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Verdeckte Gleichmacherei und andere Unterscheidungen [1]

An dieser Stelle kommt es darauf an, wo Sie diesen Text lesen! Zu Hause, im Zug, auf Arbeit? Es kommt darauf an, weil Sie sich jetzt ein Bild von ihrem Arbeitsalltag machen sollen. Wenn Sie zu Hause oder im Zug sitzen, schließen Sie kurz die Augen und denken Sie an Ihre Arbeitskollegen und -kolleginnen. An die Menschen, die zu Ihrer Abteilung, ihrem Bereich gehören. Vielleicht sehen sie sich täglich, oder, wenn Sie im Außendienst tätig sind nur ab und an. Stellen Sie sich die Kollegen vor Ihrem inneren Auge vor oder beobachten Sie kurz, wenn Sie das Buch am Arbeitsplatz lesen.

Vermutlich finden Sie eine Vielzahl unterschiedlicher Charaktere, da ist der stille, immer etwas schüchterne Kollege und die Kollegin, die immer zu viel Privates erzählt, deren Tischnachbar lacht dann zu laut und gibt Ihnen und ihrer Tischnachbarin guten Stoff für den Klatsch und Tratsch in der Kaffee-Ecke. Vielleicht sehen Sie auch den Choleriker oder einen ständig eingeschüchterten und fast schon verängstigten Mitarbeiter. Einen starken Raucher oder den asketischen Ausdauersportler, den allseits bekannten und doch sehr geselligen Quartalssäufer oder den aufstrebenden Karriereopportunisten, dessen Kopf immer im Hintern einer Führungskraft steckt, während seine Füße gekonnt die anderen Kollegen klein treten. Natürlich können sie auch eine dynamische und alles in allem sich gut verstehende Gruppe unterschiedlichster Menschen sehen, die gerne zusammen arbeiten und ihre Aufgaben umsetzen!

Haben Sie das Bild vor Ihrem inneren Auge? Dann werde ich Sie jetzt vermutlich überraschen!

Es handelt sich, so der Anschein, um einen bunt gemischten Haufen, den vor allem die gemeinsame Firma verbindet. Doch ist das so? Sind sie wirklich so unterschiedlich?.

Im Buch »Machtwechsel im Management« findet sich ein Abschnitt über Teams. Unterschieden werden hier „kollektive“ und die allseits beschworenen „synergetischen Teams“, in denen die Stärke der Gruppe größer ist, als die zusammengenommene Summe der Einzelstärken. Anders als in anderen Büchern hat Uwe Renald Müller, der Autor, nicht angenommen, diese synergetische Mehrleistung entstände automatisch durch die Bildung von und die Arbeitsorganisation in Teams – wie es etwa in der Industrie seit Jahren im Rahmen von Fertigungsinseln umgesetzt wird. Vielmehr suchte er nach den Unterschieden zwischen den „normalen“ und den „synergetischen Teams“. Während Letztere eine Leistungssteigerung um Größenordnungen erreichen, schaffen die meisten Gruppen es offensichtlich nicht, mehr zu sein als die Summe ihrer Bestandteile. Müllers Ergebnisse sind auch eine Erklärung dafür, warum sich viele Menschen bezogen auf ihre Arbeit auf Anhieb verstehen und andere – Exoten – so gar nicht dazu passen wollen.
Stellen Sie sich eine Abteilungsleiterin vor. Ganz der modernen Lehre verpflichtet, versteht sie ihre Aufgabe darin, ihre Mitarbeiter zu koordinieren und zu coachen. Sie ist eine verständnisvolle Ansprechpartnerin, für alle Kollegen gleichermaßen da und schlichtet Konflikte. In ihrem Führungsverständnis trifft sie auch bei anderen Angestelltentypen wie etwa dem Teamleiter, der Büroleiterin und auch bei den Sachbearbeitern und Werkern auf Verständnis. Alle, sogar der Selbständige, sind sich einig: Heute ist die Arbeit in Teams abzuwickeln und die Führung hat vornehmlich so etwas wie eine koordinierende Aufgabe.
Dabei wird gerade übersehen, dass diese Annahme nur für Gruppen ähnlicher Individuen – also Kollektive – korrekt ist. Im Kollektiv erfüllen alle einfache oder auch komplizierte aber im Wesentlichen immer gleichbleibende Aufgaben: Sie sind linear voneinander abhängig.
Nehmen wir beispielsweise einen Verkaufsprozess. Der Vertriebsmann, trifft sich mit einem Kunden und wird sich mit ihm einig. Er gibt die Details wie Rechnungsanschrift, Kundennummer, bestellte Produkte, Liefertermin und Preis an die Zentrale weiter. Dort legt der Vertriebsinnendienst die Bestellung im System an und schickt die Auftragsbestätigung an den Kunden. Der Kunde bestätigt und der Vertriebsinnendienst gibt die Einzelaufträge an die Lieferanten und die Fertigung weiter. Nach Lieferung und Erstellung werden die Produkte im Lager kommissioniert und an den Fahrer übergeben. Der liefert die Ware an den Kunden. Vierzehn Tage später bucht man in der Debitorenabteilung den Geldeingang des Kunden. Der Prozess Produktverkauf ist abgeschlossen.

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Vereinbarungen brechen [2]

Unternehmen als Staat im Staat verschwinden. Vor fünfzehn Jahren galt man noch als verbeamtet, wenn man den Vertrag bei Daimler, Siemens, Bosch … unterschrieben hatte. „So lang man keine silbernen Löffel klaut …“ wurde unter nicht wirklich vorgehaltener Hand gefeixt oder gelästert – je nachdem ob man drin war oder draußen. Heute verweisen Führungskräfte dieser Unternehmen Berater freundlich vor die Tür, die ihnen etwas von Drei-Jahres-Strategie oder noch längeren Zeiträumen erzählen. Selbst in den Forschungs- und Entwicklungsbereichen ist man froh, wenn die kommenden sechs Monate arbeitsinhaltlich überschaubar oder sogar stabil sind. Mit den Turbulenzen in den Inhalten sind auch Degradierungen, Auslagerungen in Auffanggesellschaften, Gehaltseinbußen und dergleichen verbunden. Selbst „beim Daimler“ kann man sich nicht mehr auf den eigenen Lorbeeren ausruhen. „Harvester“, wie die Versicherungsbranche liebevoll die Mitarbeiter nennt, die ihre erarbeiteten Pfründe verwalten, sterben aus und mit ihnen das Beamtentum in den Konzernen. Vergessen Sie also die Vereinbarung, dass Großunternehmen einen geordneten Arbeitsablauf, feste Arbeitszeiten, sichere Urlaubsentgelte und all die anderen Komfortzuwendungen bieten. Selbst wenn der Konzern Sie noch so gern als dauerhaft funktionierendes Rädchen im Getriebe kaufen möchte, er kann es sich oft nicht mehr leisten.

Aus der Traum von finanzieller Unabhängigkeit aufgrund anständiger Arbeit. So wie Edus Vater wird es in meiner Generation, die noch nicht das fünfzigste Lebensjahr vollendet hat, niemandem ergehen. Die Wenigsten der angestellt Beschäftigten werden sich gelassen mit den Worten zurücklehnen können: „Finanziell bin ich durch, das ist eine runde Sache und es bleibt immer noch Energie und Zeit für was Neues.“
Auf den Staat können wir da auch nicht mehr zählen. Von einer ausreichenden Rente mit siebenundsechzig hat der sich seit den Riestergesetzen ohne großes Tamtam öffentlich verabschiedet. Bei den meisten Beschäftigten ist das seltsamerweise noch nicht angekommen. Gerade die Angestellten, die mittleren Führungskräfte und die Studierten unter uns glauben, sie bekämen es noch hin, finanzielle Unabhängigkeit oder sogar Freiheit zu erreichen. Langzeitbeobachtungen sagen etwas anderes. Da verschwindet die Mittelschicht zusehends. Wenn wir nicht bald anders handeln, wird es zwar weniger aber dafür noch reichere Reiche geben und viel, viel mehr Arme.
Konsequent weiter gedacht, befinden wir uns an der Schwelle zu einer erneuten Epoche des Glücksrittertums. Für die Zukunft des Profits aus Beschäftigung stellen sich folgende Archetypen vor:

  • Glücksritter: Der charmante Gentleman-Gauner à La Ocean aus dem gleichnamigen Film. Für ihn könnte vom Typ her durchaus Lance Armstrong als Vorbild dienen.
  • Ausbeuter: Ebenso skrupellose wie großmächtige Profitproduzenten – Siemens mit seiner Korruptionsaffäre zeichnet das vor.
  • Sklaventreiber: Stasigleiche Bespitzelungsmeister, die es ein wenig gescheiter anstellen als Lidl oder die Deutsche Bahn.

Vergessen Sie die Vereinbarung, dass einem anständige Arbeit ein gutes Leben und Erfolg einbringt und dass Wohlstand für alle unser wirtschaftlich-gesellschaftliches Ziel ist. Selbst wenn Sie sich genau wie ich nach Anstand sehnen: Es hat sich ein Konglomerat aus Bürokratie, Vertuschung, Gier, Macht und Heldentum eingenistet, das Erfolge an seinen Leistungskatalogen ausrichtet und Fragen nach dem Tribut, den Menschen und Umwelt dafür erbringen ebenso ausdauernd verhindert, wie die nach Sinn, Kooperation und Fairness.

Gute Unterhaltung - Das Album von Heinz Rudolf Kunze bei Amazon kaufenWas will ich damit in Bezug auf die Arbeit sagen? Ein wenig flapsig ausgedrückt: Die Zeit, in der ruhig die Kugeln geschoben wurden, ist vorbei. Und wenn wir uns nicht den Glücksrittern, Ausbeutern und Sklaventreibern hingeben wollen, müssen wir aufstehen und uns für menschliche Arbeit ins Zeug legen. Wir müssen aufhören, Teil einer Beschäftigungsstatistik zu sein und uns stattdessen intelligent und sinnerfüllend innerhalb eines wirtschaftlichen Systems engagieren. Die Zeit der stumpfen Arbeitserfüllung mit wohlständischem Ausgang geht zu Ende – und das ist gut so.

Es gibt neuen Raum, Arbeit zu gestalten – gerade weil die über Jahrzehnte gültigen impliziten Vereinbarungen von Stabilität, Sicherheit und langfristig zugestandener Unabhängigkeit platzen. So ruhig wie die letzten dreißig Jahren wird es in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zugehen. Daraus folgt: Wir sind aufgefordert Arbeit neu zu durchdenken, auszuhandeln, zu gestalten und umzusetzen. Die Arbeitsumgebung kann künftig so düster aussehen, wie es Siemens, Schlecker und Co. vorzeichnen, sie muss es aber nicht!

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