In Masse intelligent Sinn finden anstatt gesund zu verdummen [1]

In der Geschichte werden die beiden Rollenbilder ersichtlich, die das gesunde Wirtschaften daran hindern, Zugang zur Massenintelligenz zu bekommen: Denkdelegierer und Denkregulierer. Mike ist ein Denkdelegierer. Es ist nicht so, dass er es nicht könnte, er will es einfach nicht mehr. In vielen Gesprächen höre ich dann die Feststellung: „Sehen sie, und genau deswegen funktionieren ihre Ideen auch nicht in der Praxis, die Menschen wollen doch gar nicht mitdenken!“ Das ist schon richtig, muss ich dann unumwunden zugeben, allerdings nur solange die Denkdelegierer in den Denkregulierern ihren Gegenpart finden. Solange diese spezifische Interaktion funktioniert, sind alle Beteiligten geblendet. Denkregulierer sind dann all jene, die sich voller Inbrunst über die Denkdelegierer ereifern und selbst keinen Millimeter von ihrer Regulierungsmacht abrücken. Es sind die Führungskräfte, Spezialisten, Experten und Superhirne, die es kaum ertragen können, dass irgend jemand über ihre Rückschlüsse und Erkenntnisse nachdenkt, vielleicht sogar wagt, sie in Frage zu stellen oder, noch schlimmer, einen Fehler darin entdeckt und eine Verbesserung beizutragen hat. Sie setzen sich in machtvolle formale oder informelle Nester und würden bei klarem Verstand nie öffentlich zugeben, dass sie selbst einer der wichtigsten Gründe dafür sind, dass all die Denkdelegierer mit ihrer Verantwortungsabgabe durchkommen. Sie halten das Prinzip der Unterordnung und seine mannigfaltigen Masken und Rechtfertigungen, denen Immo Sennewald in „Der menschliche Kosmos“ ein eigenes Kapitel widmet, für unverzichtbar. So sind sich beide in Einem absolut einig: Es muss einen geben der entscheidet und sagt wo‘s lang geht!

Zwischen Denken vorschreiben und es den anderen überlassen bilden sich Räume für gegenseitige Beschwerden und Schuldzuweisungen übereinander. Hier entsteht in allen gesund wirtschaftenden Unternehmen eine Art Gravitation. Bildlich kann man sie sich wie das schwimmende Gegengewicht in einem Wolkenkratzer vorstellen. Weithin unerkannt und fast unsichtbar stabilisiert es doch das gesamte Gebäude und bewahrt es davor einzustürzen. Auch krank wirtschaftende Systeme profitieren von der Dominanz der Denkregulierer – nur gibt es dort keine Denkdelegierer. Das Denken wird allen andern schlicht unter Androhung schwerer Strafen verboten und mit Umsetzung der Bestrafung faktisch entzogen. Wer möchte schon denken, geschweige denn den Mund aufmachen, wenn es schweres Leid auch für Familienangehörige, Kerker oder gar den Tod bedeutet. Die Stabilität entsteht hier, indem Sanktionen brachial durchgesetzt werden, sie lebt von der weiten Sichtbarkeit dieser Macht. Im gesunden Wirtschaften bedeutet entscheiden hingegen, dass alle den Eindruck haben, denken zu können und zu dürfen, wenn sie nur wollen. So steht es wohl jedem offen, Karriere zu machen, an die Schalthebel der Macht zu gelangen und mit diesem Schritt bei den Denkregulierern einzusteigen. Die Stabilität dieses Systems kommt nicht zuletzt aus dieser kleinen, aber doch vorhandenen Durchlässigkeit. Es ist so wie der Glaube an den Lottogewinn, der sich darauf begründet, dass immer irgendjemand gewinnt. Dabei übersehen wir gerne, wer hier äußerst zuverlässig und kontrolliert gewinnt – der Lotteriebetreiber.

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3 Kommentare

Eingeordnet unter 06 Masse mit Klasse, In Masse intelligent Sinn finden anstatt gesund zu verdummen

3 Antworten zu “In Masse intelligent Sinn finden anstatt gesund zu verdummen [1]

  1. Guten Tag Herr Bartonitz,

    leider bin ich erst heute auf Ihren kl. Artikel gestoßen.
    Auch ich war faziniert vom Sinnstiften (der alten partnerschaftl. Schlachtenlenker), aber die Antwortung muß heute eine menschliche sein. Sie haben recht mit der Idee der Entwicklung einer „Schwarmintelligenz“ die eine Führungskräft fördern sollte.
    Es geht also darum die Mitarbeiter persönlich über Ihre Werte anzusprechen. Unsere menschlichen Werte bilden die „innere Bewertungsinstanz“, die uns dazu verhilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen, uns richtig, stimmig und gesund zu verhalten.
    Jede belastbare Beziehung, in der Familie genauso wie im Geschäftsleben beruht auf der wechselseitigen Beachtung und Berücksichtigung unserer menschlichen Werte. Wenn wir sie bewusst oder intuitiv beachten, wird unser Zusammenwirken zielgerichtet, vertrauensvoll und weitgehend frei von negativen Spannungen bleiben.
    Ih habe in den letzten Jahren ein Navigationssystem zur WERTEORIENTIERUNG im Zusammenleben und Zusammenarbeiten
    „DER WERT UNSERER WERTE“ für Unternehmen und Kliniken entwickelt, um erst garnicht in die Näche einer „Vorbeter-Rolle“ zu kommen.

    Danke Ihnen

    Michael Burmeister

  2. Pingback: Das kollektive Grauen oder: Teams gehören beerdigt! |

  3. „Die Stabilität dieses Systems kommt nicht zuletzt aus dieser kleinen, aber doch vorhandenen Durchlässigkeit.“
    Diese Stabilität ist aber auch genau das Trügerische. Denn wenn es nur einen Denker gibt, und der womöglich durch das Peterprinzip auf der falschen Stelle angelangt ist, dann stagniert der Prozess.
    Wenn dagegen viele mitdenken können und sogar dazu aufgefordert sind, sollten diese Schwarmintelligenz zu mehr Flixibilität und Dynamik führen und die Überlebensstärke des Unternehmens absichern. Es profitieren also alle davon, wenn gemeinsam nachgedacht wird.
    – Die einen, weil sie sich respektiert fühlen, was mehr wiegt als eine Bezahlung.
    – Und die Anderen, weil das Unternehmen nachhaltig unterwegs ist.
    Und nun stellen wir uns das auch noch makroökonomisch vor:
    Unsere Regierungen haben kaum noch Durchblick oder lassen sich nur von den Lobbyisten beraten. Hier fehlt dann die Ausgewogenheit. D.h. die Ideen der Bürger kommen nicht mehr zum Zuge. Das Ergebnis dürfen wir gerade beobachten. Mehr direkte Demokratie sollte also einen gleichen Effekt erzielen. Dann sollte des mit dem Gemeinwohl auch wieder bergauf gehen.

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