Sinn vs. Profit – Kooperation vs. Rangkämpfe [1]

Jeder von uns ist ein Arbeits-Statist, eine seelenlose Nummer in den Zahlenfriedhöfen des Statistischen Bundesamtes. Die Unternehmen koordinieren diese Statisten und fordern Höchstleistungen von ihnen. Dabei haben sie das ruhende Potenzial zwar erkannt, nach wie vor gelingt es allerdings nur mittelmäßig, dieses Potenzial auch als Leistung abzurufen. Der Grund ist vor allem im Mechanismus zu finden, den Unternehmen benutzen, um uns Statisten an sich zu binden. Abhängigkeit, Bedrohung, Belohnung und Bestrafung sowie Gängelung – vor allem Angst wird genutzt, um Menschen aufstehen und zur Arbeit gehen zu lassen. Es ist allerdings eine denkbar schlechte Vorgehensweise, um intelligente Leistung im Sinne eines größeren Ganzen zu bekommen.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Seit mehreren Jahrzehnten wird der bittere Grundmechanismus der Arbeit – existenzielle Abhängigkeit – auf Zucker geträufelt. Unternehmensleitbilder, Incentives, Fach- und Kompetenzkarriere, Unternehmenswerte, leistungsabhängige Einkommensanteile und dergleichen mehr nennt man das dann. Sozusagen als Best-Practice vom Erfolg der Schluckimpfung auf die Arbeitswelt übertragen.
Das alles bleibt allerdings im konservativen Verständnis von Arbeit verhaftet. Und so bleibt auch das Ergebnis der Arbeit selbst weit hinter ihrem Potenzial zurück. Will man menschliche Leistung, Intelligenz im Sinne eines gemeinsamen Unternehmens und wirkliche Synergie, dann können Werte, Identität und Sinn nicht vorgeschrieben sein. Sie können bei diesem Anspruch nicht eingefordert werden. Was den Unternehmen bleibt sind Angebote, die aus freien Stücken angenommen werden, weil die Menschen annehmen wollen. Alles andere ist Zwang und steht einer Sinnkopplung im Weg.

Bereits bei der Gründung einer Firma können für eine erfüllende Arbeit die richtigen Weichen gestellt werden. Wenn Sie ein Unternehmen beim Gewerbeamt anmelden, werden Sie nach zwei Dingen gefragt: Dem Zweck und der Gesellschaftsform ihres Unternehmens. Der Zweck beschreibt ihren Handlungsraum, ein Handelsgewerbe darf nicht automatisch etwas produzieren und eine Softwarefirma darf nicht automatisch Autos verkaufen. Die Gesellschaftsform beschreibt vornehmlich juristische Inhalte wie Haftungsrisiken, Abhängigkeit der Geschäftsführer im Innen- und Außenverhältnis und anderes mehr. Das heißt: Bereits heute gibt es keine Gesellschaft, kein Unternehmen ohne Zweck und Form, womit die Grundvoraussetzungen für ein Sinnangebot sogar gesetzlich verankert sind!

Viele nehmen an, das Ideal, ein tolerantes, kooperatives und lebensbejahendes Unternehmen, das seinen Menschen die Möglichkeit gibt, in ihrer eingebrachten Leistung den persönlichen Sinn zu erfüllen, sei Wirklichkeit. So würden sie sogar unsere Gesellschaft beschreiben. Stimmt das? Wie werden Firmen normalerweise umgesetzt? Welche Grundprinzipien werden für sie angenommen? Hier schematisch ein gängiges Unternehmen:

  • Allgemein – Hierarchisch geordnet, Rivalität zwischen den Angestellten mit Rangkämpfen, mechanische Abläufe
  • Leitfigur – von autoritär bis autokratisch
  • Ziel und Zweck – Vorwiegend monetär orientierte Ziele; Existenzsicherung des Systems ist ein sekundäres Ziel; Im Extremfall wird der monetäre Erfolg zum Machtgewinn und zur -erhaltung gebraucht.
  • Regeln – Kollektivistische Regeln, Gehorsam gegenüber den Anweisungen der Hierarchie
  • Strafen – Bei Verweigerung der Systemkonformität subtile psychische Aggression (Mobbing), Isolation (Wegbefördern) oder Systemausschluss (Kündigung)
  • Konkurrenten/ Feinde – Jeder, der nicht Teil oder Partner des System ist
  • Riten/ Symbole – Gehorsamsgesten (freiwillige (Pflicht-)Teilnahme an der alljährlichen Betriebsweihnachtsfeier), Unterwerfungsriten (Arbeitsvertrag), manipulatorische Elemente (jährliche Leistungsbeurteilung)
  • Bindungsmechanismus – materielle Abhängigkeit, zuerst über das Gehalt, darüber hinaus über Vergünstigungen wie Firmenhandy, -wagen, -kredite, Boniregelungen bei Akkord oder Zielvereinbarungen
  • Slogan – »Leben ist Arbeit«

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4 Kommentare

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4 Antworten zu “Sinn vs. Profit – Kooperation vs. Rangkämpfe [1]

  1. Thomas

    Da widerspreche ich doch mal vehement. ICH nehme mein berufliches Umfeld nicht so wahr, wie Du beschrieben hast – und ich arbeite in einem wirklichen klassischem Großunternehmen.

    Anbei mal eine etwas andere Interpretation Deiner Kategorien:

    Allgemein – Hierarchisch geordnet – ja. Aber kooperatives Zusammenarbeiten auch zwischen Bereichen, die „hierarchisch weit“ voneinander entfernt sind, sicherlich auch mit mechanischen Abläufen, die aber nach Kräften automatisiert werden, damit die Menschen Zeit haben, sich mit wesentlichen Themen eines Wissens-Arbeiters zu beschäftigen.

    Leitfigur – Kooperativ, Verantwortung abgebend, Eigenverantwortung fördernd. Definitiv nicht autoritär und autokratisch.

    Ziel und Zweck – Vorwiegend monetär orientierte Ziele; Aber Existenzsicherung des Systems (nennen wir es mal Nachhaltigkeit) ist ein ebenso wichtiges Ziel;

    Regeln – Teilweise werden Regeln durch „die Führung“ vorgegeben, das stimmt. Aber gerade im operativen Bereich werden massive Anstrengungen unternommen, damit die Belegschaft selber die Regeln des Zusammenarbeitens definieren kann.

    Strafen – Bei Nichteinhaltung der Regeln: Gespräch mit den Kollegen, warum die Regeln nicht einhaltbar sind. Bei gröberen Verstößen oder wiederholten Verstößen gibt es Maßnahmen bis hin zur fristlosen Kündigung – unabhängig von der Position im Unternehmen.

    Konkurrenten/ Feinde – Jeder, der nicht Teil oder Partner des System ist… und somit „in einem anderen Verein spielt“. Nach einem Vereinswechsel wird man nicht automatisch zur Person non-Grata. Es ist eher wie beim Fußball, wo Menschen zwischen Vereinen wechseln und mal für Verein A und danach für Verein B spielen.

    Riten/ Symbole – Gibt es, sind von Firma zu Firma unterschiedlich und spiegeln die Unternehmenskultur wieder.

    Bindungsmechanismus – materielle Abhängigkeit. Das ist sicherlich auch ein Thema. Aber in Zeiten in denen Ingenieure eher Mangelware sind, reicht das bei weitem noch nicht aus. Und so werden regelmäßig Umfragen gemacht, um herauszufinden, wie Zufrieden die Mitarbeiter sind und was man besser machen kann.

    Alles in Allem arbeite ich in einem Umfeld, das lange nicht so schlimm ist, wie Du es verallgemeinert annimmst.

    Slogan – »Leben ist Arbeit«

    • Hallo Thomas,
      vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar!
      Was Du beschreibst, kann ich mir sehr gut vorstellen, da ich es auch schon häufig gesehen habe.
      Ihr wahres Gesicht wird die Organisation in einer Krisensituation zeigen. Ich habe keine Ahnung, ob Du das schon erlebt hast. Deshalb kann ich nicht sagen, inwieweit Deine Organisation all die menschlichen Freiheiten, die Du augenblicklich erlebst, ernst meint oder eben augenblicklich zulässt?
      Eine zweite Frage, die mir in den Kopf kam, als ich Dein Kommentar gelesen habe war: Bist Du bereits in Führungsthemen unterwegs oder siehst Du das aus der Sicht eines Mitarbeiters, der noch keine ernsthaften Anstalten gemacht hat, in die Hierarchie einzusteigen?

      Gruß
      Gebhard

  2. Pingback: Rückblick (3): Projektmanagement = Management

  3. Interessant: Das Gehalt als Fessel einer neue Art der Sklaverei. So hatte ich das noch gar nicht betrachtet. Wenn wir uns also wirklich befreien wollten, müssten wir (das Volk) uns tatsächlich ein allgmeines Grundgehalt geben, um in der Wahl unserer sinnvollen, erfüllenden Arbeit frei zu sein. Dann hätten wir keine Angst, uns nach einem anderen Arbeitsplatz umzuschauen, wenn uns der aktuell in die Depression führt. Das würde leicht Milliarden sparen: http://faszinationmensch.wordpress.com/2010/12/22/hoher-wirtschaftlicher-schaden-wegen-depression-uber-3-millionen-deutsche-in-behandlung/

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