Thomas Mampel (links) stellt die Frage in seinem Aufruf zur Blogparade vom 06. April. Da sie mich in meinen aktuellen Projekten ebenfalls umtreibt, nehme ich an der Parade teil.
In meiner einzigen ernsthaften Anstellung als studierter Betriebswirt war mein Chef das, was ich lange Zeit unter eine guten Führungskraft verstand. Er war integer, offen, intelligent, bestimmt, aktiv, fair, engagiert, ein gutes Beispiel, verlässlich und verschiedene positive Dinge mehr.
Es handelte sich um den Geschäftsführenden Gesellschafter der Firma. Ein Erlebnis erklärt, was ich meine:
Im Rahmen unserer Zusammenarbeit kam es zu einer Auseinandersetzung. Ich war überzeugt, er fährt das Unternehmen gegen die Wand. Er erklärte mir, dass es seine Firma ist und er das machen kann, wenn er es für richtig hält. Wir konnten uns nicht einigen. Er bot mir daraufhin an, zu kündigen. Bis ich mir darüber klar war, ob ich das wollte, sollte ich einfach weiter arbeiten. Sobald ich mich entschieden hatte – über ein halbes Jahr später 😉 – kündigte mir die Firma, damit ich keine Probleme mit dem Arbeitsamt bekomme.
In den gesamten sechs Monate begegnete er mir weiterhin freundlich, offen und fair. Kein böses Wort, kein eingeschnappt sein, kein Ärger. Als wir uns drei Jahre später erneut trafen, schien es, als ob es überhaupt nie einen Zwist gegeben hätte.
Noch heute schaue ich mit Respekt und Hochachtung auf diesen Menschen zurück. Dennoch beschreibe ich ihn nicht mehr als gute Führungskraft. Er war ein menschenfreundlicher Patriarch, ein aufgeklärt toleranter Autorkrat. Vieles in Führung hat er auch nach meinen heutigen Maßstäben vorbildlich richtig gemacht. Doch seine Grundhaltung war falsch.
Eine zentrale Grundannahme von guter Führung ist, dass die Führung Richtungsentscheide für andere mittrifft.
Meine Grundthese lautet: Gute Führung macht Menschen die anstehenden Richtungsentscheide deutlich und moderiert sie durch den Entscheidungsprozess. Zu keinem Zeitpunkt nimmt sie die Entscheidungsverantwortung ab!
Die Eigenschaften des Engagements, der Fairness usw. bleiben davon unberührt. Trotzdem ändert sich alles, mit diesem Wandel der Grundannahmen.
Ich bin überzeugt. Eine gute Führungskraft zeichnet sich dadurch aus, dass sie
- KollegInnen mitentscheiden lässt – auch und gerade in schwierigen Situationen.
- weiß und anerkennt, dass eine Vielzahl von Dingen außerhalb ihres Einflussbereichs entschieden werden.
- demütig in den Hintergrund tritt und die KollegInnen zu ihren besten Leistungen ermutigt.
- den Zufall nicht für sich vereinnahmt.
- die Sinnkopplung ihrer Mitmenschen respektiert.
Wir wollen denken!
Gebhard
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Hallo Gebhard,
ich gebe Dir Recht, dass die Eigenschaften wohl übertragbar sind auf weitere Rollen. Sie gelten nicht nur für Führungskräfte, aber eben auch für sie. Dadurch möchte ich die Eigenschaften also nicht auf Führungskräfte reduzieren. Ich würde sowieso gerne ein bisschen demütiger mit dem Titel „Führungskraft“ umgehen- Im Grunde genommen sollte jeder Mensch Führungskraft sein, spätestens dann, wenn er im privaten Umfeld Kinder ans Leben heran führen möchte. Ich sage hier mit Absicht nicht „erziehen“, denn das wäre kein Führen sondern wohl eher Managen.
Beim Thema Rahmenbedingungen möchte ich meine Sicht gerne konkretisieren. Ich meine hier das bewusste Setzen von Rahmenbedingungen durch Führungskräfte. Da man nie alleine ist auf der Welt, bestehen stets Rahmenbedingungen. Das ist wohl wahr. Allerdings sind diese nicht bewusst gesetzt. Als Führungskraft setzt man durch das interne Bewegen innerhalb dieser bewusst gesetzten Rahmenbedingungen Impulse von innen nach außen. Durch diese bewusst gesetzten Rahmenbedingungen wird ebenfalls festgelegt, auf welche Impulse von außen im Unternehmen reagiert wird und auf welche nicht („Unrat vorbei schwimmen lassen“). Hat man diese bewusst gesetzten Rahmenbedingungen in einem Unternehmen nicht, ist das Unternehmen wie ein „Fähnchen im Wind“, hat also keine Identität.
Also bewusst gesetzte Rahmenbedingungen existieren nicht immer, nur wenn sie eben bewusst gesetzt werden. Und das ist aus meiner Sicht die ureigenste Aufgabe von Führungskräften.
BG, Conny
Hallo Conny,
wir nähren uns den Dingen 😉
Zwei Punkte in Deiner Antwort lassen mich weiter denken:
In meinem Ideal führen die (alle) Mitarbeiter eine bewusste Auseinandersetzung mit den äußeren Rahmenbedingungen und definieren über ihre Entscheidungen die Identität des Unternehmens.
Ein Beispiel zum Verstehen:
Unsere Firma baut ein Produkt. Die Identität ist: Unsere Produkte sind vollständig made in Germany / Europe.
Ein Wettbewerber pfeift darauf und kauft Bauteile in China ein. Es gelingt ihm ein vergleichbares Produkt mit unserem Top-Produkt zu 50% unseres VKs auf den Markt zu bringen.
Im klassischen Unternehmen machen sich die Geschäftsführung (ggf.) mit dem Einkaufsleiter auf den Weg nach China und suchen ebenfalls nach Lieferanten für unsere Bauteile. Parallel dazu verschieben die Führungskräfte die Leitplanken bewusst. Sie sagen: „Wenn wir preislich mithalten wollen, können wir nicht mehr rein aus Germany/ Europe unsere Bauteile beziehen. In Zukunft kaufen wir auch Bauteile in Asien ein.“ Bei einigen Mitarbeitern, die sich gerade damit identifizierten, geht die Motivation flöten.
In meinem vorgestellten Ideal, konfrontiert die Geschäftsführung die Mitarbeiter mit den neuen Fakten vom Wettbewerb und moderiert die Belegschaft durch den Entscheidungsprozess, wie sich die Firma dazu stellt.
Das virtuelle Ergebnis: Bevor wir unsere Strategie ändern, gehen wir auf unsere Kunden zu und zeigen ihnen, warum unser Produkt doppelt so wertvoll ist. Da es sich um unser Top-Produkt handelt, ist es keine Billigware. Wir weißen nach, dass all unsere Bauteile unter Berücksichtigung von Umweltstandards, gerechten Arbeitsbedingungen, Wiederverwehrtbarkeit etc. hergestellt sind. Dennoch gehen wir auch nach China und suchen Lieferanten für diese Bauteile. Mit beiden Preisen zeigen wir dem Kunden, was das Produkt in der jeweiligen Ausführung kostet.
Im Dialog mit unseren Kunden entwickelt sich jetzt unsere Identität transparent für alle Kollegen. Entweder ausreichend Kunden sagen: „Das ist es mir Wert!“ oder die Mehrheit meint: „Mich interessiert nur der Preis.“. Dann können wir uns bewusst entscheiden, ob wir den Preiskampf mitgehen wollen/ müssen oder vielleicht sogar das Produkt aufgeben, um unsere Identität zu wahren.
Die professionelle Moderation eines solchen Prozesses halte ich für die ureigenste Aufgabe von Führungskräften. Ich glaube das ist was anderes, als die Entscheidung selbst zu treffen?
Grüße
Gebhard
Hallo Gebhard,
genau wir nähern uns an. 🙂 Dein Beispiel ist sehr eingängig. Danke.
Selbstverständlich bin ich Deiner Meinung, dass die Entscheidung über bewusste Leitplanken und Rahmenbedingungen im Unternehmen bestenfalls von allen Mitarbeitern des Unternehmens getroffen werden sollte. Nur so können sie sich auch mit diesen gesetzten Rahmenbedingungen identifizieren. Das sollten nicht alleine die Führungskräfte tun.
Die Führungskräfte sollten aber eben genau für diese Konstellation sorgen, dass nämlich die Mitarbeiter mitbestimmen können, den Rahmen bewusst zu setzen. Es ist quasi eine Rahmenbedingung zweiter Ordnung. Das liegt alleine in der Hand der Führungskräfte.
Beste Grüße,
Conny
Hallo Conny,
Rahmenbedingung 2. Ordnung gefällt mir gut ;)!
Das geht schon in Richtung der qualitativen Logik, die Du in Deinem Blog aufgegriffen hast. Seither lässt mich das nicht mehr los …
Grüße
Gebhard
Hallo Gebhard,
eine sehr spannende Frage. Eine für mich sehr wichtige Eigenschaft einer guten Führungskraft ist das Umgehen mit Paradoxien in verschiedenen Kontexten. Dazu ein Beispiel.
Auf der einen Seite muss eine Führungskraft akzeptieren und danach handeln, dass die Umwelt des Unternehmens volatil ist. Sie ist stetig in Änderung und immer im Fluss.
Auf der anderen Seite muss eine Führungskraft akzeptieren und danach handeln, dass das Unternehmen eine Identität benötigt, um überhaupt lebensfähig zu sein. Identität haben bedeutet Stabilität und Konstanz. Mitarbeiter müssen sich an gewisse Leitplanken und Prämissen orientieren können um agieren zu können.
Das bedeutet Führungskräfte müssen “scheinbar” für und gegen Veränderung sein. Ich setze das Wort scheinbar in Anführungsstriche, um genau das auszudrücken was das Wort auch meint.
Ich erlebe es immer wieder, dass Führungskräfte meinen, da sie “von oben” keine Leitplanken und Prämissen bekommen, an denen sie sich ausrichten können, diese auch nicht ihren Mitarbeitern geben können. Genau. Eine schlechte Führungskraft argumentiert genau so. Eine gute Führungskraft setzt Prämissen und Leitplanken, auch wenn sie diese “von oben” nicht bekommt, ist dabei aber stets reflektierend “auf der Pirsch”, ob die Prämissen und Leitplanken noch passen.
Das kann man auch unter dem Punkt Schaffen eines Leitbildes zusammen fassen. Jeder Mitarbeiter muss wissen, warum er jeden Tag zur Arbeit kommt, wofür sein Bereich und er steht und wofür nicht?
Dann gibt es noch weitere Punkte, die ich nicht genauer verargumentieren möchte. Ich werde diese Punkte demnächst in einem Post in meinem Logbuch der Reise des Verstehens (http://blog-conny-dethloff.de) verfassen.
1. Redundanzen schaffen
2. Kontextabhängige Hierarchien schaffen
3. Stetes Hinterfragen und Reflektieren von Prozessen, Aufgaben und Tools
4. Vorschuss an Vertrauen geben.
5. Kein Mikro-Management durchführen
6. Rollen und Prozesse nicht per Gesetz erlassen, sondern sich entwickeln lassen.
7. Sich entbehrlich machen: Als FK hat man dann gute Arbeit gemacht, wenn das Team alleine agieren kann
8. Nur Fragen stellen, deren prognostizierten Antworten unmittelbar handlungsleitend für einen sind
Denkerische Grüße,
Conny
Hallo Conny,
vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!
Den Umgang mit Pradoxien in verschiedenen Kontexten ist für mich eine der wichtigsten Eigenschaften von uns Menschen überhaupt. Ihn auf die Führungskräfte zur reduzieren halte ich für fehlgeleitet. Außer natürlich, man erkennt an, dass wir alle zu Führung fähig sind.
Das mit den Rahmenbedingungen sehe ich auch anders. Da ich Unternehmen in einer innen außen anstatt in der normalen oben unten Logik denke, gibt es keine Situation ohne Leitplanken. Selbst wenn die Führung nichts dergleichen vorgibt. Lieferanten, Wettbewerber, Gesetzgeber, Lobbyisten, Lieferanten, Verbände etc. tun es vollkommen ungefragt ;). Siehe dazu auch die Beiträge:
Wenn der Bonus die Intelligenz dominiert I
Wenn der Bonus die Intelligenz dominiert II
Davon abgesehen finde ich Deine Liste sehr wertvoll und unterstreiche sie zu 100%. Auf die Erläuterungen zu 8. bin ich gespannt!
denkend
Gebhard
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