Archiv der Kategorie: Natürlich führen

Wenn Führung zu ernst genommen wird

Es ist keine Neuigkeit, dass es einen Unterschied zwischen Vorstellung und Wirklichkeit gibt. Dennoch scheint dieser schlichte Fakt mit Bezug auf Führung in Unternehmen weithin ignoriert zu werden. In der Vorstellung erscheint es nützlich, eine formale Führungsstruktur festzulegen. Wir versprechen uns davon Übersicht, Zuverlässigkeit, verantwortlichen Umgang mit Ressourcen, Struktur, Stabilität, Effizienz, Effektivität, Wirtschaftlichkeit und Produktivität, um die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Erwartungen zu nennen.

Ich habe absichtlich eine Geschichte aus dem Privatleben gewählt, um die Absurdität unseres geschäftlichen Anspruchsdenkens zu verdeutlichen. Im Privaten bestreiten wir nicht, dass die Dinge anders kommen als man denkt und Pläne nur so lange gültig sind, bis sich die wirkliche Situation einstellt. In der Situation wird immer und vor allem auch improvisiert. Oft werden alle Pläne von einem Moment auf den anderen, ohne großes Tamtam, langes wütendes Zetern oder gar sinnloses Festhalten am Plan über Bord geworfen. Es macht einen hie und da nachdenklich, wie selten unsere Pläne tatsächlich erfüllbar sind, dennoch verschwenden wir im Privaten wenig Zeit darauf, das zu diskutieren oder gar zu analysieren. Die Wirklichkeit schafft die Fakten und so ist es dann eben. Im Privaten vergeuden wir unsere Energie in der Situation auch nur im Ausnahmefall darauf zu diskutieren, wer jetzt gerade führt und ob dieser Führungsanspruch gerechtfertigt ist. Führung springt stattdessen zumeist flüssig und elegant von einer Person zur nächsten – zu Kindern, wie das Beispiel zeigt, beinahe unvermeidlich.

Es gibt sicherlich eine unausgesprochene Grundordnung, wer für was zuständig ist. Fixiert in Verträgen oder Diagrammen ist diese bestimmt nicht, und auch im täglichen Zusammenleben hat sie selten mehr Wert, als den einer groben, höchst flexiblen Richtschnur, die jederzeit neu geknüpft werden kann und wird. Werden Machtpositionen im Privaten eingeklagt, führt dass in den allermeisten Fällen, um nicht zu sagen immer, zu einer Handlungsblockade im System. Kinder weigern sich plötzlich trotzig und werden nicht selten über den physischen Kraftvorsprung der Eltern zum Mitgehen, Anziehen oder auch Ausziehen bewogen. Diese Dominanzmöglichkeit endet dann spätestens im Teenageralter und wird von der Einkommensgewalt abgelöst, die Eltern auf ihre Kinder ausüben können, bis diese ihr eigenes Geld verdienen und so auch diese Abhängigkeit verlieren. Im Privaten ist klar: Formale Macht einzuklagen, Anspruch darauf zu erheben und die anderen zu zwingen, nach diesen formalen Machtstrukturen zu handeln, blockiert die Handlungsfähigkeit des Systems, produziert Frust, Verbitterung sowie physische und psychische Wunden und ist weder produktiv noch effektiv, noch menschlich oder lebensbejahend.

Jetzt können Sie gerne Oliver durch einen aufsässigen aber intelligenten Experten ersetzen, Torsten zum Manager machen und seine Frau zu seinem Stellvertreter oder umgekehrt und aus Carlota wird ohne großen Aufwand eine ganz normale Arbeitskraft, die hin und wieder ein paar Streicheleinheiten braucht. Aus dem Eisbärspiel wird der neue Firmenwagen und Frau Hammer zur Geschäftsführerin. So schnell wird aus einem privaten Beispiel ein alltägliches Drama, wie es sich in unseren Unternehmen abspielt, leider ohne den versöhnlichen Ausgang, den wir im Privaten häufig erleben.
Wir glauben allen Ernstes, dass einige wenige Menschen, die wir Manager nennen, dazu fähig sind, all diese Hoffnungen auf gutes Gelingen für eine Organisation, egal wie groß, positiv umzusetzen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Es gibt einen Unterschied zwischen formalem Management und natürlicher Führung. Letztere hält sich schlicht nicht an formale Vorgaben. Sie ergibt sich aus dem Leben, sie ist zwingend ein sozialer Prozess. Die Konsequenz: Jede Form formalisierter Hierarchie behindert natürliche Führung ohne sie wirklich optimieren zu können. Sie verstockt lebendige Intelligenz zu einer Betonwüste, in der Wissen Macht ist und sinnhaftes Verhalten für das Gemeinwohl dem subjektiv egozentrischen Sinn geopfert wird: politische oder persönlichen Vorteile erhalten das Primat. Formalisierte, strukturierte Führung ist die Krankheit, für deren Heilung sie sich ausgibt.

Überzeugt? Buch hier bestellen!

Ein Kommentar

Eingeordnet unter 07 Management ist Geldverschwendung, Natürlich führen

Natürlich führen

Der ganz normale Alltagsmorgen-Wahnsinn war wieder da. Gestern, am letzen Ferientag hatte Torsten seinen fünfjährigen Sohn Oliver noch ausschlafen lassen. Heute musste pünktlich aufgestanden werden, wollte man die Kindergartentür nicht verschlossen vorfinden und den erniedrigenden Klingel-Pünktlichkeits-Belehrungsprozess der Kindergartenleiterin, Frau Hammer, riskieren. Mit seiner Frau hatte Torsten abgesprochen, dass sie sich an diesem ersten „Arbeitstag“ um die kleine Schwester von Oliver, Carlota, kümmern würde. Als er um kurz vor sechs Uhr aufstand war alles im Plan. Direkt an den Rechner und in Ruhe, bis kurz vor sieben, die Emails und den Formalkram fürs Büro erledigen, dann Oliver wecken. Um sechs Uhr dreißig wurde der Plan zum ersten Mal von Oliver gestört. Er wachte in froher Erwartung auf den Kindergartentag und das Wiedersehen mit seinen Freunden viel früher auf, als angenommen. Jetzt mussten die Malis erst einmal warten, doch das machte nichts, dann kam Oliver einfach früher in den Kindergarten und das dadurch entstehende Zeitfenster würde reichen, um vorbereitet ins Büro zu kommen. So schwang sich Torsten unter die Dusche und trug Oliver auf, sich anzuziehen. Als Torsten angezogen aus dem Bad trat musste er feststellen, dass sein Sohn dem Anziehen das Spiel mit der Holzeisenbahn vorgezogen hatte. Das Kinderzimmer war ein Chaos aus Schienen, Häuschen, Bahnübergängen, Verkehrsschildern Zügen und Modellautos. Torsten seufzte. Mit ein wenig Nachdruck und tatkräftiger Unterstützung von Papa gelang es, Oliver einzukleiden und zum gemeinsamen Frühstück aufzubrechen – ein wenig verspätet. Torsten richtete, wie jeden Morgen, alles in der Küche auf einem Tablett zusammen und Oliver half ihm, indem er die Tischsets, das Besteck und das Geschirr auf dem Esszimmertisch platzierte. Kaum hatte Torsten den ersten Schluck Tee zu sich genommen, hörte er Carlota quäken. Zum Glück war dafür seine Frau zuständig!

Nach fünf Minuten ständig wütender werdendem Gequäke stand Torsten auf und sah nach seiner Frau. Diese hatte über Nacht ein Novovirus oder etwas Vergleichbares heimgesucht. Geschwächt und kreidebleich war sie kaum in der Lage, mit Torsten zu sprechen. Das hatte die organisatorische Konsequenz, dass er sich auch um Carlota kümmern musste. Das vorgesehene Zeitfenster, um im Büro vorbereitet aufzutauchen, war soeben zugeschlagen. In der Zeit, in der Torsten Carlota anzog, überkam Oliver die Sehnsucht, Eisbär zu spielen und so hatte er kurzerhand die Sofakissen und den Wohnzimmertisch neu angeordnet, schließlich brauchte es für sein Spiel Eisschollen, Schneeberge und dergleichen mehr. Torsten seufzte.

Nach der Carlota-Fütterung war Oliver noch immer in sein Spiel vertieft und konnte nicht so einfach davon überzeugt werden, dass der Kindergarten eine wirklich attraktive Alternative zum Spiel im Wohnzimmer sei. Erst mit dem Versprechen, ein Pausenbrot mit Nutella zu bekommen, war seine Begeisterung neuerlich entfacht. Also: Carlota in den Kinderwagen, Oliver Jacke, Schuhe und Kindergartenrucksack anziehen, raus auf die Straße und zügig Richtung Kindergarten – so der neue Plan von Torsten. Kaum waren sie allerdings auf der Straße, griff Oliver die Hand seines Vaters und erklärte ihm: „Papa, so schnell zu laufen ist gefährlich und außerdem schaffe ich das gar nicht. Komm, ich zeig dir, wie das geht!“ In Anbetracht der nicht mehr einzuholenden Verspätung ergab sich Torsten in sein Schicksal, lächelte und trottete im Tempo seines Sohnes, mit einigen Zwischenstopps zur Erkundung von Käfern, Blättern, Gräsern und schlichtem Straßendreck, zum Kindergarten.

Die Türe war, wie zu erwarten, bereits verschlossen. Mit Carlota im Arm, die wieder eingeschlafen war, klingelte Torsten, ließ die mütterliche Belehrung über Pünktlichkeit von Frau Hammer über sich ergehen und wurde von Oliver an der Tür verabschiedet, nachdem er ihm geholfen hatte die Jacke auszuziehen. Auf dem Heimweg rief er im Büro an, um zumindest für den Vormittag frei zu nehmen, damit seine Frau wieder einigermaßen auf dem Damm sein konnte, wenn Oliver aus dem Kindergarten zurückkam.

Überzeugt? Buch hier bestellen!

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter 07 Management ist Geldverschwendung, Natürlich führen