Letzte Woche hat Bernd Geropp in seinem Blog mehr führen einen Beitrag mit dem Titel „Mensch, rede doch Klartext!“ veröffentlicht. Er plädiert dafür, bürokratisches Geschwätz aufzuhören und stattdessen auf den Punkt zu kommen. Schnörkellos, kurz, aktiv und direkt sind demnach die Maßstäbe für eine bessere Sprache. Im Artikel wird anhand eines Beispiels gezeigt, wie es geht.
Kaum hatte ich den Artikel gelesen, schon musste ich ihn hier kommentieren. Auch wenn ich die Sehnsucht teile, dass mehr Tacheles gesprochen wird, bin ich sicher: Unsere Unternehmen sind noch nicht bereit.
Es fehlt eine Kultur, in der man mit Konfrontation tolerant und konstruktiv umgehen kann. In der nicht alles auf der Goldwaage liegt und sofort mit der eigenen Position im Gefüge der Organisation zusammen hängt. Mein Vater hatte eine Position, in der er auf den Punkt kommen konnte. Von seiner Kompetenz, Erfahrung und seinem Fachwissen aus gesehen, war er in der Hierarchie viel zu niedrig angesiedelt. Für eine einfache und schnelle Entlassung wiederum zu hoch. In dieser Position genoss er Freiheiten wie kaum ein anderer Mitarbeiter. Eine davon war, die Dinge beim Namen nennen zu können. Einmal hat er so – hier die entsprechende Geschichte in Affenmärchen – die Entlassung seiner Untergebenen verhindert.
Bernd Geropp hat auf diese Erweiterung seines Artikels festgestellt:
Ich bin überzeugt: Wenn man etwas zu sagen hat, dann sollte man es richtig sagen – unbürokratisch, verständlich und ohne Floskeln. Sie haben natürlich Recht. Wenn man das tut, positioniert man sich. Zwangsläufig wird man dadurch angreifbar. Im politischen Umfeld von vielen Unternehmen kann das für Angestellte gefährlich sein.
Die Alternative? Sich fragen: Wann lohnt es angreifbar zu sein? Wenn es sich nicht lohnt, sollte man am besten schweigen. So quält man wenigstens nicht seine Mitarbeiter und Kollegen mit nichtssagendem politischen Gelaber. Wenn man sich häufig dabei ertappt, schweigen zu müssen, sollte man das Unternehmen wechseln
.
Auch hier bin ich mit Herrn Geropp einig. Doch auch hier möchte ich ergänzen:
Man positioniert sich nicht nur selbst. Man greift auch andere an! Ich selbst habe dazu Erfahrungen in England, Indien und Spanien gemacht. Dort ist es unüblich, direkt zu sein und auf den Punkt zu kommen. Das ist nur der letzte Ausweg, wenn versteckte Hinweise überhaupt nicht ankommen wollen. Dies geschieht keineswegs, um sich selbst zu schützen, wie das hierzulande meist der Fall ist. Man macht es, um den Gegenüber nicht bloß zu stellen.
Auf den Punkt – Tacheles – Klare Worte … Wird oft herbei gesehnt. Vor allem, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sind sich alle einig: „Wenn wir vorher offen darüber gesprochen hätten.“
Doch sind wir bereit es durchzuziehen und hat das überhaupt Sinn?
Im Blickwinkel von Affenmärchen grenze ich diese Frage ein auf unsere Firmen.
- In ihnen geht es darum, zu wirtschaften. Mit unserer Arbeit machen wir Materialien, Halbzeuge, Wissen etc. wertvoller als sie ohne unser Zutun wären – wir Menschen machen sie mehr-Wert. Damit das gehen kann, hätte es Sinn, sichtbar zu machen, ob und welche Wertveränderung durch unser Schaffen erreicht wird. Kaum ein Unternehmen macht das. Gewinn- und Verlustrechnungen, Gehälter, Gemeinkosten, Budgets, Reiseaufwendungen, Firmenwagenpreise usw. – alles Geheimakten, die nur einem erlauchten Personenkreis zugänglich sind. Und selbst wenn sie offen liegen sind sie so fachverkauderwelscht, dass kein normaler Mensch auch nur einen Hauch davon versteht.
- In unseren Unernehmen geht es auch um das Zusammenleben von Menschen. In Deutschland – und in einigen anderen Ländern, die ich kennen lernen konnte – wird man kaum zu einer konstruktiven Auseinandersetzung basierend auf eigenständigem Denken erzogen.
In der Ausbildung hat der Lehrer, der Meister oder der Professor recht, bis man den Abschluss hat. Dann kann man selbst auch mal Recht haben, so lange man nicht auf den Ober trifft, der einen als Unter sticht. Denken ist zwar nicht verboten, allerdings sollte es nicht hinterfragen, sondern zustimmend das Bild der Oberen/ der Wissenden weiter entwickeln. Wir haben uns so eingerichtet:
– Meinung kommt aus der Bild
– Romantik aus dem Sonntagsfilm
– Massentaugliches „profundes“ Wissen und Freiheit von Günter Jauch
– Wissenschaft ab 24:00 Uhr, im Laberradio des Deutschlandfunks oder im KiKa
– Freundschaft findet in Facebook statt
– Auseinadersetzung ist die konsensvermeidende spannungsgeladene Talkshow
– Unterhaltung ist Pop-Gedudel mit Werbeunterbrechung
Wichtig dabei ist: So wenig wie möglich Konfrontation mit echten Menschen. Denn die könnten anderer Meinung sein oder gar selbständig denken. Das ist dann ineffizientes Kaffeekränzchengelaber und stresst nur.
Natürlich ist das pauschal und stimmt nicht. Dennoch hatten viele ernsthaften Unterhaltungen, die ich in den letzten 10 Jahren in Unternehmen geführt habe, nichts mit diesem Unternehmen und den Menschen dort zu tun. Sie erstreckten sich von Sport über Weltpolitik bis hin zu Managementfehlern der Wettbewerber. Sich auf Basis einer kritischen Selbstreflexion weiter zu entwickeln und dafür auf den Punkt zu kommunizieren, gehört zunehmend zu meinen Gesprächen, seit ich zu den Inhalten von Affenmärchen berate.
Versteht mich richtig: Ich freue mich, wenn wir auf den Punkt kommen. Doch das ist kein Schalter, den wir umlegen. Es ist kein „Tacheles-Seminar“ an dessen Ende ein Diplom der direkten Sprache auf uns wartet. Es ist ein Wandel unserer Gewohnheiten und Rituale. Dafür gilt es wertzuschätzen, was wir heute Störgrößen nennen. Es zu fordern, so wie Bernd Geropp in seinem Blogbeitrag, ist ein erster Schritt. Anhand von Beispielen aufzuzeigen wie es geht, ist der Einstieg in einen Entscheidungsprozess. Ob an dessen Ende eine bessere Kommunikationskultur steht – wir werden es nur erfahren, wenn wir es ausprobieren ;)!
Grüße
Gebhard Borck
PS: Seid im Ausprobieren tolerant gegenüber euren Versuchskaninchen und liebevoll zu euch selbst!