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Sinn fordert Unternehmen heraus [1]

Um erfassen zu können was herausfordert, was es bedeutet, im Unternehmen oder im eigenen Leben sinngekoppelt zu sein, nutzt es, den Begriff Sinn zu differenzieren. Diese Unterscheidung kann es im Leben nicht alleine und in Reinform geben, dort werden die jetzt vorgestellten Sinnbegriffe zumeist parallel stattfinden. Die analytische Trennung ist allerdings für das Verstehen hilfreich:

Eigensinn
Seinem Leben Sinn zu geben ist eine tief verwurzelte menschliche Sehnsucht. Ein Wunsch, der das eigene Handeln bestimmt, ebenso wie das Nachdenken darüber und Vorstellungen von künftigem Glück.

Fremdsinn
Gehe ich weiterhin von mir selbst aus, so stoße ich recht schnell an die Grenzen der eigenen Möglichkeiten, meinen Eigensinn zu erreichen. Will ich etwas, dass mir fehlt, brauche ich andere Menschen, die es mir für irgend etwas, das ich tue oder bin, geben. So muss ein Schauspieler das Stück auch wirklich aufführen, um dafür Applaus zu bekommen und das Kind muss spürbar im Bauche der Mutter sein, damit es ihre Liebe erfährt.
In dem Maße, wie wir andere brauchen, um unseren Eigensinn zu erfüllen, konfrontieren wir sie mit unserem, für sie fremden Sinn. Fremdsinn ist in seiner Natur einflussnehmend und manipulativ. Praktisch alle Unternehmen strukturieren und formalisieren sich über Fremdsinn. Während die Geschäftsführung noch hie und da ihren Eigensinn in den Vordergrund stellen kann, sind die meisten Angestellten und Arbeiter an Vertragsverhältnisse gebunden, die ihrem Eigensinn den Fremdsinn der Führung voran stellen. Wir alle kennen die Paragraphen der Arbeitsverträge zur Weisungsbefugnis und den Satz: „Das macht zwar keinen Sinn, aber wenn der Chef es so will – Sein Wille sei mir Gesetz – er wird schon sehen, was er davon hat!“

Gemeinsinn
Mit Gemeinsinn bezeichne ich die Situation, in der Eigen- und Fremdsinn mehrerer Menschen sich so ähnlich sind, dass die Unterschiede geringer sind als die Gemeinsamkeiten. Eine Gruppe von Menschen leistet und handelt in diesem Moment miteinander in dieselbe Richtung. Sie beziehen sich auf ein vergleichbares Wohin und Wozu. Dies kann eine gemeinsame Weltanschauung ebenso sein, wie ein gemeinsames Wirtschaftsunternehmen. Gemeinsinn entsteht durch Sinnkopplung.
Das Resultat von Gemeinsinn ist die Leistung einer Gruppe, bei der die Summe der Einzelleistungen jedes Mitglieds weit übertroffen wird. Uwe R. Müller spricht hier von synergetischen, andere von wahren Teams. Der in der Gruppe gewonnene Gemeinsinn ist außerhalb der Gruppe weiterhin ein Fremdsinn.
Abzugrenzen ist der Gemeinsinn sicherlich vom „Gemeinwahn“. Natürlich nur äußerlich, innerhalb einer Gruppe ist die Unterscheidung zwischen Wahn und Sinn von zugehörigen Menschen kaum zu leisten.
So kenne ich einen Erfinder, nennen wir ihn Achim, der im Rahmen seiner Doktorarbeit eine neuartige Technologie entwickelt hat. Nach der Doktorarbeit wollte sich Achim mit dieser Technologie in Form von konkreten Produkten verwirklichen. Er gewann sowohl fachliche Mitstreiter, wie auch Investoren, die an seinen Eigensinn und später an den Gemeinsinn der wachsenden Gruppe angekoppelt haben. Alle, Mitentwickler, Mitarbeiter, Investoren, Anwälte und Gesellschafter – durchaus hoch intelligente Menschen – haben einen Gemeinsinn und aus ihm heraus eine beeindruckende Energie entwickelt, um die Produkte an den Markt zu bringen. Aus dieser Energie entstand ein Millionenunternehmen, mit glorreichen Aussichten auf Umsätze und Gewinne. Nach drei Jahrzehnten ist es einem jetzt bei Achim angestellten Doktoranden gelungen, wissenschaftlich nachzuweisen, dass Achims Grundannahmen zur Technologie falsch sind und die erhofften Produkte gar nicht funktionieren können. Selbst mit diesem Wissen brauchte es weitere Jahre, kostete Millionen von Euro und trieb Achim körperlich und menschlich an den Rand seiner Existenz, bis die Gruppe, und unter ihnen zuletzt auch er, von ihrem Gemein(Wahn-)Sinn ablassen konnte.
Der Wahn ist der beängstigende und zerstörerische Zwilling des Sinns. Innerhalb des Wahns ist Handeln für seine Anhänger absolut sinnvoll und richtig, während es für Außenstehende häufig destruktiv, verletzend und sogar existenziell gefährlich ist.

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Wo fängt Verantwortung an [2]

Oft dauert es einige Zeit. Man ist so mit Karriere, mit Beziehung, mit Familie gründen, Haus bauen, mit gesellschaftlicher Erwartungserfüllung und damit beschäftigt, den notwendigen Geldzufluss aufrecht zu erhalten, dass einem gar nicht auffällt, wie sich die Selbständigkeit, die eigene Freiheit, verflüchtigt. Dabei will ich niemanden in Schutz nehmen, jeder kann sich in unserem Land, wann immer er oder sie möchte, für ein anderes Leben entscheiden. Die Buchregale sind voll von Menschen, die so etwas gemacht haben, wie etwa der erfolgreiche Arzt, der heute als Brummifahrer glücklicher ist als je zuvor. Dennoch, für die weite Masse ist es ein beobachtbares Phänomen, irgendwann die Flügel zu streichen, den Revoluzzer einzupacken, sich der »Realität« zu stellen und das zu sein, was man als Kind und Jugendlicher nie werden wollte: ein spießiges kleines Rädchen im Getriebe der Massenproduktionsmaschine.

Erinnern Sie sich an die letzte engagierte Rede Ihres Geschäftsführers, Betriebsratsvertreters, Bürgermeisters oder von einem der konservativen Prediger für den wirtschaftlichen Wandel wie beispielsweise einem ehemaligen Vorstand eines Großkonzerns oder einem Vertreter der großen internationalen Beratungshäuser? Zwei Forderungen dürfen in diesen Reden nicht fehlen: Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Beide sprechen unsere Sehnsucht nach Freiheit, nach Selbstbestimmtheit ja nach Selbsterfüllung und damit unsere Suche nach Sinn an. Die Ideale unserer Gesellschaft, das, wofür unsere Vorfahren in Revolutionen und blutigen Bürgerkriegen gestorben sind, wird öffentlich gerne in die Waagschale geworfen und mit euphorischem Applaus bestätigt. Die Wirklichkeit in Unternehmen sieht anders aus. Das System des gesund wirtschaftenden Unternehmens funktioniert anders. Man kann uns Selbständigkeit und Eigenverantwortung gar nicht zubilligen, denn darin liegt auch die Möglichkeit, sich wie Andreas gegen das Unternehmen zu entscheiden und damit Probleme zu verursachen. Für den reibungslosen Verlauf einer Firma im aggressiven Gesellschaftssystem sind Abhängigkeit, Fremdverantwortung und Unselbständigkeit wichtig. So wie sie bei Andreas nach seinem Ausstieg deutlich wurden. Denn sie sollen die Kontrolle über die Arbeitskraft und die Umsetzung des Leistungspotenzials durch das Unternehmen sicher stellen. Achten Sie darauf, wenn Ihnen das Qualitätsmanagement, das Human Ressources oder die Linienorganisation mit ihrer Hierarchie das nächste Mal gegenüber tritt. Geht es dann um Eigenverantwortung und Selbständigkeit oder um Abhängigkeit, Unselbständigkeit, Schuldzuweisung und -delegation? Ein Trost mag darin zu finden sein, dass es bedeuten würde, die Welt aus den Angeln zu heben, wollte man das ändern, denn zu viele sind davon betroffen. Wer will so etwas von sich selbst fordern? Ein Trost mag darin zu finden sein, dass die anderen ja auch weg schauen und gerade so weiter machen wie immer. Man muss ja nicht überall unter den Ersten sein? Trost also, lässt sich für den einen oder die andere finden, Lösungen sicherlich nicht.

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