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Musterbruch in der Führung

Liebe Leserinnen und Leser,

vor zwei Tagen hat mich Andreas Zeuch auf einen Artikel in der Financial Times Deutschland aufmerksam gemacht. Im Artikel wird anhand eines Beispiels aufgezeigt, dass bereits heute vieles in der Führung anders laufen kann. Es wird auch in den Raum gestellt, warum sich dennoch nichts ändert. Der Artikel macht dafür den Umstand verantwortlich, dass sich Führungskräfte dann folgenden Fragen stellen müssten:

Es würde schließlich bedeuten, sich selbst zu hinterfragen: Was wird von mir verlangt? Was will ich eigentlich machen? Und vor allem: was nicht? Ist der Chef nicht genau dazu da, Entscheidungen zu treffen, die von der Belegschaft umzusetzen sind?

Vorgestern hatte ich keine Zeit den Artikel zu lesen, denn ich wollte mich noch auf meinen gestrigen Führungstag mit einem meiner Kunden vorbereiten. Heute musste ich schmunzeln, denn besser hätten die beiden Dinge nicht zusammen passen können. Zum Verständnis erkläre ich kurz, worum es in meiner Beratung bei diesem Kunden geht.

In diesem mittelständischen Unternehmen mit ca. 70 Mitarbeitern wird ernsthaft angestrebt, das bekannte Führungsmuster (siehe Flipchart-Foto auf der linken Seite) zu durchbrechen. Ich begleite diese Aufgabenstellung als Ratgeber. Ich arbeite dafür mit den 6 Führungskräften einzeln und im Team zusammen. Meine Aufgaben umfassen:

  • Alltagssituationen im neuen Muster auflösen helfen
  • Musterunterbrechungen aufzeigen
  • Alltagstaugliche Lösungen mit erarbeiten
  • usw.

Gestern haben wir bestehende Verhaltensmuster in der Firma identifiziert, die es zu durchbrechen gilt, wollen wir in eine neue (Führungs-)Kultur kommen. Dabei kamen wir auf genau dasselbe Muster, wie es im FTD-Artikel beschrieben wird. Wir haben ihm im Workshop ein anzustrebendes Muster gegenüber gestellt.

Folgende Punkte sind zur Flipchart gesprochen worden:

  • Die Führungskraft heut steckt sehr schnell im links dargestellten Kreislauf aus denken, gestalten, entscheiden, Umsetzung anweisen und Umsetzung kontrollieren. Dabei ist festzustellen: Kaum kontrolliert man die Umsetzung, schon denkt man wieder, gestaltet wieder …
    In diesem Kreislauf richten sich Führungskräfte und Mitarbeiter stabilisierend als Denkregulierer und Denkdelegierer ein, wie ich es hier in Affenmärchen beschrieben näher habe. Sollte die Führungskraft mal Zeit finden, kann sie sich immer als rettende Feuerwehr einbringen. Wir reden hier von einem Full-Time-Job!
  • Wächst die Gruppe (≥ 15 Personen) braucht es weitere Führungskräfte, da man dem anfallenden Aufwand an denken, entscheiden sowie Umsetzung anweisen und kontrollieren für mehr Menschen kaum hinterher kommt.

Was passiert wenn man die Aufgaben (nachdenken, gestalten, entscheiden, umsetzen und kontrollieren) nun von den Mitarbeitern fordert? Genau diese Frage stellt nicht nur der FTD-Artikel, auch wir haben sie uns gestern gestellt. Denn wir waren uns einig: So sollte es sein. Das Ergebnis:

  • Mitarbeiter nehmen unternehmerisch Anteil an der Arbeit
  • Sie brauchen dieselben Informationen, die bisher den Führungskräften vorbehalten waren, um vernünftige und mündige Entscheidungen treffen zu können.
  • Es ist hilfreich die Denkprozesse der bisherigen Führungskräfte zu verstehen, wie sie zu ihren Entscheidungen gekommen sind.
  • Sie brauchen Methoden und Werkzeuge für konstruktive Kommunikation.
  • Moderation und Beratung von Prozessaußenstehenden ist wertvoll.

Wir identifizierten für die Prozessaußenstehenden zwei zentrale Aufgaben, die Mitarbeiter brauchen, wollen sie neben dem Tagesgeschäft die benötigte Führung erfolgreich mitmachen: Soziale Unterstützung und operative Zuarbeit.
Im Kern der sozialen Unterstützung regt man Denkprozesse an und moderiert sie (etwa Gruppenentscheidungsprozesse), so kann wirtschaftlich vernünftig gehandelt werden. Im Kern der operativen Zuarbeit bereitet man Informationen und Wissen auf (bspw. Wirtschaftlichkeitszahlen von Teams, Produkten oder Dienstleistungen), so ist mündiges Handeln in allen Belangen möglich.

Festgestellt wurde zudem, dass wir uns viel Führung komplett ersparen können, da sie bereits stattfindet. In einer Geschäfts Modell Simulation haben wir dazu herausgefunden: Die erarbeiteten alternativen Geschäftsmodelle wichen nur gering voneinander ab. Warum es dazu kommt und was das mit Führung zu tun hat, ist ein anderer Blogpost, den ich in den nächsten Tagen schreibe.

Für heute freue ich mich, dass die Arbeit von Andreas Zeuch und mir auch von der Financial Times Deutschland als notwendig und zukunftsorientiert erachtet wird. Schließlich ist der Artikel in dieser Rubrik erschienen:

FTD-Serie: Enable: Besser wirtschaften

Enable ist die Ideengrube für Manager und Unternehmer: mit Lösungswegen, Case Studies und Managementgeschichten zum Nachmachen.

Viele Grüße und bis bald
Gebhard

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Affenmärchen in der Praxis

In Masse intelligent Sinn finden, anstatt gesund zu verdummen [3]

Intelligenz ist in Masse nicht nur möglich, sie ist dringend nötig, nehmen wir uns selbst und unsere Wahrnehmung der komplexer und turbulenter werdenden Welt ernst. Es ist allerdings kurzsichtig anzunehmen, dass neue Kommunikationstechnologien und die drängelnde Globalisierung ausreichen, um schnell und übergreifend diese Intelligenz zu erschließen. Sie war schon immer da und so gab es auch schon immer die Option, sie für Entscheidungen zu nutzen (siehe Vergleichstabelle). Was also hindert uns daran?

Es sind seit jeher andere Mechanismen, als technologische oder kommunikative Unmöglichkeit, die sie blockieren. Es ist unser Wissen um das verheerende Zerstörungspotential von wildgewordenen Mobs und der Glaube, dies sei die einzige primitiv kognitive Ausdrucksmöglichkeit von Massen. Gerade so, wie die ausländerfeindlichen Ausschreitungen von Lichtenhagen 1992. Dabei gab es und gibt es immer wieder Beispiele für friedliche und durchaus intelligente Massenbewegungen wie etwa zum Ende der DDR oder nach den Bombenanschlägen in Madrid im Jahr 2004.

In unseren Firmen herrscht der Glaube, Wiederstand richtet sich einem Naturgesetz gleich, selbst wenn friedlich, von den unterdrückten Denkdelegierern in Gewerkschaftsstreiks gegen die Denkregulierer. Es ist zudem die Sehnsucht der Denkregulierer, der sozialen Auseinandersetzung mit den Delegierern entfliehen zu können, ohne ihren Status und ihre Privilegien aufzugeben. Es ist die Furcht vor den Entscheidungen, die aus Schwärmen heraus getroffen werden. Es ist die Angst, unbedeutend in einer Masse unterzugehen oder, aufgrund einer unvorhergesehenen Situation, plötzlich innerhalb der Masse individuell im Scheinwerferlicht zu stehen. So wie es Adolf Sauerland ergangen ist, seines Zeichens Duisburger Oberbürgermeister und politische zentrale Figur in der Auseinanderseztung um die tödliche Massenpanik bei der Loveparade 2010.

Menschenmassen beinhalten Gefahren, vor allem dort wo man sie einsperrt, kontrolliert, pfercht, verängstigt und politisch oder gar demagogisch anheizt. Mit durchlässigen Grenzen, transparentem Denkraum und der Notwendigkeit ihn auch zu nutzen, mit klugen Abstimmungsmöglichkeiten und einbeziehender Kommunikation ist die Intelligenz von Menschenmengen ein wichtiger, richtiger und sicherlich notwendiger Quell für existenzsichernde Veränderungen auch und gerade in Unternehmen.

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Eingeordnet unter 06 Masse mit Klasse, In Masse intelligent Sinn finden anstatt gesund zu verdummen

In Masse intelligent Sinn finden anstatt gesund zu verdummen [1]

In der Geschichte werden die beiden Rollenbilder ersichtlich, die das gesunde Wirtschaften daran hindern, Zugang zur Massenintelligenz zu bekommen: Denkdelegierer und Denkregulierer. Mike ist ein Denkdelegierer. Es ist nicht so, dass er es nicht könnte, er will es einfach nicht mehr. In vielen Gesprächen höre ich dann die Feststellung: „Sehen sie, und genau deswegen funktionieren ihre Ideen auch nicht in der Praxis, die Menschen wollen doch gar nicht mitdenken!“ Das ist schon richtig, muss ich dann unumwunden zugeben, allerdings nur solange die Denkdelegierer in den Denkregulierern ihren Gegenpart finden. Solange diese spezifische Interaktion funktioniert, sind alle Beteiligten geblendet. Denkregulierer sind dann all jene, die sich voller Inbrunst über die Denkdelegierer ereifern und selbst keinen Millimeter von ihrer Regulierungsmacht abrücken. Es sind die Führungskräfte, Spezialisten, Experten und Superhirne, die es kaum ertragen können, dass irgend jemand über ihre Rückschlüsse und Erkenntnisse nachdenkt, vielleicht sogar wagt, sie in Frage zu stellen oder, noch schlimmer, einen Fehler darin entdeckt und eine Verbesserung beizutragen hat. Sie setzen sich in machtvolle formale oder informelle Nester und würden bei klarem Verstand nie öffentlich zugeben, dass sie selbst einer der wichtigsten Gründe dafür sind, dass all die Denkdelegierer mit ihrer Verantwortungsabgabe durchkommen. Sie halten das Prinzip der Unterordnung und seine mannigfaltigen Masken und Rechtfertigungen, denen Immo Sennewald in „Der menschliche Kosmos“ ein eigenes Kapitel widmet, für unverzichtbar. So sind sich beide in Einem absolut einig: Es muss einen geben der entscheidet und sagt wo‘s lang geht!

Zwischen Denken vorschreiben und es den anderen überlassen bilden sich Räume für gegenseitige Beschwerden und Schuldzuweisungen übereinander. Hier entsteht in allen gesund wirtschaftenden Unternehmen eine Art Gravitation. Bildlich kann man sie sich wie das schwimmende Gegengewicht in einem Wolkenkratzer vorstellen. Weithin unerkannt und fast unsichtbar stabilisiert es doch das gesamte Gebäude und bewahrt es davor einzustürzen. Auch krank wirtschaftende Systeme profitieren von der Dominanz der Denkregulierer – nur gibt es dort keine Denkdelegierer. Das Denken wird allen andern schlicht unter Androhung schwerer Strafen verboten und mit Umsetzung der Bestrafung faktisch entzogen. Wer möchte schon denken, geschweige denn den Mund aufmachen, wenn es schweres Leid auch für Familienangehörige, Kerker oder gar den Tod bedeutet. Die Stabilität entsteht hier, indem Sanktionen brachial durchgesetzt werden, sie lebt von der weiten Sichtbarkeit dieser Macht. Im gesunden Wirtschaften bedeutet entscheiden hingegen, dass alle den Eindruck haben, denken zu können und zu dürfen, wenn sie nur wollen. So steht es wohl jedem offen, Karriere zu machen, an die Schalthebel der Macht zu gelangen und mit diesem Schritt bei den Denkregulierern einzusteigen. Die Stabilität dieses Systems kommt nicht zuletzt aus dieser kleinen, aber doch vorhandenen Durchlässigkeit. Es ist so wie der Glaube an den Lottogewinn, der sich darauf begründet, dass immer irgendjemand gewinnt. Dabei übersehen wir gerne, wer hier äußerst zuverlässig und kontrolliert gewinnt – der Lotteriebetreiber.

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