist ebenso absurd, wie dem Partner eine Orgasmusgarantie zu geben. Oder zu behaupten, als Sprechender oder Schreibender könnte man einer Botschaft eine objektive Bedeutung geben, die von jedem Zuhörer oder Leser so verstanden wird, wie Autor bewusst glaubt, es gemeint zu haben. Sinnkopplung ist an das Subjekt gebunden und geht von ihm aus. Je mehr die Vertreter eines Unternehmens versuchen würden, sie formal einzuklagen, um so unwahrscheinlicher wird sie tatsächlich stattfinden.
Was also können die Menschen und mit ihnen die Führung in einem Unternehmen tun? Sie können der Sinnkopplung und -entkopplung Hindernisse in den Weg stellen oder versuchen, genau das aktiv zu vermeiden.
Eine Firma, die ihre Mitarbeiter auf Basis von Arbeitsnachweisen und fachlicher Qualifikation von der Personalabteilung zusammen mit den Führungsgremien für die Anstellung im Unternehmen aussucht, statt die zukünftigen Kollegen zusammen zu bringen und dem sozialen Prozess des Kennenlernens viel Raum zu geben, baut willentlich Hindernisse auf, die den prüfenden Blick auf den Gemeinwohl-Sinn der Firma verschleiern und Sinnkopplung erschweren.
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